Kampf um den besten Kindergeburtstag


Ist das noch eine Feier oder schon ein Wettrüsten? Ein US-Familienforscher warnt vor den Folgen des Trends zur Megaparty – für Kinder, Eltern und Gesellschaft

Neulich habe ich die Stefanie Liebal vom Familien-Blogazine Saint Iva, www.saint-iva.de kennnengelernt – und die hat mir einen Gastbeitrag versprochen – hier ist er! 

Kindergeburtstage sind bei uns das ganze Jahr über ein Thema. Nicht, weil unsere Geburtstage so weit übers Jahr verstreut liegen würden, sondern weil das große Ereignis einfach immer im Kopf meines Novemberkinds herumspukt. Im Januar gibt er mir sein Partymotto durch, im Februar die Gästeliste, im März wird der Kuchen besprochen, im Mai die Deko, im Juni fragt er, wieviel Mal noch schlafen, bis… Und immer wieder zwischendurch wandern neue Dinge auf den Wunschzettel. Uff! Das Kind kann einen ganz schön in die Zange nehmen. Er schafft es sogar, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, weil seine kleine Schwester drei Wochen vor ihm Geburtstag hat – ungerechterweise jedes Jahr!

200.000 Dollar für die Promi-Kinderparty

Zu den zahlreichen Kinderwünschen kommt noch der Druck, den sich viele Mütter selber machen: Immer noch spannender, kreativer, lustiger als das letzte Mal soll die Kinderparty werden; vor allem aber spannender, kreativer und lustiger als die der anderen Moms!

Zugegeben, auch ich lese sie gern, die Berichte in Gala & Co. über besonders extreme Auswüchse dieser Partymania bei den Promis. Wie ein „Who is who“ in Hollywood las sich die Gästeliste zum 2. Geburtstag von Kingston, dem Sohn von Gwen Stefani und Gavin Rossdale. Während Victoria Beckham und Christina Aguilera am Champagner nippten, gab’s für ihre Kids Westernponyreiten und ein Hüpfburgenschloss im Garten.

Üppige 200.000 Dollar soll die Sause zum 2. Geburtstag von Blue Ivy gekostet haben, der Tochter von Beyoncé und Jay-Z. Gefeiert wurde im Jungle Island-Wildtierpark von Miami, die Mama posierte als Schmetterling geschminkt und mit Riesenboa um den Hals. Um wen ging es hier nochmal…?

Komplettservices für Möchtegernmodels und Gangster

Eine ganze Branche lebt ja mittlerweile davon, sich das immer wieder nächste große Ding auszudenken. Da gibt es Beauty-Partys inklusive Glitzernageldesign für die kleinen Möchtegernmodels oder Gangster-Partys, bei denen das Kind gefährlich echt tätowiert wird.

Für die Eltern ist die Buchung eines Komplettservices von einer Kinderevent-Agentur natürlich zeit- und nervensparend. Aber dennoch: Haben es unsere Eltern damals nicht auch irgendwie zu Hause hinbekommen? Und hatten wir nicht einen Riesenspaß mit Klassikern wie Topfschlagen und Der-Plumpsack-geht-um?

Berge an Geschenken – und Plastikmüll

„Back to the roots!“, dachte sich auch ein Professor aus St. Paul, USA, der die Initiative „Birthday without Pressure“ gegründet hat, zu deutsch: Geburtstag ohne Druck. William Doherty ist Familienforscher an der University of Minnesota, und der Trend zu immer aufwändigeren Kindergeburtstagen bereitet ihm Sorgen. Aus den verschiedensten Gründen sieht er das „Wettrüsten“ der Moms um den jeweils besseren Geburtstag als Problem.

Die Feiern werden immer größer, teurer, extremer, am Ende wird sogar tagelang gefeiert, um die verschiedene Kreise – Freude, Familie, Schulkameraden – separat abzuhandeln. Das alles kostet Unsummen. Dazu die Geschenkeberge für das Geburtstagskind. Die „Mitgebseltüten“ voller Plastikmüll für die Gäste.

Kultur des Egoismus und des Neids

Und am Ende: völlig überdrehte, überreizte Kinder, mit denen kaum noch zurechtzukommen ist. Verwöhnt durch ein viel zu viel an allem, könnten sie am Ende gar nicht mehr zwischen Dingen unterscheiden, die sie einfach nur wollen und die sie wirklich brauchen, schreibt Doherty. Sie fühlten sich sogar berechtigt, alles zu bekommen, was sie wollen. Sie beneiden Freunde, die noch mehr bekommen – und die wird es immer geben. Sie fühlen sich dauer-unzufrieden, denn es wird für sie nie ein „genug“ geben.

Auch die Folgen für die Eltern sind vielfältig: Streit zwischen den Elternteilen über Art und Größe der Party; Verschuldung, um mit anderen mithalten zu können; die Enttäuschung, vom Kind vielleicht nicht den erhofften Dank für all ihre Mühen zu bekommen.

Nicht zuletzt listet der Wissenschaftler auch die Konsequenzen dieser Mega-Partys für die Umwelt und die Gesellschaft auf: Eine Kultur des Egoismus, eine Kultur des Zuviel, eine nimmersatte Neidkultur, eine Wegwerfgesellschaft.

Riesenpartys aus Schuldgefühlen?

Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen? „Die Eltern haben heutzutage hohe Erwartungen an sich selbst und wollen für ihre Kinder jede Aktivität zu einer Bereicherung machen“, so Doherty. Dazu kommt: „Einige Eltern haben ein starkes Konkurrenzdenken und heben daher die Messlatte für Geburtstagspartys in ihrer Nachbarschaft höher und höher.“ Und bei manchen sei auch Schuldgefühl am Werk. Da solle durch luxuriöse Partys die häufige Abwesenheit der vielbeschäftigten Eltern kompensiert werden.

Sein Lösungsansatz für einen Schritt zurück, wieder hin zu kleineren, bescheideneren Partys klingt so simpel und ist dabei doch offenkundig bei so vielen auf der Strecke geblieben: Fragt Eure Kinder, was für eine Party sie wollen! Fragt sie, welche vergangene Party sie toll fanden, und was genau daran. Fragt sie, was ihnen keinen Spaß gemacht hat. Der Abgleich der Erwartungen hält sicher Überraschungen bereit.

Back to the roots mit Kochlöffel in der Pfote

Auch ich packe mich da an die eigene Nase… Abgesehen von all seinen Special-Wünschen hinsichtlich Essen, Verkleidung und Deko wollte mein Novemberkind letztes Mal ja durchaus gern zu Hause zu feiern. Ich habe ihm aber die (teure) Ritterparty in der Kletterhalle aufgeschwätzt, weil ich keine Lust auf das Gedöns in der Wohnung hatte.

Für ihn ist es auch nach wie vor das größte, wenn bei einem Freund die Feier zu Hause stattfindet. Eine gemütliche, familiäre Atmosphäre ist eben durch nichts zu toppen. Da dürfen die Muffins auch gekauft sein und die Spiele von annodazumal: Flaschendrehen, Reise-nach-Jerusalem, Eierlaufen – die Evergreens.

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„Back to the roots“ heißt in unserem Fall dann wohl „zurück in die Wohnung“… Und so werde ich mich dieses Jahr auf einen Haufen kleiner Grüffelos einstellen, die mit verbundenen Augen und Kochlöffeln in der Hand durch die Wohnung scheppern… Wir haben ja noch sieben Monate, um am Konzept zu feilen 😉 Für später allerdings habe ich schon mit dem Gedanken gespielt, die Geburtstage beider Kinder zu einer Halloweenparty zusammenzulegen. Mal sehen, ob ich damit durchkomme. Wäre doch lustig, mich mal wieder als Hexe zu verkleiden… aber stopp, um mich geht’s hier nicht!

Gastbeitrag von Stefanie Liebal vom Familien-Blogazine Saint Iva, www.saint-iva.de

Kontakt: [email protected]

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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4 Kommentare

Simone Leithe
Antworten 1. Mai 2016

Liebe Bea, liebe Stefanie,
Da spricht mir Jemand aus der Seele! :-)
VIELEN DANK!
Ich kämpfe schon seit Jahren gegen diesen Schneller-Höher-Weiter-Wahn. Bei KiKo KinderKonzepte gibt es individuelle Konzepte und auch ein Grundkonzept zum selber erstellen der stressfreien Geburtstagsparty @home. Ich lege meinen Kunden nahe sich nicht dem Druck der "Anderen" auszusetzen und a) das Kind zu befragen was es möchte und b) den Gästen z.B. keine Geschenktüten mitzugeben die vermutlich den Wert des mitgebrachten Geschenkes übersteigen.
Ich bin auch kurz davor einen Ratgeber zu schreiben, über die Abartigkeiten die heutzutage in Bezug auf Kindergeburtstag vorkommen! :-)

    Stefanie Liebal
    Antworten 2. Mai 2016

    Hallo Simone, schlimm, dass es sowas braucht... Aber offenbar ist für viele Eltern eine "höhere Instanz" wichtig, die ihnen sagt, dass sie sich weniger Druck machen müssen. Daher gute Aktion von dir! :-)

Natürlich Schöner
Antworten 7. Juni 2017

Danke für den tollen Beitrag. Uns nervt dieses Höher/Schneller/Weiter bei Kindergeburtstagen auch zunehmend. Nicht zuletzt, weil es uns allein aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten immer wieder nervt, wenn die Kinder mit Tüten voller Plastikkram und Billigsüßigkeiten nach Hause kommen, die über kurz oder lang im Müll landen.

Früher hat es doch auch gereicht, zu Hause eine kleine Party mit Kuchen, Süßkram und Spielen zu machen. Fanden die Kinder auch toll. Ich hoffe sehr, dass dieser bescheuerte Trend bald aufhört.

LG Michaela

Huanita
Antworten 7. Juni 2017

Hallo Zusammen
Ich war auch bass erstaunt, was da alles gemacht wird. Aber man muss als Mama manchmal schon sehr bei sich bleiben, um all dem "Druck" zu wiederstehen und nicht beim "Beste-Party-des-Jahres-Spiel" mitzumachen. Danke jedenfalls für disesen tollen Mut machenden Beitrag!

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