„Bärbel ist im Mond!“ – Gastbeitrag von Heidi Guder zum Thema „Kindern den Tod erklären“


Kindern den Tod zu erklären ist ein schwieriges Thema… oder sagen wir: Erwachse tun sich schwer damit! Heidi Guder ist ein Teil der Tollabea Community und hat eine Situation durchlebt, in der sie gelernt hat, dass es machmal einfacher ist, mit Kindern darüber zu reden, als sie erwartet hat…

Hier kommt ihr Gastbeitrag: 

„Bärbel ist im Mond!“

Da war es, wonach ich suchte; worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte… Solche Worte aus seinem kleinen Mund zu hören waren sowohl erlösend als auch niederschmetternd. Ich bin froh, dass er es endlich zu mir sagen konnte. Und das ist die Vorgeschichte:

Über Silvester ist Constantin, mein Kleiner (3,5 Jahre alt), bei Papa gewesen und kam erst am 4. Januar zurück. In der Nacht zum 3. kam die traurige Nachricht: Die Großtante Bärbel ist verstorben, ein unglaublich lieber Mensch.

Sie lebte mit der Oma väterlicherseits in einem Haus und Constantin hatte alle zwei Wochenenden auch Kontakt zu ihr. Alle haben es genossen, meinen kleinen Spatz regelmäßig um sich zu haben.

Leider bekam die Großtanten einen Herzinfarkt, den sie nicht überlebte.

Ich hab mich hilflos gefühlt, als ich es erfuhr. Mein Kind war nicht bei mir und ich in keinster Weise fähig, Einfluss zu nehmen. Als er dann endlich einen langen Tag später wiederkam, wartete ich darauf, dass er von sich aus auf das Thema kam und war sehr vorsichtig in dem, was ich vor ihm erwähnte. Es hat lange gedauert. Ich hab immer noch keine Ahnung, was ihm erzählt wurde und auf welche Weise; wohlwissend, dass der Vater schnell mal zu emotional reagiert. Ich führte einen inneren Kampf des Abwartens. Es dauerte einfach zu lange.

Bärbel sollte eingeäschert und erst Wochen später beerdigt werden.

Eine Woche vorher sprach der Vater nicht mehr mit mir, weil ich mich dagegen stellte, dass Constantin der Beerdigung beiwohnte. Ich hatte meinen Standpunkt klargemacht und wurde wie üblich als schlechter Mensch hingestellt, was ich zum Glück schon gewohnt war. So fiel es mir leicht mich nur noch darauf zu konzentrieren mich durchzusetzen.

Leider passiert es mir da immer wieder, dass ich vor lauter Durchsetzungsvermögen vergesse, worum es mir wirklich geht. Ein Dreijähriger muss noch keine Beerdigung erleben. Ich hätte mir nicht extra dafür freigenommen, wollte mich auch raus halten, weil es um den anderen Teil der Familie ging, zu dem ich sonst keinen Kontakt mehr hatte. Bärbel ist die Einzige gewesen, die noch wirklich auf mich zukam und Verständnis zeigte. Wir telefonierten jede Woche wenigstens einmal. Es war schön zu wissen, dass da noch eine Stimme der Vernunft war. Ich mochte sie sehr. Und sie fehlte mir nun, schmerzlich.

Vor ein paar Tagen sollte ich dann endlich ein wenig erlöst werden.

Constantin und ich kamen auf das Thema Papa-Wochenende und wen er dann alles wiedersähe. „Oma“, sagte ich. Und wie selbstverständlich sagte er: „Bärbel!“
Ich holte Luft. Da war es. Ich konnte endlich Einfluss nehmen. Ganz sanft, ohne emotionalen Vorschlaghammer und kindgerecht.
„Aber die Bärbel ist ja gar nicht mehr da“, sagte ich, „die ist jetzt ja im Himmel.“
„Nein, Bärbel ist im Mond“, lauteten seine Widerworte – eine schöne Vorstellung!

Bärbel ist im Mond; das konnte ich annehmen, damit konnte ich leben.

Auch schön war zu wissen, dass ein Kind sich seine eigenen Gedanken macht! Dieses kleine Gespräch gab mir wieder etwas Frieden.

Jetzt weiß ich, dass es nicht schlimm war, dass er nicht mit mir darüber redete. Er hatte es bereits angenommen wie es war und dann einfach vergessen, was es mit dem Sterben auf sich hatte. Für ihn wäre es nicht seltsam gewesen, wäre sie beim nächsten Wochenende einfach wieder da gewesen. Er hätte sich gefreut ohne zu hinterfragen. So konnte ich ihm zumindest einmal mit meinen Worten erklären, dass das nicht mehr passieren würde. Für ihn war das bereits abgeschlossen. So sind Kinder.

Ich weiß nicht, was noch alles für Auseinandersetzungen auf mich warten und ob ich allem standhalten und dem Kind gerecht werden kann. Ich weiß nur, dass ein lieber Mensch mehr in meinem Leben fehlt und das alles nicht unbedingt einfacher macht.

Ich bin froh, dass Du da warst, Bärbel!

Immer wenn ich den Mond sehe, werde ich nun an Dich denken und mich freuen, dass ich Dich kennenlernen und Dir einen Neffen schenken konnte. Ich glaube, auch wenn Du es zuletzt sehr schwer hattest, dass er Dir noch eine letzte große Freude im Leben war.

…was ich aus dieser Geschichte mitgenommen habe?

Es ist zwar nun schon ein paar Wochen her, aber ich habe mir von meiner Mutter die Telefonnummer meiner Tanten väterlicherseits geben lassen. Es ist Jahre her, seit wir das letzte Mal miteinander sprachen. Heute habe ich mich endlich getraut anzurufen, war sofort den Tränen nahe und habe mit ihnen ein Treffen ausgemacht. Sie sind auch nicht mehr die Jüngsten und ich freue mich sehr darauf ihnen ihren Neffen vorzustellen.
Auch wenn es irgendwann wieder Abschied nehmen bedeutet… Den lieben Menschen dankbar zu sein für ihre bloße Existenz, ist etwas, das ich nie missen möchte. Und ich möchte sie teilhaben lassen!

Wie geht ihr mit solchen Fällen um? Wart ihr schon mal mit dem Thema „Kindern den Tod erklären“ konfrontiert? 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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3 Kommentare

Manu
Antworten 25. Februar 2017

Auch wir mussten uns leider mit dem Thema auseinander setzen,Heiligabend 2014 starb mein "kleiner" Bruder (25). Da wir alle zusammen in einem Haus wohnen konnten wir gar nicht anders als das Thema aufzufassen.Auch mein Sohn ,damals 6,5 Jahre, war sehr ruhig.Er wusste genau das sein Onkel nicht mehr wieder kommt.Wir haben überlegt,Beerdigung ja oder nein...letztendlich haben wir ihn entscheiden lassen,mit der Option jederzeit zu gehen.Für ihn war es sehr wichtig,da erst mit beisetzen der Urne sein Onkel ganz richtig nicht mehr da war.Ich denke es war definitiv die richtige Entscheidung, um auch das ganze richtig zu verarbeiten können.

Holly_Holster
Antworten 25. Februar 2017

Mein Opa ist vor 7 Monaten gestorben. Wir wohnen 500km auseinander, also hat meine Tochter (jetzt 18 Monate) ihn kaum gesehen, aber er war einer der ersten der weiteren Familie, den sie an sich heranließ. Es steht ein Foto vom letzten Treffen bei uns und als wir jetzt bei meiner Oma waren, fragte meine Kleine ständig nach dem Opa. Wir waren an seinem Grab im Wald und ich habe ihr gesagt, dass der Opa dort jetzt wohnt und seine Seele den Baum hinauf in den Himmel geklettert ist. Sie wollte, dass der Opa aufsteht, da hab ich ihr gesagt, dass er so krank war, dass er keine Kraft mehr hatte aufzustehen. Vielleicht finde ich noch passendere Worte, wenn sie älter ist.
Noch ist es schwer für mich, eine Vorstellung von Tod zu vermitteln, ohne die Religion einzubeziehen. Wir Eltern sind beide nicht in der Kirche und ich möchte, dass meine Tochter einen eigenen Zugang zum Glauben kriegt, wenn sie ihn sucht.

Die Idee mit dem Mond finde ich schön, sie ist greifbarer als der "Himmel", man kann den Mond sehen und an denjenigen denken.

Melanie Österreicher
Antworten 12. Mai 2017

Sehr sehr schön geschrieben. Ja Kinder gehen da eigentlich sehr "pragmatisch" mit dem Thema um: meiner zeichnete immer Botschaften für den Himmel ❤

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