„Das war doch gar nicht böse gemeint!“ – nett gemeinte Komplimente und Alltagsrassimus aus der Sicht einer Betroffenen


Manchmal meinen wir es nun gut und verletzen jemanden völlig unbewusst. Ich möchte mich heute mal auf ziemlich sicher nett gemeinte Komplimente stützen, die für Betroffene wie mich oft Teilbestand des Alltagsrassismus sind.

Lange habe ich mich davor gedrückt, erneut über das Thema Rassismus zu schreiben. Die Kommentare, die mich erreichten, waren zwar einerseits reflektiert und einsichtig, aber oftmals ignorant. Es hat mich sehr frustriert, meine Gedanken, für die ich mich sehr überwinden musste, zu teilen, und dann nicht verstanden zu werden.

Doch nun, nach einigen Monaten „Pause“ von diesem Thema, fühle ich mich wieder gefasst genug, um darüber zu schreiben. Es ist mir deshalb so wichtig, weil ich mir wünsche, etwas zu erreichen. Natürlich kann ich nicht das Denken aller Menschen umformen, aber vielleicht kann ich ein paar Lesern einen Denkanstoß geben, über den sie nachdenken können.

Aber kurz vorab: Was ist überhaupt Alltagsrassimsus?

Unter Rassismus stellen wir uns oft immer etwas „Krasses“ vor. Nazis, die es auf „Ausländer“ abgesehen haben und furchtbare Dinge sagen/machen. Aber leider ist Rassismus noch so viel mehr. Er steckt in jedem von uns, denn wir alle sind mal ein bisschen voreingenommen und rassistisch, ohne es böse zu meinen oder überhaupt bewusst zu merken. Alltagsrassimus begegnet Betroffenen, wie das Wort schon sagt, im Alltag, und vermittelt ihnen stillschweigend, dass sie anders sind und nicht hierher gehören.

Ich erlebe jeden Tag Rassismus. Und ich halte es nicht mehr aus.

Als Kind störte ich mich nicht so sehr daran, wie heute, und das, obwohl meine rassistische Erfahrung als Kind deutlich „schlimmer“ war, als heute (davon ein anderes Mal mehr). Der heutige Rassismus, der mir begegnet, geschieht nämlich meistens unbewusst. Oftmals versteckt er sich hinter einem netten Kompliment oder dem freundlichen Versuch, mit mir ins Gespräch zu kommen. Meistens reagiere ich höflich und sage nichts dazu, aber innerlich verdrehe ich die Augen und unterdrücke den Drang, mit den Zähnen zu knirschen.

Hier 4 Beispiele von Alltagsrassismus, der mir als Kompliment begegnet:

1. „Woher kommst du?“

Der Klassiker aller Fragen. Wann immer ich einen neuen Menschen kennenlerne, lautet die erste oder zweite Frage sofort: „Woher kommst du?“ Manchmal geben sie sich damit zufrieden, wenn ich: „Aus Berlin“ antworte, doch meistens bohren sie nach. Sie formulieren die Frage um, fragen nach der Herkunft meiner Eltern und machen gern ein Ratespiel daraus. Wenn ich ihnen schließlich mit: „Marokko und Sri Lanka“ antworte, sagen sie den nächsten zähneknirschenden Satz.

Béa hat schon mal dazu geschrieben, dass sie die Frage willkommen heißt – sie „kommt“ tatsächlich aus einem anderen Land, und redet auch gern darüber. Ich hingegen komme eben nicht aus einem Land. Meine Eltern kommen aus einem anderen Land und ich finde es nervig, ständig auf eine andere Herkunft reduziert zu werden, wobei meine doch Deutschland ist.

2. „Wow, wie exotisch….“

Exotisch? Entschuldigt mal bitte, aber sehe ich aus, wie eine Obstsorte? Was bedeutet überhaupt exotisch? Wenn ihr das Wort mal genauer unter die Lupe nehmt, verwenden wir das für alles, was fremd und nicht aus unserem Kontinent stammt. Exotische Vanille, exotische Tiere, exotische Insel, exotische Völker,…

Dieser Satz ist derart in unserem Sprachgebrauch etabliert, dass die meisten nicht darauf kommen, dass es für einen Menschen verletzend sein könnte, als „fremdartig“ bezeichnet zu werden. Ich weiß, dass es zu 99% als Kompliment gemeint ist, wenn ich diesen Satz höre, aber glaubt mir, das ist es für mich nicht. Damit werde ich nämlich nicht „gleich“ behandelt.

3. „Schau mal, ich bin fast so braun wie du.“

Jep, auch der Spruch geht mir ziemlich auf den Senkel. Diese Albernheit, meinen Arm neben den einer hellhäutigen Person zu halten und zu vergleichen, empfinde, trotz allen Spaßes als rassistisch. Warum? Weil meine Hautfarbe unveränderbar ist. Eine hellhäutige Person kann sich vielleicht „brauner“ machen, ich mich jedoch nicht heller (mal abgesehen von krebserregenden Bleichmittel, die auch nur deshalb im Trend sind, weil helle Haut als Ideal gilt).

4. „Ich hätte gerne deine Hautfarbe.“

Ja auch diesen Satz höre ich nur zu oft. Vielleicht glauben die Menschen, die das sagen, dass ich mich dadurch geschmeichelt fühlen sollte, aber wisst ihr was? Sie wissen nicht, was sie da sagen.

Nein, sie würden niemals gern meine Hautfarbe haben, weil sie vermutlich nicht einen Tag in meiner Haut überleben würden. Aus ästhetischen Gründen mag der ein oder andere meinen Hautton präferieren, aber meine Haut zu tragen, bedeutet mehr. Ständig angestarrt zu werden, kriminalisiert zu werden, stigmatisiert zu werden. Ich liebe meine Hautfarbe, aber es ist so hart, sie zu haben. In einigen Orten auf der Welt (zum Beispiel die USA) müsste ich bloß wegen meiner Hautfarbe und einer voreingenommenen Regierung das Leben fürchten.

Als Kind hat sich übrigens niemand für meine Hautfarbe begeistert. Eher wurde ich ständig danach gefragt, warum ich so dunkel bin und ob man das nicht abwaschen könne. Ich war von Beginn an anders, deshalb sollten auch Kinder sensibilisiert werden, damit sie Dunkelhäutige nicht unbewusst verletzen.

Falls ihr also jemandem ein Kompliment zu der Hautfarbe machen wollt, könnt ihr das natürlich tun, allerdings ohne dieses „Ich hätte das auch gern“ hinzuzufügen. „Du hast so einen schönen Hauttein“ reicht völlig.

Warum teile ich all das mit euch?

Weil ich weiß, dass es viele andere Menschen gibt, die das erleben, was ich erlebe, und nichts sagen. Die meisten Betroffenen, die ich kenne, trauen sich nicht, für sich einzustehen, weil sie glauben, dass es sowieso nichts bringt. Sie gewöhnen sich früher oder später daran, nicht jedoch ohne das Gefühl der Andersartigkeit jemals loszuwerden.

Ich schreibe das hier nicht, um mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, sondern, um etwas im Denken zu verändern. Über das Thema Rassismus gibt es nach wie vor zu wenig Aufklärung. Um das zu ändern, habe ich diesen Beitrag geschrieben. Vielleicht erreiche ich damit eine Person, die sich sagt: „Oh. Ich wusste überhaupt nicht, dass diese Bemerkung rassistisch rüberkommen kann. Gut, dann weiß ich jetzt besser Bescheid!“

Abschließend noch ein letzter Punkt: Ihr könnt einer Person NIEMALS ihre Gefühle absprechen.

Wenn ihr der Meinung seid, dass ihr eine bestimmte Aussage viel zu übertrieben findet, erinnert euch stets daran, dass ihr nicht in der „Haut“ einer Betroffenen steckt. Ihr wisst nicht, wie sie empfindet und könnt ihr daher nicht ihre Gefühle absprechen und etwas sagen wie: „Also ich fand das jetzt überhaupt nicht rassistisch.“

„Okay, was darf man jetzt überhaupt noch sagen?!“ wird der eine oder andere rufen.

Aber darum geht es nicht. Die Lösung liegt nicht darin, GAR NICHTS zu sagen, sondern respektvoll miteinander umzugehen, ohne jemanden zu verletzen. Wenn ihr euch nicht sicher seid, wie das bei der Person ankommt, dann fragt sie einfach. Sagt ganz offen, dass ihr euch nicht genau sicher seid, aber die Person auf keinen Fall beleidigen wollt. Dann habt ihr die Antwort!

Obwohl ich meinen Standpunkt gerade sehr klar geäußert habe, würde ich mich über eure Kommentare freuen! Vor allem interessiert mich, ob ihr euch mal über diese „Komplimente“ vorher Gedanken gemacht habt.

Liebe Grüße

Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

DAS KÖNNTE DIR AUCH GEFALLEN

20 + 5 Komplimente, die nichts mit dem Aussehen zu tun haben
08. Apr 2023
„Seid ihr Geschwister?“ Nein, nur schwarz! Kennt ihr schon den Other-Race-Effekt?
10. Dec 2020
Wie sollten wir mit Klischees umgehen?
27. Nov 2020
Was haben Gerüche mit Rassismus zu tun?
04. Jun 2020
„Wir alle sind anders und doch gleich viel wert!“ – 10 Jugendbuchtipps mit mehr Repräsentation
01. Feb 2020
Jedes Jahr eine weiße Weihnacht – Wird es nicht langsam Zeit für einen schwarzen Weihnachtsmann?
05. Dec 2019
„Empathie“ als Unterrichtsfach? Warum ich das Schulsystem der Dänen klasse finde
26. Nov 2019
42 kreative Fragen als Alternative zum umstrittenen „Woher kommst du?“
15. Nov 2019
Wie politisch dürfen – können – sollen wir sein bei Tollabea?
05. Nov 2019

19 Kommentare

Theodor Hansch
Antworten 7. November 2019

Hallo Mounia mit Interesse habe ich deinen Artikel gelesen. Ich kann auch halbwegs nachvollziehen, wie du dich fühlst, und dass dich solche Bemerkungen und Fragen stören.

Ich bin der Meinung, dass Rassismus nach wie vor ein riesiges Problem ist, überall lauert und Menschen darunter leiden. Nur gibt es für mich nur ein ernstes Rassismusproblem wenn man Menschen aufgrund der Herrkunft, Religion oder Gene benachteiligt, beleidigt und verletzt.

Und darunter fallen für mich und für viele andere deine o.g. Punkte nicht.

Viele Menschen fühlen sich genervt, wenn sie nach der Herrkunft gefragt werden. Solange dies aber nicht abwertend gemeint ist, ist es kein Rassismus Problem sondern entweder nervig oder für andere ein Zeichen von Interesse.

Auch ist in Deutschland für viele die gebräunte Haut ein Schönheitsideal. Solange niemand deshalb verachtet wird sondern sogar beneidet wird sehe ich kein Problem, außer das es den einen oder anderen nervt.

Auch der Begriff "Exotisch" mag nerven, aber wie du schon schriebst ist er zu 99% positiv gemeint."Du bist aber schön" kann genauso nervig sein.

Es mag auch nerven wenn die Körpergröße bewundert wird und die schönen Haare, aber dies sind ähnliche Probleme die einen auf einmal gefallen, wenn man den gegenüber sehr sympathisch findet.

Ich verstehe, dass du schlechte Erfahrungen mit Rassismus gemacht hast und das darf nicht sein. Aber ich lese zwischen den Zeilen, dass du glaubst das eine dunkle Hautfarbe in der Welt als etwas minderwertiges gesehen wird. Es ist ganz wichtig, dass man für sich dieses Gefühl komplett ausblendet und davon ausgeht, dass sein gegenüber erstmal kein Rassist ist und nicht diskrimminierend denkt. Denn dann hat man die Chance den bösen Rassismus zu besiegen.

Ach ja die Kinder fehlen noch: Kinder kennen keinen Rassismus, solange er ihnen nicht vorgelebt wird. Und trotzdem können Kinder nerven und brutal sein. Denn sie erkennen sofort wenn jemand anders ist. (besonders schön, besonders dünn, besondern weiß, besonders schwarz, halt anders als die Mehrheit) Dies ist kein Rassismus sondern für kleine Kinder ganz normal. Es ist natürlich eine Erziehungsaufgabe, dass Kinder offen mit Besonderheiten umgehen. Aber Rassismus ist es definitiv nicht.

VG

Ich wünsche mir, dass wir echten Rassismus aktiv aus den Köpfen vertreiben und uns nicht verunsichern lassen und damit vll sogar Ängste schüren besonderen Menschen etwas falsches zu sagen.

    Jessi Ashanti
    Antworten 26. Juni 2020

    Sie definieren Rassismus als eine Situation in der ein Mensch aufgrund der Herkunft, Religion oder Gene benachteiligt, beleidigt und verletzt wird. Verweigern aber dass die tägliche Frage „Woher man kommt“ verletzend ist. Im eigenen Land ständig daran erinnert zu werden, dass man „nicht dazugehörig“ oder „anders“ ist, ist durchaus verletzend, ob das so gemeint ist oder nicht ist irrelevant. Die Tatsache, dass diese unterbewusste „nicht-böse gemeinte“ Ansicht, nicht-weiße Haut als „fremd“ assoziiert ist das Problem. Täglich seinen Familienstammbaum aufzählen zu müssen, um validiert zu werden ist mehr als „nervig“ und komplett unnötig.
    Schwarze Menschen als „exotisch“ zu bezeichnen ist ein Überbleibsel der grausamen Geschichte der Kolonialzeit und dessen Nutzung zu dulden, weil es Schwarze Menschen nach ihrer (vermutlich weißen) Beurteilung „nur nervt“ und nicht verletzt, ist der Gipfel des „weißen Privilegs‘
    Ach ja, und die Kinder: Die Kinder imitieren was die Eltern ihnen vorleben. Und zu fragen, dass Eltern ihre Kinder gegen Rassismus aufklären, sollte nicht Zuviel gefragt sein

      Mounia
      Antworten 19. November 2020

      Das stimme ich dir absolut zu!

    Mounia
    Antworten 19. November 2020

    Lieber Theodor, danke für deinen Kommentar. Leider kann ich dir nicht zustimmen. Dass schwarze Menschen auf der Welt als weniger wert angesehen werden ist eine Tatsache, genau wie, dass weiße Menschen einen höheren Rang in der Welt haben. Um das zu ändern ist es wichtig, schwarzen Menschen zuzuhören, wenn sie über Rassismus reden. Ich bin kein Einzelfall - viele Menschen mit Migrationshintergrund stören sich an jenen Sprüchen. Erst wenn kein Rassismus mehr existiert können wir aufhören, uns um einen sensiblen Umgang der Sprache zu bemühen. Bis dahin muss das leider sein.

    Liebe Grüße
    Mounia

Veronika
Antworten 7. November 2019

Ich bemühe mich immer, niemanden wegen seines Äußeren oder seiner (vermeintlichen) Herkunft anders zu behandeln und verkneife mir positiv gemeinte Kommentare zur tollen Haut- oder Haarfarbe. Was ich aber auch sage: "Woher kommst Du / Deine Eltern ursprünglich?". Einfach, weil ich das total spannend finde, gerne etwas vom jeweiligen Hintergrund erfahren würde und interessiert an Fremdsprachen bin. Jetzt würde mich interessieren: gibt es irgendeine Art der Frage / des Einstiegs in die Kommunikation, die Betroffene okay finden würden? Oder lieber gar nichts sagen?

    Mounia
    Antworten 19. November 2020

    Liebe Veronika, ich würde es auf jeden Fall vermeiden, gleich am Anfang mit der "Woher kommst du?" Frage anzufangen. Im Laufe des Gesprächs ist das vielleicht was anderes, aber gleich am Anfang macht es den Eindruck, als würde man sofort auf seine Hautfarbe/Herkunft reduziert werden.

    Liebe Grüße
    Mounia

Son
Antworten 16. Januar 2020

Hey Mounia,

ich mach's kurz: Ich finde du hast die Thematik sehr gut auf den Punkt gebracht. Ich wünsche mir, dass sich das mehr Menschen zu Herzen nehmen.

Beste Grüße aus Berlin
Son

Andie
Antworten 3. Juni 2020

Irgendwann weiss man nicht mehr, wie man mit wem umgehen darf , weil man jederzeit und immer , sogar ohne schlechte Absicht , einfach aus Neugier , mit den falschen Fragen verletzen kann .
Am besten bleibt man still und sagt gar nichts mehr zueinander und wartet darauf , dass der andere den ersten Schritt macht.
Oder wie sonst sollen wir unsere eigenen Unsicherheiten überwinden im Umgang miteinander?
Wir haben es komplett verlernt , mit einer natürlichen , spontanen Offenheit aufeinander zuzugehen , weil man überhaupt nicht mehr weiss, welche Regeln bei wem gelten. Und Corona hat das noch viel sichtbarer gemacht .
Wie soll man noch neues Vertrauen zueinander finden, wenn man keine Fehler mehr machen darf und jede unsichere Bemerkung oder auch Neugier und Interesse gleich genervt Sein oder sogar Verletzungen auslöst ?
Ich muss zugeben , dass ich in all dem wirklich mehr und mehr verunsichert bin und mich über all die neuen Regeln ärgere , die den Umgang miteinander klären sollten , aber eigentlich das Vertrauen und die Offenheit kaputt machen.

    Mounia
    Antworten 19. November 2020

    Ich verstehe deine Unsicherheit, aber es ist trotzdem wichtig, sich über die rassistische Sprache zu informieren. Tut man dies nicht, verletzt man weiterhin unwissentlich eine gesamte Menschengruppe!

    Liebe Grüße
    Mounia

Saskia
Antworten 3. Juni 2020

Liebe Mounia,
ich verstehe, dass du dich von immer den gleichen Fragen genervt fühlst und auch ich verkneife mir inzwischen eben diese Fragen, obwohl es mich brennend interessiert. Meistens steckt doch eine spannende Geschichte dahinter. Tatsächlich fühle ich mich inzwischen derart unsicher in Gesprächen, dass ich sie lieber komplett vermeide, was natürlich auch wieder falsch verstanden werden kann. Ich meine es nie böse, es fällt mir nur schwer.

    Mounia
    Antworten 19. November 2020

    Entschuldige die verspätete Rückmeldung, liebe Saskia. Ich verstehe deine Unsicherheit - es sollte auch nicht die Lösung sein, bei jedem Wort Angst zu haben. Aber je mehr man sich über Rassismus informiert, desto leichter wird es, die richtigen Worte zu finden. Und wenn man nicht sicher ist, kann man ja einfach nochmal nachfragen :)

    Liebe Grüße
    Mounia

André
Antworten 18. November 2020

Hallo Mounia,
eigentlich kam ich nur zufällig auf diese Seite - suchte eigentlich etwas ganz anderes. Aber dein Schreibstil hat mich weiterlesen lassen. Sogar die Kommentare musste ich mitnehmen, nachdem ich gedanklich nun im Thema drinnen steckte. Also nebenbei einmal Kompliment an den.

Du hast in deinem Blog tatsächlich extrem viele Gedanken zusammengefasst und es wird deutlich, über wie viele Jahre sich diese Unsicherheiten entwickelt haben müssen. Obwohl zugegeben Rassismus für mich nie eine so große Rolle gespielt hat, versetzt es mich wirklich in Bedauern und macht mich sauer, wenn ich daran denke, dass wie unnötig und unfair ein eigentlich faszinierender Mensch derartig dazu gebracht wird, sich zu verkriechen, dass all die Menschen in der Zeit verpassen, was sie an ihm hätten haben können...

Obwohl es mir jetzt nicht möglich ist, meiner Denke zu all den Aussagen gerecht zu werden, möchte ich einen Punkt doch erwähnen, den die letzten Kommentare aufgebracht haben: Nämlich die Unsicherheiten, auf andere Menschen zuzugehen, vor Angst, etwas falsches zu sagen.

Du erwähnst in deinem Blog, dass Aussagen wie "ich hätte gern deine Haut" sehr verletzend sein können und mehr hinter der Bedeutung einer solchen Aussage steckt. Obwohl wenn es im ersten Kommentar scheinbar anders aufgefasst wurde, bin ich mir sicher, dass du damit nicht sagen wolltest, dass du glaubst, dies *sei* rassistisch (gemeint), sondern lediglich auf den Schmerz und die Gedanken aufmerksam machen wolltest, die du nach all den Erfahrungen mit der Bedeutung verbindest.

Ich persönlich bin ein sehr aufgeschlossener Mensch und versuche alles immer aus einer distanzierteren Perspektive zu betrachten. Menschen oder besser alle Arten von Tieren weisen mit zunehmender geographischer Entfernung größere physiologische Unterschiede auf. Für Menschen gilt das wohl gleichzeitig auch für deren Kultur. Diese Unterschiede mögen einem einzelnen Menschen subjektiv gesehen fremdartig vorkommen. Er kennt sie nicht. Naja, wenn er mal selber um die halbe Welt reist, kennt jemanden wie ihn dort auch keiner. Natürlich bedeutet von A nach B zu reisen immer, etwas andersartigens mitzubringen. Seien es nun rein physiologische Merkmale, angelernte oder kulturelle Denkweisen oder vielleicht Bräuche. Ich selber finde besonders letzteres extrem faszinierend und frage nur allzugern nach.

Ich bilde mir dabei ein, sehr empathisch zu sein und mit Sicherheit sagen zu können, dass ich dabei bisher noch niemanden verletzt habe. Jedenfalls haben meine entsprechendn Gesprächspartner sich bisher immer bereitwillig auf eine angeregte Diskussion eingelassen.

Dabei möchte ich anmerken, dass ich immer aus Interesse nachfrage und dabei nie die Gelegenheit verpasse, das jeweilige Interesse hinter meiner Nachfrage deutlich zu machen. Tatsächlich denke ich, dass Menschen sich nur zu gern auf ihren eigenen und kulturen Horizont beschränken und man viel von denen lernen kann, die ganz andere Gedanken, Umgangsformen oder Traditionen kennengelernt haben und betrachte jeden Menschen als Bereicherung, der etwas derartig neues Mitbringen kann, dass er entweder einem selber neue Perspektiven eröffnet oder zumindest eine Person darstellt, mit der man die Dinge anders betrachten kann, als mit den meisten Menschen im eigenen Umfeld. Leider sind die heutigen Deutschen meiner Auffassung nach so ziemlich die langweiligste und kulturloseste Menschenmenge der Welt. In der Geschichte sind schlimme Dinge passiert, doch werden sie derartig mir der Identität des Deutschen assoziiert, dass die Intention sehr nahe zu liegen scheint, die eigene Abstammung zu verleugnen. Dadurch gehen Kultur und Werte verloren und ehrlich gesagt - wenn ich heute nach Afrika ginge und die Menschen mich dort über meine Kultur befragen und was für interessante Dinge sie hervorgebracht hat, könnte ich aus dem Stehgreif kein einziges einziges in meinen Augen bedeutendes Beispiel nennen, für das wir heute noch eine würdige Vertretung wären - und ich würde mich dafür schämen.

Was ich deutlich machen will ist, dass Andersartigkeit zum einen von dem abhängt, der sie glaubt, von seinem Standpunkt aus definieren zu müssen und zum anderen bewundernswert in einem Land wie Deutschland ist. Versteh mich nicht falsch - ich bin keineswegs ein Fürsprecher davon, in großem Stil alle möglichen Kulturen zu vermischen. Da geht sicherlich mehr verloren als gewonnen wird. Doch ich glaube, dass man unglaublich viel von dem Lernen kann, was Menschen von weit weg mitbringen. Und ich hoffe stets, immer viel Feedback vom Anderen darüber zu bekommen, was er anders sieht. Das setzt natürlich voraus, dass er von seinen Eltern oder Angehörigkeiten auch etwas mitgenommen hat. Ist das nicht der Fall, er ist einfach nur hier aufgewachsen und die Eltern haben auch nie über ihre Heimat gesprochen, ist das Thema schnell vorbei und ich bringe nur kurz zum Ausdruck, dass ich neugierig gewesen wäre. Dass aber jemand so völlig isoliert gewesen wäre, dass er nicht irgendwas zu erzählen gehabt hätte, ist mir aber tatsächlich glaube ich noch nie passiert.

Was ich nach diesem halben Roman abschließend sagen will, der hoffentlich nicht länger ist, als der eigentliche Blog (^^') ist, dass ich glaube, dass eine derart empfindliche Reaktion auf Nachfragen nur dann die Folge ist, wenn man überhaupt zulässt, dass der andere sie so interpretiert und die Gelegenheit verpasst, aufrichtig deutlich zu machen, dass einem eine persönliche Rückmeldung tatsächlich etwas bedeutet hätte. Reines, ehrliches Interesse - und wenn nicht, ist's auch okay. Nur etwas zu erwähnen, um die Andersartigkeit zur Sprache zu bringen, finde ich selber auch völlig unnötig und unangebracht. Wenn ich kein bestimmtes Interesse habe, das meine Nachfrage rechtfertigt, dann frage ich auch nicht. Immerhin gibt es dann auch interessantere Themen. Und jemanden als exotisch zu betrachten käme mir tatsächlich auch immer sehr seltsam vor. Immerhin sehe ich in der Bezeichnung "exotisch" eine Betonung der Andersartigkeit, die wohl die schon besonderste Eigenschaft des bezeichneten Objekts ausmachen soll. "Es ist interessant - aber auch nur, weil es so anders ist." Wie käme ich dazu, einen Menschen derart zu reduzieren, dass ich allein die Tatsache, dass er anders ist, zu etwas Besonderem mache? Dabei geht es ja nichtmal mehr darum, was diese Andersartigkeit vielleicht mit sich bringt. Ich empfinde das als eine totale Entwertung für einen Menschen und kann nicht im Ansatz nachvollziehen, wie auch nur irgendjemand glauben kann, das könnte als Kompliment aufgefasst werden.

Ich weiß, dass ich mit einigen Darstellungen sehr mutig bin. Wenn sie da etwas komplett anders sieht, würde ich mich besonders über eine Klarstellung der Autorin freuen. Man findet wohl nicht so häufig jemanden, der bereit ist, so tiefe Empfindungen wirklich mal auf den Punkt zu bringen. 😅

    Mounia
    Antworten 19. November 2020

    Wow, danke für diese ausführliche Nachricht, lieber Andre! Ich würde noch ergänzen, dass die Frequenz es macht. Je öfter man ein vermeintliches "Kompliment" hört, das eigentlich keins ist, desto schwieriger wird der Umgang damit. Man spricht auch von Mikroagression - kleine Momente, die sich wie ein kleiner Mückenstich anfühlen, aber auf Dauer sehr schmerzhaft anfühlen. Da hilft es auch nicht zu wissen, dass die Person es nicht böse meint. Ansonsten kann ich gar nicht so viel zu deinen restlichen Kommentar einwenden!

    Liebe Grüße
    Mounia

      André
      Antworten 24. Februar 2021

      Hallo Mounia,

      nachdem ich mich bei der Diskussion mit einer Freundin zum Thema wieder an diesen Blog erinnerte und ihn teilte, habe ich eine Frage an dich.

      Dir fallen diese Mikroaggressionen ja aktiv auf und als Betroffene stehst du auch in der berechtigten Situation, darauf zu reagieren. Du hast ja in diesem Blog über das Thema geschrieben und wie es klang, war das wohl auch nicht der erste Artikel. Aber hast du mal ausprobiert, wie man den Leuten in dem Moment am besten damit beikommt bzw. einen "Wink mit dem Zaunpfahl" gibt, dass das gerade daneben war? Menschen sind nunmal empfindlich in Sachen Kritik am eigenen Verhalten und sicherlich ist es mental sehr anstrengend, da dauernd wieder und wieder drauf einzugehen.

      Andererseits bist du aber ja gerade in der besten Position um etwas auszutesten und den besten Umgang damit zu lernen. Dafür braucht es sicherlich einen starken Charakter und die meisten Menschen, die sich der Rolle ausgesetezt fühlen, wären wohl nicht in der Lage, sehr viel mehr daraus zu machen. Wenn es also jemanden gäbe, der austestet und lernt, wie man die Menschen in solchen Situationen am geschicktesten "zähmt", wäre sojemand für andere wohl umso wertvoller, die sich selber nicht zu behaupten wissen.

      Liebe Grüße,
      André

Einen Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit einem Stern (*) markiert.

Schreibe einen Kommentar zu Theodor Hansch Abbrechen