Der Wettkampf der Geschenke – ein Patchworkweihnachten I Gastbeitrag von Frau Papa


Ihr kennt inzwischen Frau Papa, also Nina, oder? Denn ich habe sie hier schon mal interviewt. Da sie mit ihrer Frau Jane eine ziemliche Patchworkfamilie hat (Jane hatte zwei Kinder schon vor der Ehe mit Nina, zusammen haben sie zwei Kinder bekommen), habe ich sie gefragt, wie das mit den Weihnachtsgeschenken bei ihnen eigentlich abläuft. Und sie hat mir in der Form einer Kolumne geantwortet… ein sehr bewegender Text finde ich!

Ab hier schreibt Nina, und erinnert sich an letzte Weihnachten:

Es gibt Streit im Kinderzimmer. Wie alle Jahre wieder.

Gestern unter dem Baum war alles noch in Ordnung, aber heute fahren die beiden großen Kinder zu Oma und Opa und feiern dort nochmal Weihnachten. Leider hat eines der Kinder damit geprahlt, welches Geschenk es bekommen wird und plötzlich herrscht Neid. Der mittlere ist sauer, denn seine Großeltern leben einige hundert Kilometer weit weg und darum hat er nur ein Weihnachten. Der Kleinste ist verhältnismäßig ruhig, für ihn ist Oma nur ein Paket voll Süßigkeiten und Spielzeug – davon gab es dieser Tage für ihn offenbar genug.

Patchworkfamilie ist ein schönes Wort. Darin schwingt eine gewisse Idylle.

Das rührt wohl von daher, was der Begriff Patchwork beschreibt: liebevolle Handarbeitsstücke aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bestandteile. Ich mag dieses Bild und dieses Wort. Aber was dabei all zu leicht übersehen wird, ist der Arbeitsaufwand, der dahinter steht, damit aus den vielen Teilen ein neues Ganzes entsteht.

Die Kinder streiten nun nicht mehr. Die beiden Großen wurden abgeholt, sie verbringen die kommende Woche bei ihrem biologischen Papa. „Warum feiern wir nur einmal Weihnachten,“ fragt mein Achtjähriger. Er erzählt mir, dass seine Geschwister heute bei Oma und Opa und dann bei Papas neuer Familie Weihnachten feiern werden. Dreimal Weihnachten und jedes mal Geschenke und, so weiß er, seine Geschwister bekommen dort nicht nur Geschenke, sondern auch noch Geld. Seine Worte treffen mich tief und ich zögere mit einer Antwort. Es gelingt mir, ihn mit einer Frage zu den Büchern, die er gestern bekam von dem Thema abzulenken.

Er hat recht, es ist nicht fair.

Seit langem überlegen meine Frau und ich, wie wir Weihnachten so gestalten können, dass es gerechter wird, dass es nicht einen Keil aus Neid und Eifersucht zwischen die Geschwister treibt. Es macht mich traurig und wütend, dass ich in der eigenen Familie eine Situation voll Ungerechtigkeit erlebe und nicht verändern kann. „Ich hatte schon immer den Eindruck, die Liebe wäre ungleichmäßig verteilt,“ hatte meine Schwiegermutter mir mal gesagt. Natürlich meinte sie damit, dass ich die Kinder ungleich behandeln würde. Im selben Jahr bekam der erstgeborene Enkel von ihr eine tolle Digitalkamera, seine Schwester einen Pulli und ein Shirt und die beiden Jüngsten bekamen Spielzeugautos. Meine Tochter war damals etwa 8 und sehr enttäuscht, denn ihr war klar, dass ihr ein Jahr älterer Bruder den Jackpot abgeräumt hatte.

Das Telefon klingelt, meine Mutter ruft an und holt mich aus meinen Erinnerungen. Sie fragt, wie unser Weihnachten war und ob die Kinder sich über die Geschenke gefreut haben. Sie meint damit alle vier Kinder. Es ist eine der größten Gaben meiner Mutter, dass es für sie keinen Unterschied macht, wer der biologische Vater der Kinder ist. Könnte ich ihre Einstellung den andern Großeltern in unserer Familie vermitteln, sähe Weihnachten wohl anders aus. In der Realität herrscht einfach ein Ungleichgewicht.

Alle Jahre wieder, kurz vor dem Ende des Jahres zerbricht die Harmonie.

Wie eine Patchworkdecke, deren Einzelteile beim Waschen unterschiedlich einlaufen und die dadurch ihre Form verliert, verliert unsere Familie ihre Mitte. Dabei beschenken sich alle Mitglieder dieser Familie nur aus Liebe. Trotzdem endet es fast immer mit kleinen Streitigkeiten und Neid. Während die beiden großen Kinder eine Bescherung nach der anderen Feiern, verbringe ich so viel Zeit, wie möglich mit den beiden Kleinen. Wir spielen, lesen, lachen, naschen Kekse, hören die neuen CDs und schenken uns das, was in kein Geschenkpapier gewickelt werden kann:

Liebe, Zeit und Aufmerksamkeit.

Und, ihr Patchworkfamilien da draußen, wie ist es bei euch? 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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10 Kommentare

Lisa
Antworten 9. November 2016

Ich komme auch aus einer sehr verschachtelten Patchwork Familie. Bei uns gab es eher das gegenteilige Problem. Meine kleine Schwester verliebte sich ständig in irgendwelche Kuscheltiere. Die Omas kauften jedes Mal für mich auch eines -selbst, wenn ich höflich ablehnte. Noch heute ziehen bei jedem Umzug die Kisten voller Tiere mit und ich trenne mich alle paar Jahre von einigen. Das stresst mich bis heute. Schließlich sind die alle niedlich und ich mochte die als Kind sehr... kurz gesagt: Es ist wohl immer scheißkompliziert. Aber kein Patchwork ist halt auch keine Lösung <3

    Nina Jaros
    Antworten 10. November 2016

    Hallo Lisa,

    Diese Solidaritätsgeschenke kenne ich auch (meine Mutter machte das einige Zeit) Es gelang uns nur schwer, ihr zu erklären, dass das nicht gut ankommt.

    Patchworkfamilie ist immer wieder ein Balanceakt und selten wirklich ausgeglichen. Das wichtigste ist für mich, dass die Kinder auf allen Seiten der Familie mit offenen Armen und Herzen empfangen werden.

    Liebe Grüße,
    Nina (Frau Papa)

Simone
Antworten 25. Dezember 2016

Ich finde es schade, dass so viel Neid in einer Familie herrscht.
Ich kenne das so garnicht.
Sowohl aus meiner Herkunftsfamilie nicht und auch aus meiner Familie nicht.
Patchwork geht auch ohne diesen Neid.

Was soll das auch? Meine Kinder freuen sich füreinander und ich hoffe das bleibt so.

Es ist ja auch unfair, dass ein Kind mit beiden Eltern wohnt, das Andere hat Papa woanders wohnen.

Ich weiß nicht, irgendwie tut es mir Leid, wenn Kinder sich über Größe und Kosten eines Geschenkes definieren.

Ich wünsche euch allen, frohe und friedliche Weihnachten ohne Neid, Missgunst und Prahlerei.

Barbara /Catluzipher
Antworten 25. Dezember 2016

Und selbst in einer "normalen" Familie schafft es die Oma aller drei Jungs Zwietracht zu sähen, indem sie genau gleichwertige Geschenke umverteilt, damit ihr Lieblingsenkelnicht frustriert ist. (Er ist sehr schnell frustriert, da reicht ein kleinerer Karton als einer von seiner Brüder)

JennyimWesten
Antworten 25. Dezember 2016

Die Oma der Großen hat Tochter und Sohn schon ungleich behandelt und den Lütten links liegen lassen. Bei meiner eigenen Mutter bekommt immer das kleinste Kind die größte Aufmerksamkeit und die Tanten vom Lütten haben den Großen nur so lange Geschenke gemacht wie kein "eigenes" Kind da war...
Nur das Herz meines Schwiegervaters reicht für alle Kinder/Menschen. Er nimmt sich für alle Zeit, hat Interesse an allem was sie tun und schenkt nur so viel das alle gleich viel bekommen können. Er ist mein Stern am "Geschenkehimmel"

sbberlin
Antworten 25. Dezember 2016

Die vielen Sichweisen zeigen (die ziemliche schwierigste für mich hier: der eine bekam von seinen Tanten nur so lange etwas, bis zum sie selbst Kinder hatten), keine Geschenke sind die besten. Dieser Stress im Beschaffen und Organisieren... Spart Euch das. Schenk Zeit!
Zu den Tantengeschenken kann ich hier mal als Tante sprechen: ich habe jetzt selbst drei Kinder und kann jetzt nicht mehr alle gleich beschenken (Zeit, Ideen?!). Die Anspruchshaltung von Kind/Gegenüber/Verwandten ist schon ziemlich hoch.

Claudia
Antworten 25. Dezember 2016

Ich glaube sobald man mehr als ein Kind hat, kommt das Thema auf. Egal ob Patchwork oder nicht. Es spielt so vieles mit. Eigentlich habe ich dieses Jahr gedacht, ist Weihnachten als Familie einfach ein riesiges Lernfeld. Lernen die Enttäuschung der (ich bekenne mich schuldig ) in 24 Tagen künstlich aufgebauten Erwartungshaltung auszuhalten. Mit den Kindern traurig sein, dass das ganz grosse Geschenk gefehlt hat. Auszuhalten, dass das Kind nicht so glücklich über das Geschenk wie das Geschwister ist...auszuhalten dass Oma wieder lieber ein riesiges Geköch macht als entspannt Zeit mit uns zu verbringen...auszuhalten..dass wir den Kindern keine gerechte Welt bieten können.....und dass es eben auf diese Art von Gerechtigkeit auch nicht ankommt. Dass es eben andere Dinge sind, die wirklich zählen. Dass wir diese Art von Unfrieden nicht in unsere Herzen lassen und unsere Kernfamilien. Dass wir stark genug sind als Familie, Wege zu finden damit umzugehn...wenn jemand von der Tante bevorzugt wird...usw...und vielleicht die Chancen nutzen die sich durch " ungute" Situationen ergeben. Das klingt alles sehr theoretisch und Besserwisserisch. Aber als Mutter in einer Grossfamilie blutet mein Mamaherz oft wegen irgendwelcher Ungerechtigkeiten Und wenn ich die Dinge so sehe, gebe ich den negativen Gedanken keine Macht und fühle ich mich weniger ausgeliefert sondern positiv agierend ...in diesem Sinne...der Friede sei mit euch..jetzt ganz besonders?

denise mühlemann
Antworten 26. Dezember 2018

Ich finde es wichtig, mit den Kindern genau darüber zu sprechen, wenn etwas unfair ist. Ja, die Grossen haben 3x Weihnachten. Was haben wir dafür? Das ganze Jahr beide Elternteile zBsp.
Die Kinder dürfen in meinen Augen sehen und lernen, dass die Welt nicht immer fair ist. Und sie dürfen dabei lernen, was kann ich dagegen tun? Kann/darf/soll ich meinen Mund aufmachen und protestieren? Oder kommt es mir einfach nur im ersten Moment unfair vor? Der Bruder hat die grössere Schachtel, aber in meinem ist das wertvollere, von mir sehnlichst erwartete Geschenk?
Der Andere hat mehr Geschenke, ich hab dafür ein teures Fahrrad bekommen?
Klar, der erste Stich der Eifersucht ist da. Gehört für mich zum Menschsein dazu. Aber ist es nicht für alle besser, wenn wir lernen, uns an dem zu freuen, was wir haben? Werden/Sind wir nicht glücklicher, wenn wir merken, dass wir genau das haben, was wir wollten, auch wenn der Andere vielleicht mehr/die grössere Ausgabe davon hat?Gönnen wir ihm das doch, solange wir auch alles haben (können), was unser Herz begehrt

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