Von Poeten, Propheten und Proleten – wie unsere Kinder Social Media „Helden“ wie Der Poet blind verehren


Schon mal die Aufregung um „Der Poet“ mitbekommen? Liebe Leute, wir müssen mal Tacheles reden, was dieses „Internetz“ mit uns, mit unserer Gesellschaft und mit unseren Kindern macht – und wie wir als Eltern am besten das Thema „Kritisches Denkvermögen“ fördern können.

Hier ist ein Beitrag mit Gedanken von unserer Gastautorin Darksun und einigen Anmerkungen von mir, Béa. Wir hoffen, dass dies auch der Anfang einer guten und kritischen Diskussion ist, von der alle Eltern, Lehrer und Menschen, die für ein gesundes Aufwachsen von Kindern in Zeiten des Internets verantwortlich sind, profitieren!

Es gibt Auftritte wie „Der Poet“, die Texte und damit Gedanken und Gefühle anderer als ihre ausgeben!

Darksun: Ich bin seit einigen Jahren als @darksun666 auf Twitter unterwegs und veröffentliche meine Gedanken und Gefühle, genau wie Millionen anderer Menschen. Da es auf die Tweets kein offizielles Urheberrecht gibt, bedienen sich viele kommerzielle Seiten und Unternehmen an unserem Gedankengut und verscherbeln das für ihre Zwecke. Falls Euch mal Tassen, Postkarten etc. mit diversen schlauen und lustigen Sprüche in die Finger kommen: Google befragen und ihr werdet erstaunt sein, woher die Originale sehr oft stammen: TWITTER!

Béa: Auch ich verbreite gern lustige Tweets! Aber mit einem kleinen Unterschied. Ich mache Quellenangabe, und da ist jeder happy. 

In der letzten Woche wurde die „Twitter Gemeinschaft“ aber auf ein besonders dreistes Exemplar der Gattung: „Ich schreibe nicht gerne selbst sondern nutze andere gerne dafür aus“ aufmerksam.

Einige von euch kennen ihn vielleicht:
Der Poet auf Facebook oder auch der_poet_official, wie er sich auf Instagram nennt.

Er reitet auf der Welle von Emotionen anderer Menschen, gibt sie als seine aus und lässt sich dafür feiern. Ach ja, Bücher hat er auch veröffentlicht, (ob die Inhalte aus seiner Feder stammen, kann ich nicht sagen, wage es aber zu bezweifeln).

Er nimmt die Tweets (Gefühle und Gedanken anderer Menschen), kopiert sie auf seine Facebook Seite oder packt sie in bunte Bildchen auf Instagram und unterschreibt das Ganze mit: ~Der Poet.

Es sind aber nicht seine Gedanken und nicht seine Gefühle!

Er lässt sich von seiner ihm teilweise blind folgenden (vorrangig weiblichen) Fangemeinde dafür feiern. Das Marketing für seine Bücher basiert auf diesen gestohlenen Worten und Emotionen.

(Zeitpunkt der Screenshots: Februar 2018)

Das hier ist nur ein Beispiel. Einen (meinen) Artikel dazu könnt ihr hier lesen, da sind etliche Beispiele für die Plagiate aufgeführt:

Der Poet – Kapital aus dem Herzblut anderer Menschen

Die Illustration hierfür stammt von Béa und ich danke an dieser Stelle nochmals herzlich für dieses gelungene Meisterwerk!

Mittlerweile haben wir auf Facebook unsere eigene Seite veröffentlich: Die Twitter Poeten. Dort könnt Ihr die Originale auch lesen.

(Zeitpunkt der Screenshots: Februar 2018)

 

Als Frau habe ich meine eigenen Gedanken dazu wenn ich sehe, wie andere Frauen jemanden so blind anschmachten und ihm an den Lippen hängen. Die führe ich an dieser Stelle nicht aus. Aber was ich als Mutter denke und fühle… das ist genau das, was euch auch hier angeht!

Béa: Ich muss mich hier nicht nur als Mutter, sondern auch als Bildungsmensch einklinken! Gerade eine gefühlsgeladene, melancholische Webseite von einem jungen Mann, der sich traut, dunkle Gefühle anzusprechen, bringt auch Teenie-Herzen zum Schwingen… Das Problem dabei ist, dass sich hier Wirklichkeiten vermischen: Junge Menschen vor allem glauben, dass das ein Mensch mit echten wunderschönen Empfindungen ist.. und leidet… und Trost braucht. 

Bei jedem Film ist es klar, dass es sich um Fiktion handelt. Bei Social Media Helden sind fast alle überzeugt (also auch gestandene Frauen in diesem Fall unter den Fans), dass es sich um Realität handelt! In einigen Jahren macht das womöglich nicht mal ein Mensch, sondern eine künstliche Intelligenz durchpflügt das Netz nach den besten Gefühlen und fasst sie zusammen… Unsere Kids brauchen Medienkompetenz und kritisches Denken um so etwas zu erkennen und damit souverän umzugehen. 

Darksun: Natürlich habe ich nun auch überlegt: „Was schaut sich mein Kind da so im Internet an? Welche YouTube Stars mag es?“ Mein Sohn ist 12 und noch in der Minecraft Welt gefangen, ich kontrolliere teilweise, was er sich ansieht und ich spreche mit ihm darüber.

Was ich nie getan habe: Dinge verteufelt!

Games teste ich teilweise mit ihm oder befrage seinen großen Bruder (18), ob die Inhalte ok sind.
YouTube Videos seiner „Stars“ schaue ich auch manchmal mit ihm gemeinsam an. Und ich kann auch über das eine oder andere schmunzeln. Bei manchen Videos rolle ich auch schon mal mit den Augen, aber es ist eben nicht meine Welt.

Wir sprechen offen über das Internet!

Wir gehen offen damit um, dass sich dort auch Menschen tummeln, denen es nur darum geht andere abzuzocken. Das Internet ist ja die Normalität.

Und ich traue meinem Sohn mittlerweile sehr wohl zu, dass er Inhalte für sich selektiert. Ich vermittle ihm Werte und die werden bei uns gelebt.

Im Zuge der Recherche für diesen Artikel habe ich meinen gerade erwachsen gewordenen Sohn befragt und bin auf folgende Familie aufmerksam geworden: Jake Paul, Logan Paul und Greg Paul.

(Anm. Béa: Klickt auf „abspielen“ bitte nur, wenn ihr starke Nerven habt.) 

Mein lieber Himmel! Hier tun sich Abgründe auf.

Länger als 15 Minuten konnte ich mich mit den Videos nicht beschäftigen, sonst hätte ich mich übergeben. Die Abonnenten (ca. 10 Millionen) sind oft Teenager. Die „Inhalte“ sind sicherlich oberflächlich lustig und unterhaltsam für manche. Aber unterschwelliger Rassismus, Sexismus und auch Tierquälerei sind NICHTS was sich mein Kind anschauen würde und sollte. Und vor allem nicht ungefiltert, ohne Aufsicht!

Wie viele Kinder / Teenager sitzen also vor diversen mobilen Endgeräten und schauen sich so etwas an? Wie viele werden davon beeinflusst? Wie viele Eltern wissen nicht, was sich ihre Kinder da so tagtäglich, rund um die Uhr, reinziehen? Wie viele Eltern lachen da aber auch mit?

Mir wird leicht übel bei diesen Gedanken! Und ich frage mich auch, warum Plattformen es überhaupt ermöglichen, so was der Öffentlichkeit zu präsentieren. (Ich weiß: Das liebe Geld! Und hier haben wir den Salat, die Welt ist getrieben von Profitgier)

Natürlich gibt es heute die Möglichkeit Filter einzustellen und somit einigermaßen die Kontrolle zu behalten, was die Kinder sich ansehen. Aber was wird auf den Pausenhöfen geteilt? Generation Smartphone macht das eben möglich.

Sich hier die Zeit nehmen und das Thema anzusprechen, finde ich enorm wichtig.

Das habe ich in dieser Woche auch getan, verbunden mit einer erneuten Botschaft zum geistigen Eigentum: Es wird nichts illegal runter geladen, kopiert, verbreitet. Keine Texte, keine Fotos, keine Musik etc.

Béa: Das ist dann eine längere Diskussion, aber die sind wir unseren Kindern schuldig! 

Wie handhabt ihr das mit euren Heranwachsenden? Wie lernen sie kritisches Denken?

Liebe Grüße
von Darksun
und Béa

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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3 Kommentare

Anne
Antworten 28. Februar 2018

Die Bildung in der digitalen Welt gelingt nur, wenn die Technik der Pädagogik folgt, sagte Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis, Präsident des Didacta Verbandes der Bildungswirtschaft. Das passt für mich sehr gut. Wir müssen von und mit "analogen" Menschen lernen und uns dann erst in die digitale Welt begeben. Gemeinsam.

Und ich finde, dass die Digitalisierung und Medienkompetenz mehr Beachtung im Bildungssystem finden muss. Auch bei den Erwachsenen in der Praxis.

    Béa Beste
    Antworten 28. Februar 2018

    Lieben Dank für diese Gedanken, liebe Anne! Das Problem ist nur, dass das Digitale immer schneller ist... und nicht wartet! Und Kids sind neugierig und schnell... Daher ist der Ansatz "Gemeinsam" der einzig richtige. Gerade im Bildungssystem. Meine These: Lehrer können auch von Schülern lernen, nicht nur umgekehrt. Ich glaube ich muss darüber bloggen... Liebe Grüße, Béa

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