Wenn es dogmatisch wird in der Kindererziehung bin ich raus!


Kennt ihr diese Eltern, die mit 200% Überzeugung andere bekehren, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben? Bestimmt! Das ist für mich dogmatische Kindererziehung… Als dogmatisch bezeichnet man Menschen, die an einer bestimmten Lehre oder Theorie festhalten und unter keinen Umständen bereit sind, über den Tellerrand zu blicken und andere Meinungen zu akzeptieren. Die haben dann ein Dogma. Und basta.

Hihi, zum Wort „Dogma“ muss ich euch erst eine kleine Anekdote erzählen (das erklärt auch das Titelbild):

Als ich frisch gebackene Mutter war, wollte ich mir einen Hund zulegen. Dabei bin ich gar kein Hundemensch. Ich bin überhaupt nicht der Haustiertyp. Allein der Gedanke, eine Tierarztpraxis zu betreten, hat für mich den Charme eines Entspannungsaufenthalts in einem modrigen Keller. Bei Nulltemperaturen. Aber zuweilen hätte ich als Mutter Gefallen darin gefunden, mir einen Hund zuzulegen, nur um ihm einen bestimmten Namen zu geben: Dog-Ma, also Dogma. Was für einen Spaß wäre das gewesen, ihn durch die Gegend zu jagen: „Dogma hol!“. „Dogma, sitz!“. „Dogma, Fuß!“

Dogma hat es nie in meinem Leben gegeben – mein Kind ist Tierhaar-Allergikerin…

Und dabei soll es bleiben: Kein Dogma für mich bitte!

Denn: Wenn man Mutter ist, begegnet man ganz vielen Dogmas. Und die fletschen übelst die Zähne, wenn man es wagt, Dinge anders anzugehen, als sie das so vorschreiben!

Dogma „Stillen“ – zu früh abstillen? Böööses Knurren! Langzeitstillen? Auch.

Dogma „Arbeiten“ – Doghouse Hausmami gegen Working Mom!

Dogma „Schlafen“ – Familienbett-Anhänger zerfleischen gern diejenigen, die es nur wagen, vom Durchschlafen zu träumen. Und umgekehrt.

…und in der US-Amerikanischen Bloggerszene ist inzwischen schon die Rede von „Attachement-Parenting-Nazis“… ups.

Leute, warum?

Warum ist es so schwer, mal etwas so stehen zu lassen, was jemand Dinge anders angeht? Zu respektieren, dass jeder Mensch, jede Familie, jede Konstellation anders ist und Dinge für sich herausfinden muss? Warum drängen so viele ihre Ratschläge auf und sind beleidigt, wenn andere sie nicht befolgen? Was spielt sich da eigentlich ab?

Ich bin überzeugt: Jede will eine gute Mutter sein und das Richtige tun. Aber Kinder kommen nicht mit Betriebsanweisung auf die Welt – junge Mütter sind oft verunsichert. Dann passiert es: Da kommen die guten und weniger guten Ratschläge. Gefragt und ungefragt. Die junge Mutter muss sie erst für sich sortieren – aber irgendwann hat sie es raus, und auf dieses Wissen ist sie meistens stolz – also, raus damit in die Welt! Eben: Gefragt und ungefragt – schließlich stand sie auch unter der Ratschlag-Dusche. Manche werden von einem Ansatz gepackt, dass sie es am liebsten der ganzen Welt überstülpen wollen. Herzlichen Glückwunsch, sie haben eben einen kläffenden Dogma als ständigen Begleiter (Nein, kein der & das Fehler hier – ich habe bewusst das männliche Pronomen gewählt – der Hund)!

Ich habe mich neulich selbst dabei ertappt!

Meine beste Freundin, Mutter von drei Kindern, mit der ich oft und gern zusammenarbeite, bringt gern von jeder Flugreise schöne Überraschungen für ihre Kinder. Als ich viel in der Beratung gearbeitet habe und meine Tochter klein war, habe ich das auch gemacht. Okay, mit nur einem Kind mag ich mal übertrieben haben mit der Wertigkeit des einzelnen Geschenkes… Dann habe ich beobachtet, dass mein Kind zu viel Erwartungshaltungen entwickelt hatte, jedes Mal etwas ganz besonders mitgebracht zu bekommen. Bei ca. 2 Reisen pro Woche fällt das dann ganz schön ins Gewicht. Daher habe ich das damals bewußt zurückgeschraubt. Und habe ihr nur noch mich und Liebe zurück gebracht.

Neulich stand ich mit meiner Freundin im Duty-Free Shop am Wiener Flughafen und versuchte ihr die Mitbringsel für ihre Kinder auszureden. Dann realisierte ich: Da kläfft ein fettes Dogma an meinem Fuß! Ich habe daraufhin die Klappe gehalten und bei der Auswahl von günstigen Kuscheltieren geholfen. Aber zu verlockend war der Moment, ihr meine ganze Verwöhnungstheorie und Erfahrung zu unterbreiten! Zum Glück ist meine beste Freundin ein starker unabhängiger Geist und hätte ich damit übertrieben, hätte sie mich argumentativ in die Hundehütte geschickt.

Also liebe Leute, es ist so einfach: Werdet frei von Dogma!

Wenn ihr merkt, dass ihr gerade euere Erziehungsgrundsätze anderen als einzige Wahrheit anpreist, überlegt ein wenig: Kommt wirklich gerade ein Kind zu Schaden? Denn es ist schon klar, wenn es darum geht, ein Kind vor Gewalt oder Misshandlung zu schützen ist da kein Spielraum mehr für „das kann jeder für sich entscheiden“. Da muss man konsequent durchgreifen.

Aber bei allem andern, was keine Straftat darstellt, übt mal ein wenig „Dogma, platz!“ und „Dogma, sitz!“ und lasst andere Mütter und Väter für sich entscheiden, was gut für sie ist!

Danke schön im Voraus – denn irgendwann wird meine Tochter auch mal Mutter und ich will, dass sie das in einer Welt ohne Dogma tun kann.

Liebe Grüße,

Béa

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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19 Kommentare

Mara
Antworten 11. Juni 2016

Hallo,
na, das Thema gefällt mir ja. Ich bin nämlich so ne Gute-Ratschlag-Dusche ? das weiß ich auch sehr genau.
ALLERDINGS differenziere ich, wen ich da vollquatsche. Es gibt die Mütter in meinem Umfeld, die zwar völlig anders agieren alsich, aber so gut rum kommen in ihrer Erziehung, dass ich die Klappe halte...meistens ?
Und da ist zum Beispiel meine allerbeste Freundin, bei der weiß ich: Ich kann sie vollquatschen. Mt guten Ratschlägen noch und nöcher. Manohman, ich wär von mir selbst total genervt. ABER: Sie zeigt sich häufig dankbar, probiert manchmal meine Ideen aus und macht gute Erfahrungen damit.
Und zum Glück liebt sie mich trotz meinem Ratschlagregen und weiß, dass ich ihr helfen möchte.
Egal aber, wen ich vollquatsche, mein letzter Satz ist immer: 'Finde deinen eigenen Weg und probiers aus. Jedes Kind ist anders.' Denn das zählt doch.

Nani
Antworten 11. Juni 2016

Toller Text. Und du hast recht, manchmal mussan aufpassen nicht ungefragt Ratschlage zu geben.

    beabeste
    Antworten 12. Juni 2016

    Dankeschön! Ich denke, wenn man sich das bewußt ist, ist die halbe Miete drin... dann hält man im entscheidenden Moment die Klappe!

Sonnenshyn
Antworten 12. Juni 2016

Leben und leben lassen, wie es so schön heißt.

Ich bin am Anfang meiner Mutterschaft mit SO vielen Ratschlägen bombardiert worden, dass ich mich zeitweise für die schlimmste und schlechteste Mutter gehalten habe.
"Wieso stillst du schon wieder?"
"Der ist vier Monate, geb ihm mal was richtiges zu essen."
"Schläft der immer noch bei euch im Bett?"
"Wieso trägt er noch eine Windel?" (1,5 Jahre)
"Jetzt schon das zweite Kind?"

Das ist teilweise echt hart. Auch wenn die Leute es meistens gut meinen, kann ich nur hoffen, dass einige sich deinen Text wirklich zu Herzen nehmen, denn er spricht vielen aus der Seele.

Danke.

Sonnige Grüße.

Evi
Antworten 12. Juni 2016

Bin voll und ganz deiner Meinung. Wollte dich aber trotzdem wissen lassen, dass es
auch Hunde gibt, mit denen auch Allergiker wunderbar leben können.

    beabeste
    Antworten 12. Juni 2016

    Gibt es auch Hunde, mit denen man keine Tierarztpraxis betreten muss? ;-)

Dr.Mama.Arbeitstier
Antworten 12. Juni 2016

Du hast ja sowas von recht. Ab dem Moment, in dem sich zwei kleine Streifen auf dem Schwangerschaftstest abgezeichnet haben, waren sie da: die dogmatischen gut gemeinten Ratschläge. Ja, ich hatte fast den Eindruck, als gäbe es da irgendwo im Internet eine Liste mit Formatvorlagensätze, die sich die anderen runterladen und dann immer präsent haben. Wahlweise zum Einsetzen" Iss das, tu das, lass das Kind das bloß nicht tun. Wie kannst du nur das oder das nicht? Also mein Kind hat in dem Alter das schon ... oder eben nicht. Und ich würde nie das oder das eben nicht." Das war das, womit ich am wenigsten gerechnet hatte, als ich Mutter wurde: dass ich als Mensch gar nicht mehr gezählt habe, sondern nur mehr das, was ich als Mutter tu oder eben nicht. Aber vielleicht muss man als Mensch dieses dauernde Hintergrundrauschen aus Blablabla einfach ausblenden. Ganz dogmatisch.

die Sammlerin
Antworten 12. Juni 2016

Ooooooh, ich kann das auch.
Ich gebe gefragt und ungefragt Ratschläge, aber wehe jemand gibt mir welche . ( lautes Lachen meinerseits)
Liebe Grüße
die Sammlerin

Doro
Antworten 12. Juni 2016

Und wie fangen diese Gespräche meistens an?:"Ich meine, das muss ja jeder selber wissen, ABER..." :P

Suse
Antworten 15. Juni 2016

Oh Béa! Laß Dich Knutschen! Danke.

Weißt Du was ich gerade durchmache? Seit knapp vier Wochen haben wir jetzt einen Hund (meine Zwerginnen haben zum Glück keine Allergie) und ich bekomme diese DOGmas von anderen Hundebesitzern. Die Hölle!!!

    Melanie
    Antworten 5. September 2017

    Ohja. Das macht richtig Spaß. Und wir haben in gut 4 Wochen ein Baby und der Hund schläft noch im Bett. Was man sich da anhören muss und darf, geht über man wäre unhygienisch bis zu aber wenn das Kind da ist, darf sie das aber nicht oder? Leben und Leben lassen. Diese ganzen Ratschläge vor der Geburt, ich möchte es erst mal haben um dann alles zu sehen und zu entscheiden sonst platzt der Kopf. Viel Spaß noch mit dem ganzen Hundeherrchen und ihren Tips.

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