Es gibt keine Wahlfreiheit! – Gastbeitrag von Charlotte aka Mensch Frau


Heute habe ich einen spannenden Gastbeitrag hier – sogar mit einem Video – bei dem ich finde, Charlotte macht wichtigen Punkte. Lest, oder seht und hört… oder beides! Und vielleicht wollt ihr euch an der Diskussion beteiligen. Siehe Fragen am Ende.

Charlotte aka Mensch Frau meint:

Es gibt keine Wahlfreiheit! Wenn sie Eltern werden, verlieren Frauen. Männer hingegen gewinnen.

Ich komme aus einer kinderreichen Familie und es war für mich immer klar, dass ich Kinder haben möchte. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich relativ jung Mutter geworden bin und mir die Familiengründung erstmal wichtiger war, als der strategische Weg zum ersten gut bezahlten Job.

Mittlerweile bin ich berufstätig in Teilzeit und denke über das Thema „Wahlfreiheit“ nach.

Es ist ein wichtiges Thema für Eltern; für Mütter und Väter. Wahlfreiheit bedeutet für mich, dass Eltern selbst entscheiden können, wie sie Beruf und Familie, Kinder und Karriere verbinden. Aber meine Erfahrung zeigt: Es gibt keine Wahlfreiheit. Zumindest nicht für Frauen.

Ich habe das Gefühl, egal wie frau es macht, frau macht‘s verkehrt: Bleibt sie zuhause, gilt sie als Glucke. Arbeitet sie in Vollzeit, wird sie zur Rabenmutter. Will sie Beruf und Kinder in Teilzeit verbinden, endet sie früher oder später im Burnout. Wahlfreiheit sieht anders aus.

In der Realität erhalten Frauen nur selten Anerkennung für ihre individuelle Lebensentscheidung. Weder für die Mutterschaft noch für die Berufstätigkeit.

Bei Männern sieht es anders aus – wenn Männer Väter werden, gewinnen sie: Sie erhalten Anerkennung, wenn sie weiterarbeiten, weil sie sich für die Familie aufopfern. Sie erhalten Anerkennung, wenn sie ihre „Vätermonate“ nehmen, und gelten als modern. Sie erhalten Anerkennung, wenn sie zuhause bleiben, und werden als avantgardistische Feministen gefeiert.

Während Männer nur gewinnen können, können Frauen nur verlieren – deshalb finde ich: Frauen haben keine Wahlfreiheit.

Wenn Frauen ihre Karriere planen, müssen sie immer überlegen, ob und wenn ja wann Kinder da reinpassen. Während alle Mütter mit ihrer Elternzeit Karriereverzicht wie selbstverständlich in Kauf nehmen, denken die meisten Väter da kaum drüber nach. In der gleichen Zeit, wo Frauen in Elternzeit sind und als halbtagsarbeitende Mutter dem Burnout entgegensteuern, machen Männer Karriere und keinen stört’s, dass sie Kinder haben. Das klingt nach einer individuellen Entscheidung, hat aber System: In einer im Mai 2019 veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung wird deutlich: „Mutterschaft reduziert die Löhne von Frauen.“

Wenn es um Kinderplanung geht, habe ich nicht das Gefühl, frei entscheiden zu können.

Ich habe das Gefühl, abwägen zu müssen, zwischen Familie und Karriere, zwischen beruflichem Erfolg und privatem Glück. Weil mir die Sicherheit fehlt, dass ich beruflich im Boot bleibe, wenn ich nochmal wegen Schwangerschaft und Elternzeit vorübergehend aus dem Berufsleben ausscheiden würde. Beim Gedanken an Kinder immer auch die Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn mitzudenken – das bedeutet für mich: keine Wahlfreiheit zu haben.

Ich habe Charlotte gefragt: Wie gehst du bei deinen Kindern vor? Wie vermittelst du ihnen die Wahlfreiheit, die sie später haben und ihren Partnern gewähren sollten?

Ich versuche meinen Kindern grundsätzlich zu vermitteln, dass sie das machen sollen, was sie glücklich macht und was sie gerne machen (das sind ja meistens auch die Sachen, die man gut kann). Ich bin auch sehr zurückhaltend mit dem Wort „müssen“.

Ich sage so selten wie möglich „Ich muss zur Arbeit“, sondern: „Ich will zur Arbeit.“

Ich denke, dass sich durch Sprache viel Wirklichkeit konstruieren und interpretieren lässt. Wenn ich klar mache, dass die Dinge, die ich mache, Resultat dessen sind, was ich will, habe ich ja indirekt meine sehr wohl bestehende Wahlfreiheit zum Ausdruck gebracht.

Das ist jetzt so ein Umweg, denn beim Thema Wahlfreiheit, wie ich es im Video bespreche, geht es ja weniger um die individuelle Anerkennung (innerhalb einer Partnerschaft zum Beispiel), sondern ich bemängle die fehlende Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene. Dagegen kann ich durch Erziehung wenig machen. Daher der „Umweg“ über die Stärkung des eigenen Willen, der Selbstbestimmung und der Erlaubnis / Freiheit / Wertschätzung dessen, was man sich entscheidet, machen zu wollen. Um sich frei zu machen von der (fehlenden) Anerkennung durch Dritte und unabhängig die eigene Wahlfreiheit zu zelebrieren 😉

Ich hoffe, das ist jetzt nicht zu abstrakt.. Wir sprechen auch über andere Familienmodelle und ich bemühe mich Toleranz vorzuleben. Insofern auch wieder „Erziehung durch Vorbild“…

Übrigens:

Ich bin promovierte Medienwissenschaftlerin, Jahrgang 1985, meine Kinder sind 5 und 7, ich arbeite als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Teilzeit (erst 80%, jetzt 70%) in Bonn, wohne in Sankt Augustin und habe meinen Youtubekanal während der Jobsuche gestartet und betreibe das jetzt hobbymäßig und im Moment gibts jeden 1. Sonntag im Monat ein neues Video.
(Nächstes Mal Thema: Warum Eltern die besseren Arbeitnehmer sind)

Wie empfindet ihr das? Habt ihr Wahlfreiheit?

Könnt ihr einfach so machen, was ihr wollt? Wird eure Entscheidung akzeptiert? Nehmt ihr Nachteile in Kauf? Oder wie wehrt ihr euch dagegen? Und vor allem: Was können wir dagegen tun?

Und dann folgt mir gerne auf
www.Instagram.com/MenschFra
www.facebook.com/MenschFrauCha

Danke Charlotte für deine Ansichten,

Béa

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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2 Kommentare

Julia Schöneberger
Antworten 30. Juli 2019

Der Artikel spricht mir ganz aus dem Herzen. Ich bin seit 20 Jahren in Vollzeit als Lehrerin an einem Gymnasium, meine beiden Kinder sind jetzt 12 und 8. Für jede Maus bin ich ein Jahr zu hause geblieben. Dann war ich Rabenmutter, die berufliche Selbstverwirklichung und Geldgeilheit einem harmonischen Familienleben und dem Wohl ihrer Kinder vorzog (O-Ton Kollegin). Ich habe Großeltern, die mithelfen und einen total coolen Mann, der mehr als die Hälfte der Arbeit macht, allerdings morgens spätestens um 6 aus dem Haus muss. Bei K1 musste ich selbstverständlich täglich zur ersten Stunde da sein, also die Maus um 7 im Kindergarten abgeben. Und immer rennen, rasen, eilen. Weil: "sollen wir jetzt vielleicht noch auf Mütter Rücksicht nehmen?" (Äh - ja?). Bei K2 war die Stundenplanung in Hand einer Frau, und schon war es möglich, dass ich erst zur 2. kommen konnte. Trotzdem stoße ich seit Jahren permanent an meine Grenzen, und trotz ständiger Weiterbildung und außerunterrichtlichem Einsatz werden junge, kinderlose Männer an mir vorbeibefördert. Weil die ja nicht ausfallen. (Ich bin mittlerweile aus dem Alter, in dem frau alle 11 Monate spätestens wegen einer neuen Niederkunft ausfällt auch raus, aber das hat noch keiner gemerkt). Am meisten machen mir aber die Bemerkungen der Teilzeitler zu schaffen, die Montags noch einen Kater haben und sich über meine stressigen Wochenenden lustig machen. Ich bin nämlich nicht nur Rabenmutter, sondern auch selber Schuld, ich hab`s ja nicht nötig arbeiten zu gehen. Ich bin aber ehrgeizig und ich gehe furchtbar gerne arbeiten, weil ich einen total tollen Beruf habe. will aber keiner wissen. Derweil wird mein Mann zur Beförderung vorgeschlagen, ohne sich zu bewerben. Weil er ja nie ausfällt. Und immer da ist. Und ja eigentlich eher keine Kinder hat. Traurig. Echt.

Katharina S.
Antworten 20. August 2019

Ich stimme dem Artikel weitgehend zu - in den meisten Fällen ist das so. Und das ist einfach unfair! Das liegt aber auch an den Vätern, die nicht bereit sind mehr Zeit für die Familie zu opfern und selbst kürzer treten.
Um Mut zu machen, dass es auch anders geht, will ich von uns berichten:
Wir haben 2 Kinder - K1=3Jahre und K2=3Monate. Noch bin ich mit K2 in Elternzeit.
Während ich mit K1 in Elternzeit war, habe ich das Angebot zur Beförderung zur Teamleitung bekommen. Ich musste dafür 1 Monat früher aus der Elternzeit zurück kommen, hab natürlich mehr Gehalt bekommen und mir wurde ein Home Office Tag zugesichert, was ein echtes Zugeständnis war! Mein Mann hat auch gearbeitet, hat aber den Haushalt geschmissen und sich nachmittags/abends um K1 gekümmert, bis ich Zuhause war. Und es hat funktioniert.
Klar, es war anstrengend! Mein Mann war am Anfang nicht zufrieden mit seiner neuen Rolle, weil er da erst einmal reinwachsen musste. Aber er &K1 sind ein tolles Team geworden. Und ich hatte keine freie Minute mehr (gefühlt) - wenn ich nicht arbeiten war, habe ich Zeit mit K1 verbracht, um die Zeit, die ich bei der Arbeit & nicht beim Kind war zu kompensieren. Aber ich habe es auch genossen - sowohl die Arbeit als auch die intensive Zeit mit meinem Kind.
Ich hatte sicherlich Glück mit meiner Chefin (übrigens kinderlos), dass sie mir die Teamleitung trotz Kleinkind zugetraut hat, und natürlich mit meinem tollen Mann.

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