Es sind die Erwachsenen – zentral die LehrerInnnen – die den emotionalen Ton in der Schule entscheiden


In Dänemark steht nun das Fach Empathie auf Stundenplänen, in Großbritannien wurde das Fach Achtsamkeit eingeführt. Ich freue mich! Und ich hoffe sehr, beides findet auch immer mehr den Weg in deutsche Schulen. – sagt unsere Kolumnistin mindfulsun.

Ich, Béa, als Schulgründerin und frühere „Chefin“ von über 300 Lehrkräften möchte die Pädagogen unter euch bitten, sich das einfach durch den Kopf gehen zu lassen und uns zu sagen: Wie könnte das möglich werden in vielen Schulen?


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Und jetzt kommen die Überlegungen von mindfulsun:

Wie ist es eigentlich mit den Lehrkräften? Bringen sie Achtsamkeit mit in die Schule?

Mich hat dieser Tweet eines Lehrers sehr berührt und zu diesem Artikel inspiriert:

„Ich bin zu einer erschreckenden Schlussfolgerung gekommen. Ich bin das entscheidende Element, das das Klima kreiert. Es ist meine Einstellung, die das Klima gestaltet. Das Wetter wird durch meine tägliche Stimmung gemacht. Als Lehrer habe ich diese unglaubliche Macht, das Leben eines Kindes schwer oder voller Freude zu machen. Ich kann ein Werkzeug der Folter oder ein Instrument der Inspiration sein. Ich kann demütigen oder Freude verbreiten, verletzen oder heilen. Es ist meine Reaktion, die in jeder Situation entscheidet, ob eine Krise eskaliert oder deeskaliert und ein Kind entmenschlicht oder menschlich behandelt wird.“

Es sind die Erwachsenen, die den emotionalen Ton in der Schule entscheiden. Und es ist wichtig, was sie vorleben!
Sind sich eigentlich alle Lehrkräfte dieser Macht und somit auch ihrer Verantwortung bewusst?
Die Schüler geben ja ihre Seele nicht am Schultor ab. Alles was sie beschäftigt, kommt mit ins Klassenzimmer.

Ich habe viel Hochachtung vor dem Lehrerberuf und auch vor den täglichen Anforderungen.

Ich habe viele tolle LehrerInnen kennengelernt, als Schülerin und als Mutter. LehrerInnen, die sehr empathisch sind und neben der Vermittlung von Wissen, das Leben von Kindern wirklich positiv gestalten wollen. Und ich habe es auch in beiden Rollen anders erlebt.
Natürlich ist die Schule der Ort, an dem Wissen gelehrt wird. Viele Kinder verbringen einen Großteil ihres Tages in der Schule. Ist es dann nicht ebenso wichtig, sich wohlzufühlen und angenommen? Ist der emotionale Aspekt nicht auch wichtig?

Ich glaube daran, dass Achtsamkeit aufseiten der Lehrkräfte hier einen wirklich entscheidenden Unterschied machen kann.

Auch die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu reflektieren und nicht auf die Kinder zu übertragen. Denn auch die LehrerInnen geben ihre Emotionen nicht ab, wenn sie das Klassenzimmer betreten.

Auf meiner Wunschliste gelandet, auch wenn ich keine Lehrerin bin:

„In order to teach mindfulness to their students, teachers must first practice it in their own lives, much the same way airline passengers are advised to adjust their own oxygen mask before helping children to fasten theirs.“

https://www.tieonline.com/article/2352/mindful-teacher-mindful-school-a-must-read-for-every-educator

Die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren ist entscheidend, um überhaupt Inhalte richtig aufnehmen zu können.

Wenn also aufgewühlte Lehrkräfte aufgewühlten Kindern etwas beizubringen versuchen:
Wie viel bleibt da hängen?

Eine ruhige, sichere und motivierende Atmosphäre empfinde ich da als viel wertvoller.


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Auch die Wortwahl seitens der Lehrkräfte empfinde ich wichtig:
„Was hast du nicht verstanden?“  – Vielleicht durch ein „Wo habe ich dich verloren? Wo konnte ich mich nicht verständlich machen?“ ersetzen. So bleibt nicht das Gefühl beim Kind, es hat nicht richtig aufgepasst. (Ja, das kann auch passieren!) Trotz intensiver Vorbereitung und Liebe zum Fach ist es sicher nicht immer möglich, mit einer Methode jedem Kind alles zu vermitteln. Manchmal ist vielleicht ein anderer Ansatz nötig.

Ich erinnere mich noch gut an Mathe und meine Frustration, weil ich – gefühlt, einfach zu blöd für bestimmte Themen war. Auf Nachfrage wurde mir der Stoff auf die gleiche Art wiederholt: Ich bin wieder gescheitert. So fühlte es sich zumindest an. Im darauffolgenden Schuljahr bekamen wir eine neue Lehrerin und plötzlich kam ich hinterher! Sie war geduldig und ist die Aufgaben aus einem anderen Blickwinkel angegangen. Ich wünsche mir einfach, dass eben nicht erst ein Lehrerwechsel notwendig ist. Denn ich war nicht die Einzige, die erst im nächsten Schuljahr einen Zugang zu den Aufgaben gefunden hat.

Auch Scham gehört für mich nicht in die Schule. Lehrkräfte, die Kinder beschämen oder demütigen.

Kinder, die sich schämen, wenn sie etwas nicht verstehen. Scham ist kein guter Motivator, im Gegenteil. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene fühlen sich doch oft überwältigt und isoliert, wenn sie sich für etwas schämen.
Keine gute Voraussetzung, um zu lernen. Und ich schreibe hier nicht nur von vorsätzlichen Demütigungen. Bewusst auf die Wortwahl achten und nicht vorschnell zu urteilen. Achtsamkeit kann hier viel bewegen. Ganz sicher auch in der Schule!

Ein Thema, was mir sehr wichtig ist und damit verbunden: Projektion, Übertragung- und Gegenübertragung.

Sind sich eigentlich alle LehrerInnen bewusst, wenn das bei ihnen passiert? Wenn sie eigene Gefühle und Erfahrungen auf Kinder projizieren und dann danach handeln? Wenn Lehrkräfte in manchen Kindern sich selbst als Kind sehen? Wenn sie Erlebtes aus alten Situationen auf das Jetzt und eine Situation mit einem Schüler übertragen? Merken alle LehrerInnen eigentlich, dass das Verhalten mancher Kinder etwas in ihnen selbst auslöst: Es überhaupt nichts mit dem Kind zu tun hat, sondern mit ihnen? Hier kann es zu Konflikten kommen und vor allem kann es Kindern Schaden zufügen.
Das gilt für mich nicht nur für Lehrkräfte, sondern auch für mich als Mutter und eigentlich in jeder zwischenmenschlichen Beziehung.

Ja, LehrerInnen sind natürlich Menschen! Und es ist nicht einfach, wenn jemand unverschämt wird oder laut.

Wie oft denken wir dann: Er / sie möchte mich nur ärgern? Wie oft schließen wir vom Verhalten auf die Ursache und bewerten? Gerade als Lehrkraft stelle ich mir das schwierig vor.
Und doch steckt vielleicht etwas anderes hinter einem scheinbar aufsässigen Kind. Ist da nicht Hilfe zur Regulation der Emotionen des Kindes wichtig? Statt dem ersten Impuls sofort zu reagieren und vielleicht laut zu werden, was die Situation schlimmer machen könnte?
Wenn ich mit Emotionen überflutet bin, ist es mir unmöglich etwas rational aufzunehmen.
Durch das Vorleben von Selbstregulation, kann hier bestimmt viel positiv beeinflusst werden.

Ich glaube fest daran, dass mehr Achtsamkeit auch in Schulen etwas bewegen kann: Für die Kinder und die Lehrerkräfte!

Nachtrag vom 24. September 2020 Ich habe den Artikel vor einem Jahr verfasst und lasse ihn so stehen, als Zeichen meiner Entwicklung. Heute wünsche ich mir, dass die Gewaltfreie Kommunikation ihren Weg in alle Klassenzimmer und Herzen findet. Als ich den Artikel damals verfasst hatte, war ich noch nicht so mit der Gewaltfreien Kommunikation vertraut.

mindfulsun

P.S. Wir suchen gute Beispiele aus dem Schul- und Kita-Alltag, die zeigen, wie Achtsamkeit und Empathie funktionieren können, wie die Lehrkräfte und Pädagogen den emotionalen Ton in der Schule angeben!

Gern auch die kleinen „Hacks“. Mein Lieblingsbeispiel aus „meinen Schulen“ ist:

Die LehrerInnen, die vor geschriebenen Tests den Kids sagten: „Das ist für mich, damit ich weiß, wie gut ich gearbeitet habe, ob ihr alles verstanden habt – und wo ich noch nachbessern sollte!“

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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