Die Lehrer Schüler Beziehung als Grundlage für das Lernen


Die Lehrer-Schüler-Beziehung und wie wichtig sie ist – „Wie das emotionale Wohlbefinden das Lernen beeinflusst, darüber möchte ich heute schreiben.“ sagt unsere Kolumnistin mindfulsun.

Ich, Béa, als Schulgründerin und frühere „Chefin“ von über 300 Lehrkräften möchte die Pädagogen unter euch bitten, sich das einfach durch den Kopf gehen zu lassen und uns zu sagen: Wie könnte das möglich werden in vielen Schulen?

Und jetzt kommen die Überlegungen von mindfulsun:

Wie ist es eigentlich mit den Lehrkräften? Bringen sie Achtsamkeit mit in die Schule?

Mich haben dieser Tweet und die Erkenntnisse eines Lehrers sehr berührt und zu diesem Artikel inspiriert:

„Ich bin zu einer erschreckenden Schlussfolgerung gekommen. Ich bin das entscheidende Element, das das Klima kreiert. Es ist meine Einstellung, die das Klima gestaltet. Das Wetter wird durch meine tägliche Stimmung gemacht. Als Lehrer habe ich diese unglaubliche Macht, das Leben eines Kindes schwer oder voller Freude zu machen. Ich kann ein Werkzeug der Folter oder ein Instrument der Inspiration sein. Ich kann demütigen oder Freude verbreiten, verletzen oder heilen. Es ist meine Reaktion, die in jeder Situation entscheidet, ob eine Krise eskaliert oder deeskaliert und ein Kind entmenschlicht oder menschlich behandelt wird.“

Es sind die Erwachsenen, die den emotionalen Ton in der Schule entscheiden. Es ist wichtig, was sie vorleben und das sie das Bewusstsein dafür haben. Für mich viel wichtiger als den ersten Fokus darauf zu legen: „Was ist ein professioneller Umgang mit meinen Schülern?“
Sind sich eigentlich alle Lehrkräfte dieser Macht und somit auch ihrer Verantwortung bewusst?
Die Schüler geben ja ihre Seele nicht am Schultor ab. Alles was sie beschäftigt, kommt mit ins Klassenzimmer.

Ich habe viel Hochachtung vor dem Lehrerberuf und auch vor den täglichen Anforderungen.

Ich habe viele tolle LehrerInnen kennengelernt, als Schülerin und als Mutter. LehrerInnen, die sehr empathisch sind und neben der Vermittlung von Wissen, das Leben von Kindern wirklich positiv gestalten wollen. Und ich habe es auch in beiden Rollen anders erlebt. Auch noch Jahre später kann ich mich daran erinnern. Nicht an Worte, aber daran, wie ich mich gefühlt habe.
Natürlich ist die Schule der Ort, an dem Wissen gelehrt wird. Viele Kinder verbringen einen Großteil ihres Tages in der Schule. Ist es dann nicht ebenso wichtig, sich wohlzufühlen und angenommen?

Hat der emotionale Aspekt nicht auch einen großen Einfluss darauf? Sicher fühlen und ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Schülern und Lehrkräften ist für mich eine der Grundvoraussetzungen, um überhaupt wirklich lernen zu können.

Ich glaube daran, dass Achtsamkeit aufseiten der Lehrkräfte hier einen wirklich entscheidenden Unterschied machen kann.

Auch die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu reflektieren und nicht auf die Kinder zu übertragen. Denn auch die LehrerInnen geben ihre Emotionen nicht ab, wenn sie das Klassenzimmer betreten.

Und manchmal brauchen sie selbst vielleicht auch emotionale Unterstützung.

Auf meiner Wunschliste gelandet, auch wenn ich keine Lehrerin bin:

„In order to teach mindfulness to their students, teachers must first practice it in their own lives, much the same way airline passengers are advised to adjust their own oxygen mask before helping children to fasten theirs.“

https://www.tieonline.com/article/2352/mindful-teacher-mindful-school-a-must-read-for-every-educator

Die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren ist entscheidend, um überhaupt Inhalte richtig aufnehmen zu können.

Wenn also aufgewühlte Lehrkräfte aufgewühlten Kindern etwas beizubringen versuchen:
Wie viel bleibt da aus Schülersicht hängen?

Eine ruhige, sichere und motivierende Atmosphäre empfinde ich da als viel wertvoller.

Auch die Wortwahl seitens der Lehrkräfte ist für einen „guten Unterricht“ wichtig:
„Was hast du nicht verstanden?“  – Vielleicht durch ein „Wo habe ich dich verloren? Wo konnte ich mich nicht verständlich machen?“ ersetzen. So bleibt nicht das Gefühl beim Kind, es hat nicht richtig aufgepasst. (Ja, das kann auch passieren!) Trotz intensiver Vorbereitung und Liebe zum Fach ist es sicher nicht immer möglich, mit einer Methode jedem Kind alles zu vermitteln. Manchmal sind vielleicht ein anderer Ansatz und individuelle Hilfe nötig.

Ich erinnere mich noch gut an Mathe und meine Frustration, weil ich – gefühlt, einfach zu blöd für bestimmte Themen war. Auf Nachfrage wurde mir der Stoff auf die gleiche Art wiederholt: Ich bin wieder gescheitert. So fühlte es sich zumindest an. Im darauffolgenden Schuljahr bekamen wir eine neue Lehrerin und plötzlich kam ich hinterher! Sie war geduldig und ist die Aufgaben aus einem anderen Blickwinkel angegangen. Ich wünsche mir einfach, dass eben nicht erst ein Lehrerwechsel notwendig ist. Denn ich war nicht die Einzige, die erst im nächsten Schuljahr einen Zugang zu den Aufgaben gefunden hat. Das ist sicher nicht nur in Mathe, sondern auch in anderen Fächern der Fall: Empathie und Geduld spielen eine besondere Rolle bei der Vermittlung des Lehrstoffs.

Auch Scham gehört für mich nicht zur Institution Schule: Lehrkräfte, die Kinder beschämen oder demütigen. Das bleibt manchem Schüler weit noch in seinem Leben in Erinnerung und kann prägen.

Kinder, die sich schämen, wenn sie etwas nicht verstehen. Scham ist kein guter Motivator, im Gegenteil. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene fühlen sich doch oft überwältigt und isoliert, wenn sie sich für etwas schämen.
Keine gute Voraussetzung, um zu lernen. Und ich schreibe hier nicht nur von vorsätzlichen Demütigungen. Bewusst auf die Wortwahl achten und nicht vorschnell zu urteilen. Achtsamkeit kann hier viel bewegen. Ganz sicher auch in der Schule!

Ein Thema, was mir sehr wichtig ist und damit verbunden: Projektion, Übertragung- und Gegenübertragung.

Sind sich eigentlich alle LehrerInnen bewusst, wenn das bei ihnen passiert? Wenn sie eigene Gefühle und Erfahrungen auf Kinder projizieren und dann danach handeln? Wenn Lehrkräfte in manchen Kindern sich vielleicht selbst als Kind sehen? Wenn sie Erlebtes aus alten Situationen, was sie selbst vielleicht über Jahre stark geprägt hat, auf das Jetzt und eine Situation mit einem Schüler übertragen? Merken alle LehrerInnen eigentlich, dass das Verhalten mancher Kinder etwas in ihnen selbst auslöst: Es überhaupt nichts mit dem Kind zu tun hat, sondern mit ihnen?

Das kann eine große Rolle bei Konflikten spielen und vor allem kann es Kindern Schaden zufügen.
Das gilt für mich nicht nur für Lehrkräfte, sondern auch für mich als Mutter und eigentlich in jeder zwischenmenschlichen Beziehung.

Ja, LehrerInnen sind natürlich Menschen!

Wie oft denken wir dann: Er / sie möchte mich nur ärgern? Wie oft schließen wir vom Verhalten auf die Ursache und bewerten? Gerade als Lehrkraft stelle ich mir das schwierig vor.
Und doch steckt vielleicht etwas anderes hinter einem scheinbar aufsässigen Kind. Ist da nicht Hilfe zur Regulation der Emotionen des Kindes wichtig? Statt dem ersten Impuls sofort zu reagieren und vielleicht laut zu werden, was die Situation schlimmer machen könnte?
Wenn ich mit Emotionen überflutet bin, ist es mir unmöglich etwas rational aufzunehmen.

Durch das Vorleben von Selbstregulation kann hier bestimmt viel bewegt werden.
Das gehört für mich auch dazu, wie die persönliche Beziehung zwischen Lehrkräften und SchülerInnen das Lernen beeinflusst.

Ich glaube fest daran, dass mehr Achtsamkeit auch in Schulen etwas verändern kann: Für die Kinder und die Lehrerkräfte! Empathie und Achtsamkeit auch als Grundlage für die unterschiedlichen Unterrichtsmethoden.

Übrigens: Es ist fast unmöglich, die ganze Zeit – 24/7 – achtsam zu sein. An manchen Tagen fällt das auch womöglich leichter als an anderen Tagen. Wenn wir uns bewusster über bestimmte Themen werden, ist das ein guter Anfang. Und der Anfang für mich ist: Professioneller Umgang steht für mich hinter menschlichem. Ich mag dieses Zitat von Marshall B. Rosenberg:

Empathy before education. Marshall B. Rosenberg

„Empathy before education“

Empathie vor Bildung. Empathie als Voraussetzung für Bildung.

P.S. von Béa: Wir suchen gute Beispiele aus dem Schul- und Kita-Alltag, die zeigen, wie eine positive Bindungen, Achtsamkeit und Empathie funktionieren können. Beispiele, wie die Lehrkräfte und Pädagogen den emotionalen Ton in der Schule angeben! Schreibt es uns bitte in die Kommentare. Wir würden gerne noch einen weiteren Artikel schreiben, was sich mit einem guten Verhältnis zwischen SchülerInnen und Lehrkräften verbessern kann. Und wie das beim Lernen sichtbar wird.

Gern auch die kleinen „Hacks“. Mein Lieblingsbeispiel aus „meinen Schulen“ ist:

Erfahrene Lehrer, die vor geschriebenen Tests den Kids sagten: „Das ist für mich, damit ich weiß, wie gut ich gearbeitet habe, ob ihr alles verstanden habt – und wo ich noch nachbessern sollte!“

PPS von mindfulsun: Ich habe lange überlegt, ob ich es Lehrer-Schüler-Beziehung nenne, weil gerade in Überschriften damit vielleicht eine sexuelle Beziehung assoziiert werden kann.
Ich bin dann trotzdem dabei geblieben, weil wir alle miteinander in Beziehung stehen. Und die Qualität dieser zwischenmenschlichen Beziehung unser Leben und unsere seelische Gesundheit gravierend beeinflusst. 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

DAS KÖNNTE DIR AUCH GEFALLEN

Wenn Überempathie zur Belastung wird: Die Gefahr des „Overthinking“
30. Mar 2023
Meine Mutter hat sich bei meinen Lehrern eingeschleimt … und es beschämt mich bis heute
28. Mar 2023
Wie können Lehrkräfte ChatGPT in der Schule nutzen? Ein Test
23. Feb 2023
„Aber du hast doch gesagt!“ – Empathie und das Unterbewusstsein in der Kommunikation
24. Sep 2022
Immer noch mit Barbies spielen? Warum steht uns die Scham ständig im Weg?
22. Jun 2022
Mit dem iPad in der Schule – Erfahrungsbericht eines Teenagers
15. Jun 2022
Ihr habt mich nicht im Lotto gewonnen und FYI die Sklaverei ist abgeschafft! Mama-Befreiungsschlag – Gastbeitrag
18. May 2022
Wie wir das zweite „Gemeinsam schlau“-Buch über Schule, fast geschmissen hätten… und was es komplett gedreht hat
14. May 2022
Die menschliche Seite der Sexualität gehört für mich auch zur Aufklärung
11. Apr 2022

DAS KÖNNTE DICH AUCH INTERESSIEREN

Werbung

Einen Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit einem Stern (*) markiert.