Für weniger beurteilen und bewerten – Für mehr Akzeptanz


…und weniger VER-urteilen! Dies, liebe Leute, kommt wieder von unserer Kolumnistin mindfulsun, unsere Achtsamkeits- und Nachhaltigkeitsfrau in der Tollabea Redaktion. Ich habe viel beim lesen des Textes gelernt – und ich hoffe, ihr auch.

Sie plädiert für weniger beurteilen und bewerten – Für mehr Akzeptanz

Als die Evolution uns bewerten und beurteilen mitgegeben hat, um unser Überleben sicherzustellen, z.B….

– Gefahren richtig einschätzen

– Wem kann ich vertrauen und mit wem bin ich sicher

– Wenn für mich etwas unbekannt ist, werde ich defensiv weil es vielleicht eine Gefahr darstellen kann

…hat sie bestimmt nicht diese Art von bewerten und beurteilen gemeint:

– „Du hast einen fetten Arsch“

– „Du hast ja nicht alle Tassen im Schrank.“

– „Deine Klamotten sehen billig aus.“ etc.

Über diese Art von bewerten und beurteilen möchte ich heute schreiben.

Übrigens: Wer bestimmt eigentlich wer wie viele Tassen im Schrank haben muss und wer zählt die nach?

Und nun: Bitte alle mal die Hände hoch, wer noch nie jemanden bewertet hat und alle mal die Hände hoch, wer noch nie bewertet wurde.

Ich beginne mit zwei einfachen Beispielen, die bestimmt viele von uns kennen – in die eine odere andere Richtung:

Mein Sohn erzählte mir, ein Junge aus seiner Klasse hat zu ihm gesagt: „Deine Klamotten sehen billig und scheiße aus.“ Das ist eindeutig eine Wertung und hier kann ich den Unterschied zwischen: beschreiben- / beobachten und bewerten gut darstellen. Würde ich den Jungen bitten, die Sachen meines Sohnes einfach zu beschreiben – ohne zu werten – würde wohl dabei rauskommen: schwarzer Hoodie, schwarze Hose, graue Schuhe. Alles andere: billig, scheiße, hässlich etc. das sind subjektive Bewertungen.

Stellt euch vor, ihr seid im Supermarkt und ein Kind liegt schreiend auf dem Boden. Die Mutter kauft seelenruhig weiter ein. Beobachten und beschreiben wäre: Da liegt ein schreiendes Kind auf dem Boden, die Mutter kauft ein. Bewerten und beurteilen ist (Beispiel): Die Mutter kümmert sich nicht, ihr ist es egal. Das Kind ist nicht gut erzogen. Und so weiter und so weiter.

Warum nicht also bei Beobachten bzw. Beschreiben einfach einen Punkt machen?

Warum beurteilen, bewerten, interpretieren und in Schubladen stecken?

Weil es menschlich ist und doch oft nicht notwendig. Es kann verletzend und auch anmaßend sein.

Achtsamkeit, bewusst beobachten WANN ich bewerte, hat für mich vieles verändert. Ich habe auch bemerkt, wie viel Kraft und Energie überflüssiges Bewerten kosten kann. Für mich war es erschreckend, wie oft ich unbewusst bewertet habe.

Und da ich mittlerweile weiß: bewerten und beurteilen bleibt nicht aus, geht es mir eher darum eben genau zu erkennen wann ich bewerte. Denn oftmals resultiert unreflektiertes Bewerten einfach in unachtsamen Bemerkungen und Handlungen. Menschen werden verletzt, wir geben Menschen nicht mal die Chance sie richtig kennenzulernen. Wir wischen etwas vom Tisch, was uns einfach auf den ersten Blick so überhaupt nicht gefällt.

Die Folge: Tunnelblick und Schubladendenken

Es gibt da so ein Sprichwort: Wenn du jemanden bewertest, sagt das nichts über diese Person aus und alles über dich. (oder so ähnlich)

Mein Fazit: Wenn wir werten und Urteile über Personen und Situationen fällen, dann ist das in uns – aus unseren Erfahrungen, unseren Wahrnehmungen, wie wir ticken – und nicht eine Beschreibung des anderen Menschen oder eben einer bestimmten Situation.

Wie oft bewerten und beurteilen wir einen Menschen als Ganzes, nur weil wir sein Verhalten in dem Moment nicht in Ordnung finden oder er etwas anders macht, als wir es machen würden? Wie oft werten wir über Äußerlichkeiten?

An dieser Stelle – auch für unsere Kinder: Was wir denken und was wir dann sagen und wie wir dann handeln, darin besteht ein Unterschied! Wieso erklärt ein Mensch dem anderen: „Du bist fett, du bist hässlich etc.“ Ja, wir können nicht alle Menschen hübsch finden – woher kommt der Drang das auszusprechen?

Warum darüber lästern? In Zeiten von Social Media und dem Internet dann gerne noch gemeinsam im großen Mob mit anderen.
Unsere Kinder schauen sich das ab.

Wie kommen wir nun gegen das ständige Bewerten und Beurteilen an? Was hilft – uns und auch unseren Kindern?

1. Achtsam sein. Sich bewusst machen, wenn es passiert.

Immer im Hinterkopf haben: Menschen sind verschieden. Menschen haben ein unterschiedliches Aussehen. Es gibt verschiedene Arten mit etwas umzugehen. Jeder Mensch reagiert aus seinen Erfahrungen und seinen Prägungen. Wir können anderen Menschen nicht in den Kopf und das Herz schauen! Wer weiß schon, was genau gerade im Leben eines anderen Menschen vor sich geht, wie er sich fühlt?

2. Sich selbst ein wenig hinterfragen:

Warum bewerte ich andere Menschen? Was empfinde ich gerade? Was ist in meinem Leben passiert, dass ich das gerade mache? Bin ich unsicher oder eifersüchtig, fühle ich mich selbst nicht wohl?

3. Eine andere Perspektive finden und bewusst Sachen anders formulieren:

Statt „Das ist so“ – „Ich empfinde das so“
Statt „Das ist falsch“ – „Ich sehe / empfinde das anders“
Nichts anderes sind Bewertungen und Beurteilungen: eigenes Empfinden! Und in einer achtsamen Wortwahl drückt sich das aus und wir machen es uns auch bewusst.

Eigentlich ist es ganz einfach gesagt – schwerer getan – es braucht Übung: Bei sich selbst bleiben!

Und eine Portion: Empathie, Mitgefühl, Akzeptanz und Toleranz

– Kindern vermitteln: Wir sind alle unterschiedlich und doch eint uns: Wir sind alle Menschen
– Kindern vorleben, dass eigene Wahrnehmung subjektiv ist und nicht allgemeingültig
– Mit unseren Kindern bewusst nicht bewertende Sprache nutzen und uns nicht davor scheuen, diesen Prozess immer und immer wieder zu durchlaufen.

Und ja, es wird immer wieder passieren, dass es nicht klappt!

Wir sind (fast?) alle keine erleuchteten Wesen und in uns ruhende Buddhas. Wir können darauf achten: Wie gut tut es mir, wenn ich nicht werte? Wie gut tut es anderen, wenn ich es nicht tue? Wie gut tut es mir, nicht bewertet zu werden?

eure mindfulsun

PS: Habt ihr Beispiele, wo ihr erst unbewusst etwas oder jemanden bewertet habt und später festgestellt habt: Es ist ja ganz anders? Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr das mit uns teilt!

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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2 Kommentare

Julia Schöneberger
Antworten 8. Juli 2019

Ein lustiges Bewertungsbeispiel aus meiner Schule (lustig nur, weil es hier so gut passt, während des Schuljahres hat es viel Kraft gekostet).Ich hatte in Klasse 6 ein Kind, das durchfehlende Konzentration, nervöses Hibbeln und recht unkontrolliertes Reden auffiel - natürlich allen nur negativ. Mich hat die Maus an mein Kinder-ich erinnert, ich bin auch ständig rausgeflogen. Und das hat schon dazu geführt, dass ich mehr Verständnis hatte und mehr Geduld. Und mir fiiel schnell auf, dass besagtes Kind dieses mehr an Goodwill wahrgenommen hat und sich sehr bemühte, in meinen Stunden stiller zu sein. Dann kam eine Konferenz und ein Attest vom Schulpsycholog. Dienst: Kind hat ADHS und einen hohen IQ. sofort waren alle KollegInnen viel bereiter, auf das Kind einzugehen und Geduld zu zeigen, es "konnte ja nichts dafür" (vorher auch schon nicht, aber egal) und war ja tatsächlich "gymnasial geeignet". Sobald ein Label drauf war, war das Kind mehr wert. (Wenn ich das jetzt so lese, ist es eigentlich eher traurig).
Dazu kommt, dass ich als Mutter immer wieder erlebe, dass meine beiden Kids deutlich besser behandelt werden als andere - es sind ja Kollegenkinder, die sind sicher cleverer als die Kinder von der Putzfrau und der Friseurin. So kam mein total unmusikalischer Sohn in eine Musikförderklasse, trotz meiner Einwände, weil ich doch musikalisch bin und das sich vererbt. Naja. Der arme Musiklehrer hat sich dann halt 2 Jahre mit dem Kurzen rumschlagen müssen, das Kind hat sich köstlich darüber amüsiert, dass er "Dinge hören sollte, die kein normaler Mensch hört" und dann war`s rum. K2 darf jetzt bestimmt mit Genuss unmusikalisch sein, da ihr Bruder bewiesen hat, dass nicht alles abfärbt.

Ronk
Antworten 8. Juli 2019

Hier mein persönliches Beispiel:
Als ich anfing zu studieren, hat sich in den ersten Vorlesungen immer die gleiche junge Frau gemeldet, Antworten gegeben und schlaue Fragen gestellt. „Was für eine Streber-Kuh“ hab ich gedacht.
Dann aber habe ich sie besser kennengelernt. Heute ist sie meine beste Freundin!

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