#GestenderLiebe: Worte und Gesten können die Seelen von Kindern stärken. Lasst uns das nutzen!


Bei Twitter findet man gerade viele Tweets mit dem Hashtag #SpruecheUnsererMuetter. Und hier haben wir auch schon mal die „Floskeln unserer Eltern“ gesammelt. Viele davon berühren mich sehr: Die verletzenden Sprüche, weil Worte so viel in Kinderseelen kaputt machen können und die liebenden, weil Worte so viel Schutz und Kraft geben können.

Ich habe automatisch an meine Mutter gedacht. Mir kommen aber gar nicht so viel typische Sprüche in den Sinn, sondern sehr viel mehr Gesten, die mich sehr geprägt haben, und die auch heute stark beeinflussen, was mir für meine Kinder wichtig ist.

Eine warme Erinnerung ist beispielsweise das Vorabendserienritual mit meinen Eltern. Damals gab es Derrick, Der Alte, Soko 5113 und Co im ZDF, die wir zusammen schauten. Ich lag dabei an meine Mama gekuschelt auf dem Sofa. Manchmal gab es Hasenstullen (in Häppchen geschnittene belegte Brote) vor dem Fernseher. Einige Leser verdrehen eventuell bei der Erinnerung die Augen, aber Tatsache ist, dass diese Kuschelabende ein totales Gefühl der Wärme, Gemütlichkeit und Sicherheit bei mir hinterlassen haben (und dazu führten, dass mich Vorabendkrimis noch heute entspannen).

Wir hatten nie viel Geld, aber ein gemeinsamer Urlaub war meiner Mutter immer wichtig.

Jedes Jahr fuhr sie mit mir an die Ostsee. Zu DDR-Zeiten war es nicht einfach, einen Urlaubsplatz zu bekommen, schon gar nicht an der Ostsee. Erst im Nachhinein weiß ich, wie viel sie in Kauf genommen hat, um mir einen Urlaub zu ermöglichen. Wir wohnten wortwörtlich in der Abstellkammer eines Ferienlagers, in die exakt nur ein Doppelstockbett passte. Es war dunkel und dreckig. Als Kind habe ich das nicht registriert. In Erinnerung sind mir die Strandtage, die Wanderungen durch die Wälder an der Steilküste und die Sandburgen. Erst als ich erwachsen war und das alte Ferienlager besuchte, wurde mir klar, wie wir da eigentlich gehaust hatten und wie demütigend das für meine erwachsene Mutter gewesen sein muss.

Phantasie und Zuwendung: Viel mehr brauchte es nicht für mein kleines, großes Glück.

Was ich auch mit meiner Mutter verbinde und für meine Kinder übernommen habe, ist ein unglaubliches Arsenal an ablenkenden Spielen. Wenn wir beispielsweise besagte Wanderungen durch die Wälder oder am Strand machten, die durchaus kilometerlang waren, dann fielen meiner Mutter zahlreiche Spiele und Lieder ein, um mir den Weg zu erleichtern. Von „Ich sehe was, was du nicht siehst“, über das Bilden von zusammengesetzten Substantiven mit dem letzten Wort des Vorgängers, über Tierarten mit dem letzten Buchstaben des vorherigen Wortes bis hin zu erfundenen Geschichten, für die jeder abwechselnd einen Satz beisteuerte, hatte sie immer neue Spielideen. Als ich jetzt gerade mit meiner Familie zwei Wochen wandern war, haben diese Kindheitsspiele meinen Teenie und unseren kleinen Tornado über kilometerweite Bergstrecken beschäftigt.

Es gibt so viele Erinnerungen, in denen meine Mutter einfach mit mir spielt, Buden baut, mir zeigt, wie man Puppen windelt, wie man Städte aus Bauklötzen errichtet, Kartoffeldruck macht oder Gummihopse springt. Dafür liebe ich sie sehr, denn jetzt wo ich selbst eine Familie habe, weiß ich, dass man sich für diese Dinge bewusst Zeit nehmen muss.

Als ich selbst Mutter wurde, konnte ich trotzdem bei ihr weiterhin Kind sein.

Als mein Sohn geboren wurde und ich einfach immer müde war, konnte ich immer wieder zu meiner Mutter „flüchten“, die ihn dann übernahm und mich schlafen ließ. Das war in dieser Zeit mehr wert, als alles Gold der Welt und eine #GestemeinerMutter, die mir damals meine Nerven gerettet hat.

Inzwischen ist über ein Jahrzehnt vergangen. Zum Teenager hat sich mein kleiner Tornado gesellt, die in all ihrer Energie und Lebensfreude einfach unsagbar anhänglich ist. Und auch hier ist es eine #GestemeinerMutter, für die ich dankbar bin: Sie versucht nicht mit gut gemeinten Ratschlägen an meinem Kind rumzuerziehen, sondern nimmt sie einfach so an, wie sie ist, lässt ihr Zeit und sieht und akzeptiert meinen kleinen Tornado samt ihrer Bedürfnisse. Da meine Mutter in einer ganz anderen, härteren Zeit groß geworden ist, wo die Bedürfnisse von Kindern oftmals nicht mal ansatzweise ernst genommen wurden, rechne ich ihr das hoch an.

Es sind so viele kleine #GestenmeinerMutter, die mich noch Jahrzehnte später glücklich lächeln lassen.

Am meisten aber liebe ich sie für die Tatsache, dass sie mir immer vermittelt hat, dass ich ein tolles Kind bin, das unendlich geliebt wird. Sie war und ist auch heute noch meine größte Vertrauensperson im Leben, bei der ich mich immer geborgen fühle. Bei ihr darf ich Kind sein, egal wie alt ich bin. Inzwischen greife ich ihr unter die Arme und helfe ihr bei den unterschiedlichen Herausforderungen des Alltags, dennoch ist sie gefühlt immer mein sicherer, starker Hafen. Diese bedingungslose Liebe, die ich von ihr (und auch von meinem Vater und meiner deutlich älteren Schwester) immer spürte, hat mir ein Grundvertrauen ins Leben gegeben, dass mich auch in den schwierigsten Situationen hält und mir eine Lebensfreude gibt, die mich trägt. Das ist das allergrößte Geschenk, das Eltern ihrem Kind überhaupt geben können. Es ist eigentlich so einfach und doch dürfen es so viele Kinder nicht erleben: Das Gefühl, das du von ganzem Herzen geliebt wirst.

Liebe ohne Ende. Für immer und immer und immer.

Das ist auch genau das, was mir beim Umgang mit meinen Kindern am wichtigsten ist: Ich will, dass sie ohne jeden Zweifel spüren, dass sie unendlich geliebt werden. Sie sollen an sich glauben, in sich vertrauen und wissen, dass sie immer einen sicheren Hafen voller Liebe haben, an dem sie anlegen können.

Auch hier fällt mir eine #GestemeinerMutter ein, für die ich unendlich dankbar bin: Die Liebe, die sie meinen beiden Kindern entgegenbringt. Es ist die Art Liebe, die auch ich von ihr spüre: bedingungslos und von ganzem Herzen. Es wird gespielt, vorgelesen, zugehört und verwöhnt. Ihre Oma ist für meine Kinder genau so ein sicherer Hafen, wie sie es für mich ist. Das merke ich besonders bei meinem Teenager, der sich schon sehr bewusst aussucht, was er beispielsweise in seinen Ferien machen möchte. Ein paar gemeinsame Tage mit seiner Oma gehören immer dazu. Und auch er bekommt manchmal Hasenstullen, während sie gemeinsam einen Vorabendkrimi gucken. Auch ihm wünsche ich so sehr, dass es eine genauso warme Erinnerung wird, wie sie es für mich ist.

Es sind tausende kleine und große #GestenmeinerMutter, die mich als Kind glücklich gemacht haben, die mir heute noch Kraft geben, mein Herz wärmen und zu dem starken Menschen machen, der ich bin, der sich geliebt fühlt, und der diese Liebe an seine Mitmenschen weitergeben kann. Alle diese Gesten kosten kein Geld. Sie benötigen nur Zeit, Zuwendung und die Fähigkeit, sich auf das eigene Kind einzulassen. Es sind #GestenderLiebe und es ist egal, ob sie von der Mutter, dem Vater, den Verwandten oder Außenstehenden kommen. Sie sind wichtig, um Kinder zu stärken, um sie an sich selbst glauben zu lassen und ihre Seele zum Tanzen zu bringen. Lasst uns alle #GestenderLiebe streuen – für unsere eigenen Kinder, für andere Kinder, für die kleinen und großen Menschen um uns herum.

Fühlt euch umarmt

Stefanie Kaste
About me

Stefanie lacht, lebt und liebt in Berlin zusammen mit ihrem Lieblingsmann, ihrem Teenager und ihrem kleinen Tornado. Als Familie erkunden sie die Welt, suchen nach dem Ende des Regenbogens und sind immer für neue Abenteuer zu haben. Stefanies Herzensthemen sind die (digitale) Bildung und Nachhaltigkeit, denn beides sind Kernthemen, um die Zukunft unserer Kinder positiv zu gestalten.

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4 Kommentare

Alexandra
Antworten 1. August 2018

So und zwar genauso werde ich nach besten Kräften versuchen meine kleine Tochter (5 Wochen jetzt) zu erziehen. Ich hatte das leider nicht und möchte es anders machen. Denn ich habe das gewünschteste Kind überhaupt.

Katja
Antworten 5. August 2018

Wundervoll geschrieben! Ich hatte leider auch keine solche Kindheit, aber jetzt mit meiner Tochter, heute 8, mache ich das auch so. Als Alleinerziehende ist man dabei noch mehr gefordert, denn die Zeit ist noch eingeschränkter und dabei ist es auch noch eine Zusätzliche Herausforderung dem dazugehörigen Vater nicht im schlechten Licht und Negativen gegenüber dem Kind zuzulassen.

Helena
Antworten 31. Juli 2019

Ich kann ganz genau nachfühlen, was Stefanie meint. Bei mir waren es auch weniger die Worte sondern eher die Gesten. Ganz besonders in Erinnerung habe ich da die Spiele-Abende mit meinem Vater und meinen sieben Brüdern im Herbst/ Winter. Denn nur dann hatte mein Vater die Zeit dazu, weil im Garten nichts zu tun war. An diesen Abenden war er ganz für uns da. Auch bei meiner Mutter habe ich ähnliche Erinnerungen. Wie sie mich zum Beispiel in ihre Hausarbeit integriert hat, anstatt mich mit einem "Lass nur, ich mach das schon" abzuspeisen. Ich durfte mit ihr im Sommer Marmelade kochen, Gurken einmachen, im Herbst mit meinen Eltern Sauerkraut selbst machen. Das hat mir immer ein sehr geborgenes Gefühl vermittelt. Das sich heute immer noch beim kochen von Marmelade einstellt. Eine besondere Erinnerung an meine Mutter ist, dass sie sich jeden Abend die Zeit genommen hat und mich in den Schlaf gesungen hat. Bei einem Zehn-Personen-Haushalt hätte sie bestimmt genügend andere Dinge zu tun gehabt, aber diese Zeit mit mir alleine war ihr wichtig. Bei meinem Sohn halte ich es heute auch genauso. Und wenn ich zum zehnten Mal an diesem Abend "Sankt-Martin" singen muss ;-)

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