Gewalt unter Kindern – ein natürlicher Entwicklungsprozess oder eine ernstzunehmende Sache?


Der Mensch ist nicht vollkommen – und Kinder schon gar nicht. Ich habe mir als junger Mensch, der gerade die Kindheit hinter sich gelassen hat, zum Thema Gewalt unter Kindern Gedanken gemacht.

Und ich habe mich gefragt, inwiefern das „nur“ Teil eines Entwicklungsprozesses ist –  oder doch etwas sehr ernstzunehmendes.

Kinder fangen bei 0 an. Was wir alles schon können, müssen sie erst lernen. Vom ersten Krabbeln bis hin zu einem angemessenen Umgang miteinander ist es aber noch ein langer Weg, der sich über Jahre streckt. Bei einigen dauert es länger, bei anderen weniger. Und bei manchen ist dieser Weg sehr holprig.

Schlägerei in der Kita.

Neulich erreichte uns die Frage einer Leserin, die davon erzählte, wie ihr Kind im Kindergarten von anderen geschlagen wurde. Ihr gabt im Blog und bei Facebook wunderbare Tipps dazu. Ich wiederum musste an die Kinder denken, die in einer Gruppe ein anderes Kind einfach verletzten. Hier ein kurzes Zitat von der Mama:

„Er wird herumgeschubst, geschlagen und das findet oft in der Turnhalle statt. Dann wird von seinen angeblichem Freund die Tür zugehalten damit die anderen zwei auf ihn einschlagen, schubsen und ihn auf den Boden werfen können!“

Ganz schön heftig, dachte ich mir. Ich las den Kommentar von Rike Renz und musste ihr sofort zustimmen: „Was sagen die Erzieherinnen dazu? Hier muss reagiert werden und das schleunigst! Das ist kein Rangeln und Raufen, das ist Bullying gegenüber einem Schwächeren, vor allem da sich mehrere geplant zusammentun und Deinem den Ausweg versperren.“

Ist Gewalt irgendwann zu viel?

Ich frage mich, ob ab einem bestimmten Zeitpunkt die Alarmglocken klingeln sollten. Da ich selbst noch keine Kinder habe, tue ich mich oft schwer damit, zu wissen, was „normal“ ist und was nicht. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob die Phase bei meinem 3-jährigen Babysitterkind (der momentan auf Pistolen und Kämpfe steht) ein ganz natürlicher Prozess der Entwicklung ist, oder nicht. Schließlich beunruhigt es mich manchmal, wenn ich ihm dabei zuschaue, wie er so tut, als würde er sein Kuscheltier peinigen.

Und das Schlagen in der Kita finde ich schon fast ein Level höher. Dass einer die Tür zuhält, damit niemand ihn und seine Gruppe sieht, wie sie ein anderes Kind verprügeln, lässt sich für mich kaum in Worte fassen.

Sind Kinder einfach so?

Viele Kinder sind rau. Meine Eltern erzählten mir, dass ich selbst nicht immer ein Engelchen war. Es gibt ein ganz peinliches Foto, wie eine 4-jährige Mounia ihrer 2-jährigen kleinen Schwester in den Kopf beißt! In den Kopf! Ist das nicht völig irre? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich meinem geliebten Schwesterchen bewusst wehtun könnte. Aber ich war eben ein kleines Kind, damals. Vermutlich war ich eifersüchtig und wurde dann „bissig“. Eine andere Frage ist, warum ausgerechnet in diesem Moment ein Foto gemacht wurde…

Fakt ist für mich, dass ich der festen Überzeugung bin, dass Gewalt insbesondere im jungen Alter sehr prägend für Kinder ist. Das sieht man schon an unserem Beispiel mit dem Jungen:

„Er ist sehr sensibel, aber seit ca. 2 Wochen schlägt er seinen kleinen Bruder immer mal wieder. Ich denke mal, um Dampf abzulassen.“

In der Kita wird er geschlagen und nun schlägt er jemand anderen. Diese Entwicklung muss nicht passieren, aber sie tut es gelegentlich doch (zum Glück beißt meine Schwester niemandem in den Kopf!).

„Die Grenze ist erreicht wenn Kinder leiden. Hier ist das der Fall.“

Dieses Zitat stammt von Jörg Lindner und ich kann mich ihm nur anschließen. Das Kind wurde von den anderen in der Kita regelrecht gemobbt. Ich würde sogar das Wort Misshandlung in den Mund nehmen. Denn das ist es. Eine unangemessene Quälerei.

Maßnahmen gegen Gewalt unter Kindern.

Kinder sind eben Kinder. Man kann nicht von ihnen erwarten, dass sie alles alleine auf die Reihe kriegen und umgehend lernen müssen, sich zu wehren. „Ich pflege in solchen Situationen eine Nulltoleranz-Politik. Bei Handgreiflichkeiten wird umgehend mit den Kindern gesprochen. Es gibt auch eine Info an beide Elternteile.“, so Kathi Van Fuchsi.

Bea Luisa Schramm erzählt von den Erfahrungen durch ein neues Medium der Streitschlichtung: „Unser Kita-Erzieher hat damals einen Box-Ring aufgebaut, Regeln erklärt und ‚richtiges‘ Kämpfen eingeführt. Durch die klaren Strukturen und Regeln mit Kinderboxhandschuhen, nahm das den anderen Streitereien den Wind. Es wurde viel weniger gekämpft. Und wenn, dann fair.

Zum Schluss noch eine Buchempfehlung von Beate Klinge: Es gibt ein wunderschönes Buch zu diesem Thema: Mit dem spiel ich nicht. Es geht um ein Kind, was körperlich angegangen wird und deswegen nicht mehr in den Kindergarten will aber sich eben auch nicht traut die Erwachsenen um Hilfe zu bitten.“

Noch ein letzter Tipp von mir:

Wenn das Kind der Schläger ist, würde ich als ErzieherIn oder Elternteil ganz ruhig versuchen herauszufinden, warum er oder sie so aggressiv gegenüber jemand anderen ist. Hat es das abgeguckt oder ist der Grund ein ganz anderer?

Was meint ihr als Eltern? Sehe ich das  als Nicht-Mama zu „streng“? Bin ich zu voreingenommen? Oder habe ich etwas ganz wichtiges vergessen? All eure Meinungen sind mir herzlich willkommen!

Hier nochmal der ursprüngliche Beitrag:

Mein Kind wird von anderen Kindern in der Kita geschlagen – was tun?

Liebe Grüße,

Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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7 Kommentare

N
Antworten 12. Mai 2018

Hallo Mounia,
ich bin für „null Toleranz“. Es gibt spielerische Rangeleien, aber bis jetzt fand ich, dass die sich a) deutlich unterschieden von ungleichen Übergriffen/Gewalt und b) genau wie bei Sex gilt: „Nur ein Ja ist ein Ja.“ Sobald es keine aktive Zustimmung, Mitmachen, lustiges Lachen o.ä. eines Kindes gibt, oder ein Kind gar weg will oder weint, muss sofort Schluss sein. Oft höre ich, dass Kinder lernen müssten „sich zu wehren“, aber meist ist es halt kein fairer, sportlicher Wettkampf, sondern Gewalt als Konfliktlösungsmittel. Früher gab es solche Kampagnen wie „Worte statt Fäuste“. Als Stärkere_r muss man lernen, dass Gewalt trotzdem keine Option ist, da jede_r das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat. Auch jedes Kind.

    Mounia
    Antworten 13. Mai 2018

    Danke für deinen Kommentar! Ich stimme dir da absolut zu! Keinem Kind sollte etwas ohne seine oder ihre Zustimmung angetan werden! Ich finde auch, dass es Kinder nicht auf die "harte Tour" lernen müssen .
    Ganz liebe Grüße, Mounia

    Marina
    Antworten 16. Mai 2023

    Wir sind gerade auch in solch einer Situation. Unser Sohn ist schon gestört, kauert seine Finger blutig , will nicht raus , ärgert auf einmal seine Schwester. Doch im Kindergarten sieht es keiner ein und können nichts machen . Hinzu will sogar das Jugendamt , dass unser Sohn weiterhin zu Diesem Kindergarten geht. Er selbst sagt , dass er Angst hat und nicht mehr will. Er ist sehr sensibel und freut sich über die kleinsten Kindern. Wir telefonieren mit jeglichen Leuten und haben auch schon Kinder Psychologen angerufen. Wir wissen einfach nicht mehr weiter , zum teils habe ich das Gefühl, dass wir ärger bekommen , da wir unseren Sohn nicht mehr da hin bringen möchten zum Schutz . Da Er so wieso nach dem Sommerferien zur Schule geht. Was können wir nur machen ? Wir sind ratlos und leiden mit unseren Sohn mit .

Manuela
Antworten 23. Mai 2018

Hallo Mounia, wenn die Erziehrinnen in der Kita das Kind nicht ausreichend schützen und er immer wieder diesen Übergriffen ausgesetzt ist, dann sollte die Mutter sich Unterstützung bei der Kitaaufsicht holen. Die sind meistens im Jugendamt angegliedert, in Berlin in der bezirklichen Kindertagesbetreuung oder in der Senatsverwaltung für Bildung und Familie. D
ie Kitas haben den gesetzlichen Auftrag, die Kinder zu schützen und nach den Beschreibungen der Mutter tut diese Kita das nicht ausreichend. Die Kitaaufsicht kann hier vermitteln und der Kita Lösungswege aufzeigen.

Alena
Antworten 2. Juli 2021

Hallo, um deine Frage zu beantworten ob du das übertrieben siehst oder nicht, ich bin eine Mutter von einem 5 jährigen Sohn, der in der Kita ebenfalls darunter leidet dass andere Kinder schubsen und schlagen und er das auch abbekommt. Und auch ich finde dass es wichtig ist wenn ein Kind darunter leidet, was mein Sohn tut, auch er hat Bauchschmerzen und möchte nicht mehr in den Kindergarten gehen, das spätestens an dem Punkt die Erwachsenen eingreifen und den Fokus bewusst noch mal dahin zurückgeführt sehen für einen Umgang miteinander statt gegeneinander zu sorgen und unterstützen Leid aufzulösen. Hierbei ist meiner Erfahrung nach zielführend aus welchem Grund das Gewalt-volle Verhalten gegeneinander entsteht. Warum ein Kind gewaltvolle Handlungsweisen nutzt um sich seine Wünsche zu erfüllen. Denn meiner Erfahrung nach verletzen verletzte Menschen andere Menschen was in dem Fall bedeutet, dass dieses Gewalt anwenden Kind verletzt ist durch etwas was es erlebt hat. Oder es eben in seinem sozialen Umfeld Gewalt als akzeptierte Strategie kennengelernt hat z.b. durch Strafendes herabsetzendes Verhalten von Erwachsenen. Es ist eine Information oder ein Hilferuf der in dem Alter noch nicht verbalisiert werden kann. Im Kindergartenalter ist das Gefühl jetzt da und wird jetzt aus agiert. Wir Erwachsene haben den Auftrag Kinder darin zu begleiten einen Lösungsweg zu finden der für mehr miteinander sorgt zumindestens ist das mein Ziel, da ich Interesse an einem lösungsorientierten miteinander in der Gesellschaft habe. Zum Spiel mit den Waffen: es ist eine wunderbare Möglichkeit Wut Energie herauszulassen im Spiel wo kein Lebewesen verletzt wird. Wie ein Ventil bei einem Dampfdruckkochtopf . Lachen wirkt heilsam und Druck lösend. Mit weniger Druck im Inneren fällt es Menschen leichter freundlich im Umgang miteinander zu bleiben. Kreativ andere Wege zu finden oder anzunehmen. Alte aufgestaute Energien mischen sich dann nicht in den aktuellen Konflikt. So ist Spiel zb mit puppen, Kissen, oder was für Platzhaltern / Symbolen auch immer eine Möglichkeit innere, auch alte, Konflikte auszuagieren, mit der Energie der in unserer Gesellschaft als problematisch bewerteten Gefühle Lösungen zu erarbeiten denn dafür ist die Energie in uns aktiv. Im Spiel ohne die auslösende Person kann das geschehen ohne jemand anderen mit der Konfrontation zu überfordern. Dies gild auch für uns Erwachsene. Immerhin wurden wir alle erzogen und sind angepasst daran uns für dieses Energie Kuddelmuddel dann irgendwie verantwortlich zu fühlen.. wir haben alle gelernt von unserem Sozialem Umfeld abgelehnte Gefühle zu unterdrücken und können daher oft nicht frei und natürlich mit ihnen umgehen. Wir alle haben noch Gift und Galle in uns von alten Konflikten wo wir die Gefühlsenergie in uns gefressen oder so ausagiert haben, das wir negative Erfahrungen gesammelt haben. Spiel hilft uns das zu lösen. Lösen wir die Energie nicht bleibt sie in uns stecken und richtet sich irgendwann gegen uns. An dem Punkt war/bin ich und wachse Grade in einen gesunden Umgang mit diesen Energien/Gefühlskräften. Buchempfehlung: spielen schafft Nähe, Nähe löst Konflikte von Aletha J. Solter.
Gewaltfreie Kommunikation von Dr Marshall Rosenberg ist da auch noch interessant. Hier wird eine innere Haltung vorgestellt die ermöglicht die Bedürfnisse, den Grund hinter dem Verhalten zu finden. Was dann im Raum des Verständnisses die Freiheit schafft eine passendere Strategie, ein weniger schaden und Schmerzverursachendes Verhalten zu entwickeln um für die Erfüllung seiner Wünsche und Bedürfnisse zu sorgen. Diese Einstellung hat mir ein weit positiveres Lebensgefühl beschert. Es befähigt mich mit mir selbst Liebevoller umzugehen und gibt so den Raum neue zu mir passende Wege zu finden und weniger auf mir herumzuhacken wenn ich Mal wieder anders Handel als ich es will😉

Anna
Antworten 1. Dezember 2022

Hi ich bin eine betroffene Mama und auf der Suche nach Lösungen auf deinen Blog geraten. Mein 4 jähriges Kind wurde von einem anderen Kind bereits ins Gesicht getreten mit dem Stiefel, auf die Haare gestiegen, die Stufen runtergestoßen. Die Erzieherinn reagiert null oftmals sagt sie gar nichts oder dass sie eben nicht alles im Blick haben und die Mutter die ich ansprach bagatelisiert es total. Es gab bereits Schürfwunden am Rücken und eine Platzwunde am der Lippe. Ich finde es weit entfernt von " beim toben" ich finde das so traurig das man nicht reagiert weil wir in einem Kindergarten sind wo der Status der Familie im Ort zählt und dadurch bewusst weggesehen wird.

Marina
Antworten 16. Mai 2023

Wir sind selbst auch betroffen. Nach Lösungen im Kindergarten wird nicht geschaut und die Kinder würden es alles verneinen. Unser Sohn ist komplett zurück geworfen worden , er hat Angst , kauert auf seine Fingernägel, die Finger sind schon eitrig und blutig . Erzählt andauernd wo er im Gesicht geschlagen worden ist. Will überhaupt nicht mehr raus und hat Angst. Das Jugendamt besteht weiterhin darauf , dass unser Sohn in dem Kindergarten geht , obwohl der Kinderarzt gesagt hat , dass wir Ihn erstmal wieder aufbauen müssen. Und selbst er meint auch , dass wir unseren Sohn aus dem Kindergarten lassen. Jetzt haben wir schon beim Kinder Psychologen angerufen. Und hoffen auf Unterstützung. Wir möchten ihn draussen lassen, da er nach den Ferien sowieso auf die Schule kommt. Jugendamt meint nur aber das beste für die Kinder ist nun Mal der Kindergarten, bezüglich auch der Förderungen. Nur das Er schon schaden davon trägt sehen sie nicht ein. In der Grundschule würde ja erst schlägereien anfangen , laut der Kita Leitung. Wir leiden mit ihm schon , die träume sind unschön und sein Herzliches lachen vermissen wir auch. Wir sind ratlos und haben das Gefühl, dass wir schon ärger bekommen , da wir unseren Sohn raus lassen. Wir wissen einfach nicht mehr weiter. Uns tut es in der Seele weh und das so viele Kinder sowas durchmachen müssen um so mehr. Irgendwie auch etwas erleichtert, dass wir nicht die einzigen sind mit derartigen Probleme und noch trauriger das , dass Jugendamt und die Kita nichts macht.

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