Wenn jede Faser nach Hilfe schreit – mit Kindern über Depressionen reden


Vor längerer Zeit, spät in der Nacht, ging es Nina, alias Frau Papa, schlecht. Zwei Tage später hat sie aufgeschrieben, wie sich ein depressiver Schub anfühlt – und wie man überhaupt über Depressionen mit Kindern reden kann. Übrigens, Nina lebt mit Frau und Kindern in einer Patchworkfamilie. 

Und hier erzählt Nina:

Es ist fast Mittag und trotzdem ist es dunkel. Seit Tagen ist es vor dem Fenster nur grau. Meiner Stimmung tut die Dunkelheit nicht gut. Heute schreibe ich einen sehr persönlichen Text und es fällt mir schwer, Worte zu finden.

Über Depressionen spricht man nicht

Natürlich spricht man über die Krankheit und wie furchtbar sie ist, aber wenn man selbst an Depressionen leidet, spricht man nicht darüber, zumindest niemals öffentlich. Guten Tag, mein Name ist Nina, ich bin 44 Jahre alt und leide an Depressionen. Während ich diese Zeilen schreibe, versuche ich, nicht in Tränen auszubrechen, weil meine Gedanken und Gefühle gerade Achterbahn fahren. Dabei habe ich den Tiefpunkt schon überwunden. Vor zwei Tagen hatte ich einen… wie sage ich das nun?

Ich hatte einen Punkt erreicht, von dem aus ich keine Hoffnung, keine Perspektive, kein Licht mehr sehen konnte. An diesem Abend stürzte ich wegen einer Kleinigkeit in ein tiefes emotionales Loch. Wie tief dieser Zustand war, kann ich nur schwer beschreiben. Ich war jenseits aller Vernunft am direkten Weg in eine Sackgasse. Aber darüber spreche ich nicht öffentlich. Denn ich hab schon genug Erfahrungen sammeln dürfen, wie Menschen auf Kraftlosigkeit, Schwäche und Depression reagieren. Sage ich dann noch, dass ich nicht mehr leben will (selbst, wenn ich klar stelle, dass ich mir nichts antun will, aber eben den Gedanken habe: nicht mehr leben wollen), dann erfahre ich kaum Hilfe.

Zugegeben, es ist schwer, mir zu helfen, wenn ich jeden Vorschlag abblocke, jede Kritik persönlich gegen mich nehme und jeden Gedanken dunkelgrau färbe. Es ist schwer, mir zu helfen, wenn ich mich wegdrehe, während ich eine Umarmung bräuchte, wenn ich schreie und heule, wenn ich in Selbstzweifel verglühe und in unbegründbarer Traurigkeit versinke. Und bevor jetzt tausend Vorwürfe auf mich einprasseln: Ich bin in ärztlicher Behandlung und medikamentös so eingestellt, dass ich meistens stabil bin. Außerdem habe ich gelernt, den Notruf wirklich auch zu nutzen und in die Klinik zu gehen. Ich bin zwar depressiv und habe dadurch auch Suizidgedanken, aber ich bin nicht lebensmüde – nicht einmal während einer akuten Krise.

Psychisch krank zu sein, ist noch immer ein Tabu

Depressionen erklären, ist schwer – eigentlich ist es unmöglich. Wer den Zustand nicht kennt oder selbst erfahren hat, kann nicht verstehen, wie auf einmal alle Hoffnung schwindet. Ich kann nicht erklären, was in diesem Zustand genau passiert, warum das Leben an sich auf einmal eine Belastung ist. Was ich sagen kann: Ich habe Depressionen seit meiner frühen Jugend und habe gelernt darauf zu reagieren. Egal, wie sehr meine Gedanken mich in eine Isolation drängen wollen, ich suche Hilfe. Aber das ist gar nicht so leicht.

Wenn die Spirale aus Selbsthass und Selbstmitleid einmal rotiert, bin ich alles andere als umgänglich. Die Kommunikation ist egozentrisch, negativ und einseitig. Alles, was zu mir gesagt wird, nehme ich persönlich und gegen mich. Nichts ist richtig, nichts ist gut, nichts hilft und dennoch schreit jede Faser meiner Seele nach Hilfe – oftmals unfähig, diese anzunehmen.

Nun, zwei Tage nach dem Absturz, der mich beinahe in eine psychiatrische Klinik gebracht hätte, sitze ich da und schäme mich, weil ich weiß, welche Belastung ich für meine Familie darstelle. Meine Frau bekommt meistens die direkte Wucht meiner Emotionen ab. Das ist schon nicht leicht zu ertragen, aber auch meine Kinder spüren, dass es mir nicht gut geht. Am Tiefpunkt einer psychischen Krise kann ich nicht verstecken, wie es mir geht.

Wie gehe ich mit meinen Kindern und dem Thema Depression um?

Ich will nicht, dass meine Kinder meine Depressionen sehen. Am liebsten würde ich diesen Zustand komplett verbergen. Wenn ich nicht stark sein kann, will ich mich verstecken und verkriechen. Ich will meine Depressionen nicht zeigen und ich will sie nicht haben. Wie schön wäre eine Welt, in der es diese Krankheit nicht gäbe. Leider gibt es sie und ich habe sie… Und damit ist Depression auch Thema in der Familie.

Ich weiß, dass meine Kinder sehr wohl mitbekommen, wenn es mir schlecht geht. Ob sie die Tiefe meiner Depressionen verstehen können, weiß ich nicht. Wenn sie mich fragen, was los ist, versuche ich, ehrlich zu antworten. Dabei muss ich nicht den ganzen Weltschmerz erklären. Ich erkläre ihnen, dass ich sehr nachdenklich und traurig bin. Mein mittlerer Sohn stellt dann oft sehr konkrete Fragen – worüber ich den nachdenke, warum ich traurig wäre und ob ich mit ihm spielen würde. Er ist sehr einfühlsam und versteht es, mich auf andere Gedanken zu bringen. Mein Kleinster kuschelt sich oft einfach an mich. Meine Kinder gehen mit mir so um, wie ich sie tröste, wenn es ihnen nicht gut geht.

Kann ich nicht wenigstens für meine Kinder so tun, als wäre alles in Ordnung?

Mit ansehen zu müssen, dass es einem geliebten Menschen nicht gut geht, ist eine Belastung. Niemand will das seinen Kindern antun. Dass ich einen Teil meiner Gefühle auch dann zeige, wenn ich keine Kraft mehr habe, hat mehrere Gründe:

  • Schweigen hilft niemanden. Auch eine unsichtbare Depression ist eine Depression und leider lebensgefährlich. Meine Gefühle könnten sich in aller Ruhe hochschaukeln und niemand wüsste, was los ist.
  • In der Krise brauche ich Hilfe von außen. Wenn ich meinem Umfeld sage, dass es mir nicht gut geht, kann es darauf reagieren. Wenn ich alleine keinen Ausweg mehr finde, habe ich Menschen, die mir zur Seite stehen.
  • Meine Kinder sollen lernen, dass auch sie zeigen dürfen, wie es ihnen geht – besonders, wenn es ihnen nicht gut geht. Niemand ist immer stark und immer gut gelaunt. Meine Kinder sehen, dass auch Schwäche und Kraftlosigkeit normal sind. Sie sehen mich nicht nur am Tiefpunkt, sie sehen genauso, wie ich wieder Kräfte sammle. Ich zeige ihnen nicht nur das Tief, sondern auch, dass es Wege heraus gibt.

Ja, ich leide an Depressionen.

Ja, ich schäme mich dafür.

Ich habe zu oft erlebt, dass Menschen in akuten Krisen nur noch einen Ausweg sahen und das will ich niemals machen. Meine Familie ist der Hauptgrund, warum ich gegen meine Depressionen kämpfe – immer und immer wieder.

Nina,

alias Frau Papa

Nachwort von Béa: Das Thema Depressionen gehört nicht vordergründig in einen Kreativblog, hat aber mit Bildung, Erziehung und Familienthemen mehr zu tun, als viele es wahrhaben wollen. Es gibt unzählige Familien, die mit Depressionen umgehen müssen, und sehr viele Kinder, die es mitbekommen, abbekommen und damit klar kommen müssen. Je mehr wir darüber reden, desto weniger allein fühlen sich die Betroffenen. Ich will meinen Teil beitragen, dass dieses Thema enttabuisiert wird und wir alle in Familien, Schulen, Kitas über das reden, was Depressionen sind: Eine Krankheit, keine Macke. Ich bin euch dankbar, wenn ihr diesen Text teilt. Und ich bin dankbar, wenn ihr kommentiert und mitteilt, wie ihr mit Kindern über Depressionen redet. 

Schaut bitte auch hier vorbei:

Papa´s Psyche hat Schnupfen – nein Grippe

Schnupfen im Kopf – mit Kindern über Depression reden

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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22 Kommentare

Maria
Antworten 19. Dezember 2016

Danke für diesen Beitrag. Ich war auch vor ein paar Wochen in einem Schub (vier Wochen daheim und nun auf Medikamenten) und genau so fühlt es sich an. Mein Freund kann zum Glück super damit umgehen, er hält mich einfach nur und wenn ich auf dem Boden liege und nicht mich ins Bett legen will statt dessen, bringt er mir eine Decke, damit ich nicht so friere...
Mein Sohn ist knapp fünf Jahre alt und bekommt es leider auch mit. Ich sage dann, dass ich traurig bin und betone, dass ich ihn lieb habe und zwar immer.
Als er mich letztens beschrieben hat, meinte er, ich sei "manchmal traurig, manchmal sehr hungrig, manchmal fröhlich, manchmal weine ich und manchmal knurrig". Das ist ganz in Ordnung so.
Meine Mutter hatte seit meiner Geburt Depressionen und hat mit mir erst darüber gesprochen, als ich 17 war. So ist es besser.

    beabeste
    Antworten 20. Dezember 2016

    Ja, ich glaube auch, dass es besser ist, offen - aber nich zu belastend - damit umzugehen. Vielen lieben Dank, dass du das hier schreibst! Liebe Grüße, Béa

    Nina Jaros
    Antworten 20. Dezember 2016

    Hallo Maria,

    Danke, dass du deine Erfahrungen hier teilst. Ich bewundere dich, dass du es schaffst, hier darüber zu schreiben. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.

Viola
Antworten 19. Dezember 2016

Vielen Dank für diesen sehr guten Artikel. Er spricht mir aus der Seele. Auch ich gehe mit meinen traurigen Tagen meinen Kindern gegenüber offen um. Ich erkläre, dass ich momentan erschöpft und traurig bin, dass es mir aber bald wieder besser gehen wird. Meine Kinder sind 6 und 2 Jahre alt.

    Nina Jaros
    Antworten 20. Dezember 2016

    Hallo Viola,

    Kinder zu zeigen, was du empfindest und deine Gefühle zu benennen, hilft ihnen. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute für die Zukunft.

Anna Bloch
Antworten 19. Dezember 2016

Ich gehe eigentlich meiner Umwelt gegenüber recht offen mit meiner Depression um. Aber von meinen Kindern versuche ich es so gut wie möglich fernzuhalten. Natürlich gelingt mir das gerade in schlechten Phasen mehr schlecht als recht. Und wenn meine tiefe Traurigkeit mich nicht mehr losässt und ich auch vor meinen Kindern meine Tränen nicht mehr verbergen kann, versuche ich ihnen zu erklären, dass jeder manchmal traurig ist und dann auch weinen darf, auch eine Mama:) Ich fühle mich schuldig meinen Kindern gegenüber und habe Angst, sie durch meine Depression negativ zu beeinflussen. Doch wirklich erklären kann ich es ihnen nicht. Es ist ja schon für Erwachsene sehr schwer zu begreifen, wie sich Depressionen anfühlen, wie ohnmächtig man diesen alles verschlingenden, schwarzen Gefühlen ausgeliefert ist,wie sollen es da die Kinder verstehen?

    beabeste
    Antworten 20. Dezember 2016

    Sehr gut reflektierte Antwort, liebe Anna, Danke dafür. Liebe Grüße, Béa

    Nina Jaros
    Antworten 20. Dezember 2016

    Hallo Anna,

    Ich bewundere deinen Umgang mit deinem Depressionen, deinen Kindern und mit dir selbst. Ja, es ist schwer, Depressionen zu erklären und besonders, das den eigenen Kindern zu vermitteln. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft,

Franziska
Antworten 20. Dezember 2016

Vielen Dank für deinen Bericht. Das macht Hoffnung für eventuelle eigene Kinder

Paleica
Antworten 20. Dezember 2016

ich denke auch, dass darüber reden enorm wichtig ist und die einzige möglichkeit, dieses immer noch vorherrschende tabu, eines tages zu brechen. ich finde es bewundernswert, dass du es geschafft hast, so damit umzugehen, dass du weißt, wann du hilfe brauchst und dass du es schaffst, sie dir zu holen. das ist eine große leistung für diese krankheit.

Tanja Liebl
Antworten 24. Dezember 2016

Vielen Dank für diesen Beitrag und dass Ihr diesen veröffentlicht habt.
Auch wenn es ein bedrückendes Thema ist. Es muss es mehr raus in die Öffentlichkeit!
Es gibt so viele Frauen mit Kindern, die an Depressionen leiden und jeden Tag auf's Neue kämpfen, sich schämen und sich um ihre Kinder Sorgen.
Niemand sollte sich für eine Krankheit schämen müssen!

Ich bin Hebamme und arbeite mittlerweile mit vielen Frauen, die von emotionalen Krisen rund um's Kinderkriegen betroffen sind.

Und es gibt viele, aber keiner redet darüber!

    Amy
    Antworten 3. Juli 2017

    Das habe ich leider auch festgestellt. Das Frauen nicht darüber sprechen - deshalb mache ich den Mund auf und rede, auch wenn es sich merkwürdig anfühlt. Ich gehe recht offen mit meiner (Schwangerschafts)Depression um, denn es macht mich irrsinnig wütend, dass das immer noch so ein Tabu ist!

MaDe
Antworten 31. Dezember 2016

DANKESCHÖN für diesen sehr guten Artikel. Habe in auch schon mehrfach geteilt.
Er spricht mir aus der Seele und mir kamen die Tränen beim lesen - weil ich mich so sehr wiederfand in den Worten
Auch ich gehe mit meinen Kindern gegenüber offen dsmit um und versuch zu erklären, dass ich momentan erschöpft und traurig bin, dass es mir aber bald wieder besser gehen wird. Ich beschreibe das wie einen Ball, der nach langer intensiver Behandlung einfach die Luft raus hat. Und es dauert eine Weile bis er wieder voll einsatzfähig ist.
Meine Kinder sind 8 und 6 Jahre alt.

    beabeste
    Antworten 31. Dezember 2016

    Du Liebe, Dankeschön! Fühle dich einfach unbekannterweise umarmt! Liebe Grüße, Béa

Corrie Phäe
Antworten 27. Juni 2017

Ich kann jede Zeile nachempfinden und kämpfe mit den Tränen. Ich leide seit der Geburt unseres ersten Kindes an Depressionen. Angefangen hat es mit einer 18 Monate lang nicht erkannten Wochenbettdepression. Seither geht es bergauf, aber auch bergab.
Ich habe 3 Jahre nach Beginn beschlossen mich NICHT mehr dafür zu schämen! Soll jeder denken was er mag. Wenn ich jetzt auch noch schweige, gehöre ich nur zu denen, die es zum Tabu erklären.
Anfangs hatte ich gehofft bald wieder gesund zu sein. Und damit habe ich mich nur unter Druck gesetzt und war jedes Mal am Boden zerstört, wenn wieder eine schlimme Phase kam.
Erst als ich mir eingestanden habe, dass Depressionen ein Teil von mir sind, kann ich sie besser ertragen.
Trotzdem sind sie schlimm; diese Phasen, in denen alles grau und zäh ist. Es gibt keine Freude, keine Trauer. Es ist alles eine dumpfe Gefühlssuppe. Es fühlt sich alles egal an. Nichts bereitet mir Freude. Ich könnte im Lotto gewinnen und es würde sich für 5 Minuten gut anfühlen und dann wäre es wieder egal. Das Aufstehen fällt mir unendlich schwer. Ich kann mich kaum aufraffen die Waschmaschine anzustellen. Und obwohl ich 23 Stdn. am Tag schlafen könnte, kann ich nicht einschlafen. Im Kopf kreisen die Gedanken unaufhörlich. Immer schneller und schneller. Bis ich das Gefühl habe, die Gedanken seien die Kugel in einem Flipper.
Und dann sind da die Gedanken, dass ich nicht mehr mag. Es macht alles keinen Sinn. Ich bin erschöpft - buchstäblich lebensmüde. Ich überlege wie es wohl wäre einzuschlafen und einfach nicht mehr aufzuwachen. Ich sitze im Auto und überlege was wäre, wenn ich einfach das Steuer rumreißen und gg einen Betonpfeiler krachen würde. Alles rein THEORETISCH! So absurd es klingt: ich habe NIE mit dem Gedanken gespielt meinem Leben wirklich ein Ende zu setzen!
Ich quäle mich durch diese Phasen und habe eine fast übermenschliche Unterstützung durch meinen Mann!
Ich liebe meine Kinder über alles! Und allein der Gedanke, sie könnten ohne ihre Mutter aufwachsen müssen ZERREIßT mir das Herz!
Ich bin seit der Diagnose in psychiatrischer, und zeitweise auch psychologischer Behandlung und medikamentös gut eingestellt.
Ich kämpfe....weiter und weiter und weiter....

Chichi
Antworten 28. Juni 2017

Leider erkenne ich mich in jedem Wort wieder. Jede Zeile von Corri Phäe könnte von mir sein.
Meine Große (8 J.) will schon sehr viel wissen und ich versuche es ihr so offen es geht zu erklären, was gar nicht leicht ist, denn das Warum verstehe ich ja selber nicht. Die Kleinen mit 5 bekommen mehr mit als man denkt und ich versuche auch hier Erklärungen zu finden. Wichtig ist mir vor allem ihnen immer wieder klar zu machen, dass sie nicht schuld sind und ich sie liebe.
Allen Betroffenen wünsche ich viel Kraft, Mut und Geduld!

Arlette
Antworten 30. Juni 2017

Es ist so wichtig, dass dieses Thema enttabuisiert wird. Es ist wichtig, dass die Kinder depressiver Eltern entlastet werden, dass sie nie auf die Idee kommen, der Zustand des Elters sei irgendwie ihre Verantwortung, Zuständigkeit oder gar Schuld. Ich lese mich aktuell kreuz und quer durch diverse (Kinder-)Bücher zum Thema, da wir für uns und unsere Kinder (geboren 2009, 2011, 2013 und 2015) einen guten Umgang mit der Krankheit suchen. Und ich blogge selbst immer wieder mal zum Thema.
Mein vordringlichstes Anliegen ist, dass meine Kinder niemals meinen, sie wären irgendwie "schuld" daran, wenn die Dame in schwarz vorbeikommt für einen kurzen oder längeren Besuch, aber ein Buch zum Thema, was mich wirklich überzeugt, habe ich noch nicht gefunden. Ich sehe es zwiespältig, wenn die Kinder den kranken Elter trösten. Das ist und kann und darf nicht ihre Aufgabe sein, das ist eine Rollenumkehr, und die finde ich letztlich nichtmal für einen kurzen Moment in Ordnung, denn es gibt Kinder, die sich dann Verantwortlichkeiten anheften, die ihnen wirklich nicht zukommen sollen.
Wie gut, wenn dieses Thema nicht mehr totgeschwiegen wird.

    Béa Beste
    Antworten 30. Juni 2017

    Danke, liebe Arlette, für diese Gedanken! Das Thema "Den Kindern keine Schuld aufbürden" ist sehr, sehr wichtig - nicht nur im Zusammenhang mit Depressionen...

Amy
Antworten 3. Juli 2017

Danke fürs Verlinken Bea! Und dir, Nina, danke für deinen Brief und deinen Mut. Es ist nicht einfach, darüber zu reden, ich weiß das. Das ich es dennoch so offen tue, ist kein Mut von mir, sondern Trotz. Reiner Trotz. Frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" knalle ich jedem, der fragt, mittlerweile recht emotionslos meine Diagnose vor die Füße. Wer nicht bleibt, hat in meinem Umfeld nichts verloren, denn ich brauche Unterstützung, keine Kopfschüttler.

2007 wurde bei mir Depression diagnostiziert. Und es fühlt sich genauso an, wie ihr es alle beschreibt - endlose graue Tage, alles ist wie in dicken Nebel gepackt, in mir ein schwarzes Loch ohne Boden, was alle positiven Gefühle einfach aufsaugt und nichts übrig lässt. Damals habe ich Medikamente genommen und eine Therapie gemacht. Ich dachte, ich sei geheilt - aber wirklich los wird man die Dementoren nie. Immer lauern sie auf ihre Chance. Aktuell bin ich mit dem zweiten Kind schwanger, meine Hebamme vermutet eine Schwangerschaftsdepression. Ich gebe ihr recht - tatsächlich vermute ich mittlerweile eine verschleppte Wochenbettdepression aus der Zeit mit dem ersten Kind. Der "Große" ist jetzt 3,5 Jahre alt und macht sich so seine Gedanken. Ich versuche, es ihm möglichst neutral zu erklären, frage nach, ob er denkt, er habe Schuld, denn natürlich ist es nicht so. Er hat aktuell mehr Sorge, dass das "Gefühlsmonster" auch zu ihm kommt und seine Gefühle klaut - ich versuche so gut es geht, seine Sorgen zu zerstreuen. Und ich sorge dafür, dass ich nicht (lange) allein mit ihm bin, solange ich im aktuellen Schub bin. Mein Umfeld weiß Bescheid, ich gehe relativ offen damit um. Bei meiner Recherche habe ich gemerkt, dass gerade Schwangerschaftsdepression ein großes Tabu ist - eine Frau liebt doch schließlich das Baby in ihr, nicht wahr? Es macht mich unheimlich wütend, dass das so tabuisiert wird - denn zur Depression an sich kommt dann bei Betroffenen noch die Scham und das Allein fühlen. Deshalb spreche ich offen darüber. In meinem Umfeld, aber auch im Blog und bei Twitter - gegen das Tabu.

    Béa Beste
    Antworten 4. Juli 2017

    Liebe Amy, ganz großen Respekt und Bewunderung für dich! ich glaube, deine Kommunikationskraft ist dein Weg zur Heilung... Ich sprach gerade heute mit Freunden über Sportverletzungen. Was wir uns da alle erzählt haben, wie, was, Schmerz, Behandlungen, Stretiching-Tipps, haste-nicht-gehört! Und dann dachte ich mir: Warum nicht auch bei psychischen Krankheiten mit der gleichen Offenheit reden? Du machst das und es ist gut so. Und wirst nicht nur dein Problem überwinden, sondern auch anderen helfen. Liebe Grüße, Béa

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