Nein, Oma, keine Ohrlöcher fürs Kind bevor es selbst entscheiden kann!


Ohrlöcher fürs Kind? Ich habe vor einiger Zeit im Freundeskreis einen kleinen Familienstreit erlebt. Es ging darum, ob die kleine Tochter der Familie, nur 3 Monate alt, jetzt schon Ohrlöcher für Ohrringe gestochen bekommen sollte. Ich habe mich eingemischt. Ich habe mich auf die Seite des Vaters geschlagen, der das nicht wünschte.

Die Mutter war sich nicht sicher, ob sie Ohrlöcher fürs Kind haben wollte.

Die Oma hatte bereits kleine Goldohrringe gekauft und kämpfte wie eine Löwin für die „Familientradition“ – Ohrlöcher fürs Kind.

Aus meiner Sicht kann ich nur erstmal erzählen, dass ich mir meine Ohrlöcher mit 16 Jahren habe stechen lassen.  Nein, auch da hätte ich die Unterschrift eines Vormunds gebraucht. Für das Tatoo-Studio, das das bei mir gemacht hat, war ich aber 18. Ich habe unterschrieben, dass ich schon volljährig war und… ähm… ich glaube auch etwas an meinem Schülerausweis manipuliert… ist verjährt, oder? Ich habe aber gelesen, dass mit Einwilligung der Eltern Schmuckläden die Ohrläppchen von Kindern frühestens bei Kindern schon ab vier Jahren durchstechen.

Das Doofe ist, dass ich keine drei Monate später festgestellt habe, dass ich als Brillenträger Ohrringe gar nicht gut finde, dass sie mich nerven und dass ich eigentlich keine Löcher mehr haben möchte. Die sind nie wieder zugewachsen. Ich ärgere mich bis heute noch über die zwei unbesetzten Löchlein in meinen Ohren. Hätte echt nicht sein müssen! Aber ich habe es mir selbst eingebrockt.

So, warum muss ein Kind, das gar keine Entscheidung darüber treffen durfte, Ohrlöcher gut finden?

Es ist zwar nicht so dramatisch wie eine Beschneidung… aber es ist und bleibt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen, der keine Willensentscheidung darüber treffen kann.

Ich bin gegen die Stecherei von Ohrlöchern bei kleinen Kindern. Eigentlich bin ich gegen die Stecherei von Ohrlöchern bei allen Minderjährigen.

So argumentierte auch der Vater.

Die Oma meinte, man habe es in der Familie immer wieder gemacht. Wohl gemerkt, wir reden hier über eine deutsche Familie… In anderen Kulturkreisen ist der Brauch tatsächlich sehr verankert in der lokalen Kultur: In Indien ist das heilige Ohrlochstechen, genannt „Karnavedha sanskar“ eine weit verbreitetet religiöse Tradition. Einige glauben, dass durchstochene Ohren das Böse abwehren. Andere berufen sich auf Akupunktur und sind überzeugt, dass das Durchstechen des Ohrläppchens einen therapeutischen Wert hat. Eigentlich ist letzteres inzwischen eher zweifelhaft – ein Durchstechen der Ohrläppchen soll möglicherweise sogar  Akupunktur-Stellen unempfindlich machen, wissenschaftlich belegt ist dies aber auch nicht.

Die Oma meint, es würde dem Kind Schmerz ersparen, weil es in dem ganz zarten Alter es nicht mitbekäme.

Ich bin anderer Auffassung: Ich würde jedem Kind das Trauma von Schmerz ersparen, den es nicht einordnen kann. Klar, eine OP für gesundheitliche Zwecke, die man nicht vermeiden kann, muss sein. Aber Ohrlöcher oder sonstige rein ästhetische Eingriffe würde ich lieber mit freiem Willen und Entscheidungsfähigkeit durchführen lassen.

„Ach der kleine Piekser!“ – Nein, liebe Oma, Ohrlöcher fürs Kind sind ein körperlicher Eingriff!

Außerdem: Was ist, wenn etwas schief geht und sich etwas entzündet? Warum Komplikationen bei so einem zarten Organismus riskieren? Es hat so viel zu tun mit einem Wachstum, das später nicht mehr so rasant sein wird… warum es jetzt zusätzlich belasten und destabilisieren?

Und gerade ein Baby, das gar nicht weiß, was es da an den Ohren hat, und gerade das Greifen ausprobiert: Neigt es nicht dazu, daran zu ziehen und sich zu verletzen?

Ihr seht, ich habe da eine klare Meinung zum Thema Ohrlöcher fürs Kind, vor allem fürs Kleinkind. Und ihr?

Liebe Grüße,

Béa

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Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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6 Kommentare

Jasmin
Antworten 19. April 2018

Liebe Béa,
Ohrringe sind für Babys und Kleinkinder nichts.Sie sollten selber entscheiden.Ich selber hatte meine so in der 5 Klasse stechen lassen.Aber da sie nicht gut gestochen waren haben sie sich dauernd entzündet.Später habe ich es woanders nochmal machen lassen.lg Jasmin

Theresa
Antworten 13. September 2018

Vielen Dank für den Beitrag, auch bei uns waren die Ohrringe schon ab und zu Thema und wir haben schließlich entschieden zu warten - aus den Gründen, die auch du genannt hast!

Hana Mond
Antworten 28. Dezember 2019

Ich habe als Grundschülerin Ohrlöcher gestochen bekommen - ich habe mich dafür entschieden und wusste, dass das Stechen weh tut. Das finde ich bis heute in Ordnung (auch wenn ich heute mit 35 keine Ohrringe mehr trage).
Bei Kleinkindern finde ich das unmöglich - bei religiösen Traditionen kann man ja diskutieren, aber Kleinkindern aus rein ästhetischen Gründen Schmerz zuzufügen sollte völlig indiskutabal sein.

Marion
Antworten 29. Dezember 2019

Also zunächst finde ich, dass die Oma da gar nicht mit zu entscheiden hat. Mein Kind und Entscheidung der Eltern. Und dann finde ich Ohrringe für Babies sind nichts. Zum Einen können Sie nicht gefragt werden ob sie das mögen, zum anderen frage ich ich wozu? Das Stechen ist mit Schmerzen verbunden und auch danach muss den Ohrring / Ohrloch ständig mit Antiseptikum behandeln…werden damit es nicht entzündet und auch gedreht werden. Zumindest wurde uns das jetzt gesagt, als wir das machen lassen haben ( unser 8 jährige hatte den Wunsch schon länger und nach langem Zögern von uns und Erklärungen was das heißt, Schmerzen, Abkleben beim Sport....) haben wir es dann doch gemacht. Aber noch jünger oder beim Baby, nein. Wozu, sie können nicht sagen ob sie das mögen. Ich kenne genug Mädchen die möchten gar keine.,Es birgt ja auch immer die Gefahr der Entzündung, oder der Verletzung gerade bei so Kleinen. Wenn nicht durch sie selber, dann evtl. durch Spielgefährten, die gerade wenn sie alles erst entdecken überall anfassen, ziehen...

Melanie Grohrock
Antworten 20. Juni 2020

Ich bin auch ein Gegner von Ohrlöchern bei Kindern. Die Gründe wurden in dem Artikel bereits genannt. In unserem Fall war es sogar gut, dass ich so etwas nicht wollte. Unsere Tochter hat mit zwei Jahren Neurodermitis an den Ohren ausgebildet. Die hat direkt hinter den Ohren angefangen und führte zeitweise zu geschwollenen Ohrläppchen. Ich will gar nicht wissen, welche Komplikationen Ohrringe in diesem Fall verursacht hätten...

Man weiß nicht, wie sich das Kind entwickelt und was die Ohrringe später bedeuten. Daher auch von mir ein ganz klares "Nein" zu Ohrringen bei Kleinkindern. Meine Tochter will jetzt mit 5 Jahren Ohrringe, weil mehrere ihrer Freundinnen welche haben. Sie bekam Ohrclips, die sie hin und wieder mal für eine halbe Stunde trägt. Damit ist sie zufrieden.

Sollte sich meine Tochter im Teenager-Alter für Ohrringe entscheiden und das Thema über einen längeren Zeitraum mit mir diskutieren werde ich vermutlich nachgeben (sofern sie mir durch längeres Tragen der Clips beweist, dass es ihr ernst ist und mindestens zwei Jahre lang keinen Neurodermitis-Schub an den Ohren hatte).

FranZiska
Antworten 21. Juni 2020

ist kein Argument, weil es immer schon so gemacht wurde ... Im Gegenteil, solche Sätze sollten immer hinterfragt werden. Abgesehen davon, dass Kinder ein Recht auf körperliche Unversehrtheit haben, es das Kind selbst nicht entscheiden kann usw. Ist in diesem jungen Alter die Gefahr, dass es sich selbst verletzt viel zu groß. Es lernt das Greifen. Meine Tochter ist jetzt fast anderthalb Jahre alt. Ich trage seit ihrer Geburt keine Ohrringe, weil sie daran ziehen würde und Kinder in diesem Alter greifen gut zu. Sie hat mir schon Ketten kaputt gemacht, was würde erst mit meinen Ohrläppchen passieren ... So und dann nochmal zurück zum Kind das selbst Ohrringe hat ... Ich möchte mir das nicht vorstellen. Ich finde Schmuck hat an einem Kleinkind nichts zu suchen, auch Ketten nicht wegen der Strangulationsgefahr. Meine ältere Tochter (fast 8) hat auch schon gesagt, dass sie Ohrlöcher möchte. Wir haben nein gesagt, obwohl sie es selbst wollte. Aber sie hat ja noch gar nicht die Vorstellung, was es bedeutet, es wächst ja auch nicht mehr zu. Außerdem müsste sie es beim Sport rausnehmen oder abkleben, ist es das wert?
Ich komme nochmal zum Anfangsargument, von wegen es wurde schon immer so gemacht. Ich habe selbst als kleines Kind Ohrlöcher bekommen, das war so üblich. Es hat mir sicher nicht geschadet und ich wurde gefragt. Ich kann mich noch ein wenig daran erinnern. Meine Cousine wollte auch welche, sie hat sich dann erstmal doch dagegen entschieden. Es hieß dann später, ich war tapfer, sie nicht. Das sehe ich heute kritisch sie war zwei Jahre älter als ich, also viel mehr in der Lage die Situation zu verstehen und ihre Bedürfnisse zu äußern. Ich denke man hätte mit dem ganzen noch deutlich länger warten können.

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