Tabus aufbrechen und richtig aufklären: Mit Kindern und Jugendlichen über Sex reden


Mit Kindern und Jugendlichen über Sex reden ist wichtig, um später ein gesundes und respektvolles Verständnis von Sexualität zu entwickeln. In diesem Beitrag erfahrt ihr, was ihr bei der Aufklärung von Kindern und Jugendlichen über Sexualität berücksichtigen solltet.

Über Sex zu reden, ist vielen noch peinlich, und wird daher tabuisiert. Dabei ist es gerade bei diesem Thema wichtig, eine allumfassende Erklärung zu bekommen, und ich rede hier nicht vom biologischen Vorgang, wenn eine Eizelle befruchtet wird, sondern vom Akt. Wer offen und ehrlich mit Kindern und Jugendlichen über Sex redet, gibt ihnen nicht nur die notwendigen Informationen mit, die sie brauchen, um sich selbst zu schützen, und gesunde Beziehungen aufzubauen, sie sind zudem auch vorbereitet.

Denn das Thema Sex kann einem am Anfang ganz schön gruselig vorkommen. Mit einer anderen Person körperlich intim zu werden, geht mit Lust, aber auch einer gewissen Verantwortung einher. Leider hat die Medienlandschaft nicht viele Vorbilder, was die Darstellung von Geschlechtsverkehr angeht. Dass Sex in Pornos Fantasien darstellen und fernab jeder Realität sind, ist jüngeren Menschen oft nicht klar. Und was Filme angeht, wird Sex häufig auch sehr sinnlich, atmosphärisch und „perfekt“ dargestellt. Die Erwartungen an Körperproportionen sind ebenfalls enorm. Dabei hat realistischer Sex nichts mit Perfektion zu tun.

Tabus aufbrechen und richtig aufklären: Mit Kindern und Jugendlichen über Sex reden

Zuallererst zwei wichtige Punkte, die zwar nicht viel mit Stereotypen zu tun haben, aber beim Diskus rund um das Thema Sex von zentraler Bedeutung sind: Safer Sex!

Verhütung

Die Verhütung ist ein sehr wichtiger Aspekt der Sexualität. Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche wissen, dass sie vor sexuell übertragbaren Infektionen und ungewollten Schwangerschaften geschützt werden können. Es ist empfehlenswert, über verschiedene Verhütungsmethoden wie Kondome, Hormonelle Verhütungsmittel, Spirale, Pille, etc. zu sprechen, und wie man sie richtig benutzt. Allem voran Kondome, denn sie sind die Einzigen, die auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen.

Apropos …

Sich regelmäßig testen lassen

Es ist unglaublich wichtig, sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Infektionen (STIs) zu testen, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Beziehungsstatus. STIs können sowohl durch ungeschützten Geschlechtsverkehr als auch durch Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel übertragen werden. Einige STIs können sogar ohne Symptome auftreten und können unbehandelt zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.

Unabhängig davon, ob ihr monogam oder polyamor lebt, ob ihr hetero- oder homosexuell seid, solltet ihr euch regelmäßig auf STIs testen lassen, um die eigene Gesundheit und die der Partner zu schützen. Auch, wenn ihr noch jung seid und noch nicht so viel Erfahrung hattet. Idealerweise wäre es, wenn ihr euch vor dem Akt mit einer neuen Person testen lasst oder auf einen Test besteht. Eine Freundin von mir hat das damals nicht gemacht, weil ihr Partner davor nur eine Freundin hatte, doch leider hat er ihr eine Geschlechtskrankheit übertragen, die er von seiner Partnerin davor hatte. Er selbst hatte keine Symptome, meine Freundin schon.

Sich zu testen ist ein Akt der Selbstfürsorge und Verantwortung gegenüber euch und anderen. Regelmäßige Tests helfen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um weitere Übertragungen zu vermeiden.

Eintrag von Béa: Am besten ist ein allumfassender Test beim Arzt, in regelmäßigen Abständen. Wer allerdings nur in Bezug auf HIV kurzfristig das Risiko einschränken möchte: Es gibt HIV-Tests in Apotheken, die in 15 Minuten ein Resultat haben (Affiliate Link, also Mini-Werbung)

So, und nun zu den Themen, über die, in Bezug auf Sex, noch viel zu wenig geredet wird:

Körperliche Vielfalt erkennen

Jeder Körper sieht anders aus, daher gibt es auch die verschiedensten Körperformen, -größen und -funktionen. Früher in der Schule hat ein Junge (der zu dieser Zeit bestimmt noch nie eine nackte Frau gesehen hatte) behauptet, dass es richtige und falsche Vulvas gibt, und dass nur diejenigen richtig sind, bei denen die Vulvalippen eher zusammenliegen. Das ist kompletter Unsinn! Ein Körper kann niemals falsch sein, sondern immer richtig. So wie er ist, ist er einzigartig und sollte mit Selbstakzeptanz und Respekt behandelt werden.

Das gilt auch für unterschiedliche Ethnien und Hautfarben. Leider hat die Gesellschaft oft bestimmte Schönheitsstandards, die auf eurozentrischen Merkmalen basieren und andere ethnische Merkmale ausschließen oder als weniger attraktiv betrachten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass alle Körper schön und perfekt sind, unabhängig von ihrer Ethnie oder Hautfarbe. Durch die Anerkennung der Vielfalt können wir ein besseres Verständnis und eine größere Wertschätzung für die Schönheit aller Körper und aller Menschen fördern.

Sex ist mehr als nur Penetration

Die Art und Weise, wie wir über Sex reden, ist häufig sehr einseitig und heteronormativ: Frau und Mann haben penetrativen Sex. Dabei ist Sex viel mehr als nur Penetration. Körperliche Intimität kann auch Küssen, Umarmen und andere Formen von Zärtlichkeit beinhalten. Einige Menschen mögen keinen Sex mit Penetration, und auch das ist okay. Kinder und Jugendliche sollten wissen, dass sie das Recht haben, ihre Grenzen zu setzen und dass sexuelle Aktivitäten nur dann stattfinden sollten, wenn alle Partner:innen damit einverstanden sind.

Das erste Mal bei Frauen muss nicht wehtun

Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass das erste Mal Sex (mit Penetration) bei Frauen und/oder Menschen mit Vagina immer schmerzhaft sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Es geht um die Vorbereitung. In Pornos fallen Paare häufig sehr grob übereinander her. Und in diesem Fall würde das erste Mal tatsächlich wehtun.

Wichtig ist die Vorbereitung. Allem voran müsst ihr euch mit der Person so wohlfühlen, dass ihr euch körperlich „öffnen“ könnt und nicht verkrampft seid. Und je feuchter der „Eingang“ ist, desto leichter das Eindringen. Gleitgel kann dabei helfen (übrigens nicht nur beim ersten Mal, sondern, wenn ihr generell nicht feucht genug seid!). Außerdem wichtig: Seid langsam. Lasst euch Zeit. Überstürzt nichts, und sagt der Person, behutsam und vorsichtig zu sein.

Oh, und dass das sogenannte „Jungfernhäutchen“ beim ersten Mal reißt und eine Blutlache auf den Laken hinterlässt, ist selbstverständlich auch ein Mythos. Es blutet höchstens dann, wenn ihr nicht genug vorbereitet seid!

Consens, Consens, Consens!

Viele glauben, dass es „unsexy“ ist, während des Sex zu reden, und dass zu viel Gequatsche die Stimmung zerstöre. Dabei ist Reden unglaublich wichtig. Einverständnis (Consens) ist der wohl wichtigste Aspekt der Sexualität. Kinder und Jugendliche sollten verstehen, dass es notwendig ist, offen und ehrlich mit ihrem Partner zu sprechen, bevor sie sexuell aktiv werden. Viele tun das trotzdem nicht; zum einen aus Scham, zum anndern aber auch, um die Gefühle der anderen Person nicht zu verletzen. Und das sorgt schon zu Beginn für eine Menge (Leistungs)Druck.

Redet also miteinander.

Kommuniziert ganz klar, was ihr mögt und nicht so gern mögt, ausprobieren wollt, und wie weit ihr gehen möchtet. Und nimmt die „Kritik“ von seitens anderer auch an. Gerade Männer in heteronormativen Beziehungen leiden unter Versagensängsten, und schießen aus Reflex lieber zurück, anstatt wirklich zuzuhören. Doch je früher ihr miteinander sprecht, desto einfacher wird alles.

Falls eine Person blöd auf eure Bedürfnisse reagiert, dann solltet ihr mit dieser Person vielleicht auch keinen Sex haben, denn eine gesunde Kommunikation ist kein netter Zusatz, sondern das bare minimum, das man einer Person beim Sex entgegenbringen sollte. Lasst euch kein schlechtes Gewissen einreden, wenn die andere Person euch Vorwürfe macht, a la: „Bei anderen muss ich nicht so viel reden, da funktioniert das auch so.“ „Alle anderen mochten das aber.“ „Es muss an dir liegen.“

Und bitte (!) spielt der anderen Person nichts vor, um ihre Gefühle nicht zu verletzen. Damit erschafft ihr eine sehr ungesunde Dynamik beim Sex, und außerdem möchte niemand gern angelogen werden. Eine Studie, die in der Zeitschrift „Archives of Sexual Behavior“ veröffentlicht wurde, ergab, dass etwa 25% der befragten Frauen angegeben haben, ihren Orgasmus manchmal oder oft vorzutäuschen. Und die Dunkelziffer ist vermutlich viel höher …

Keine Lust mehr? Jederzeit aufhören

Übrigens könnt ihr auch jederzeit aufhören. Sex folgt keinem bestimmten Prinzip. Wenn ihr keine Lust mehr habt, ist es vorbei. Die andere Person hat das zu akzeptieren. People Pleasing hat beim Sex nichts zu suchen. Ihr müsst euch für die andere Person nicht durchquälen. Gerade Frauen haben ein Problem, weil sie im patriarchalen System so sozialisiert sind, es lieber anderen recht zu machen und weniger Raum einzunehmen. Aber dadurch sinkt die Lust, der Körper verkrampft sich, was zu Schmerzen führen kann. Das wiederum können wir der Person unterschwellig nachtragen, weil sie uns wehtut, ohne es zu merken. Aber erwartet nicht, dass Menschen Gedanken lesen können. Teilt sie ihnen lieber mit und setzt eure Grenzen. Hört auf, wenn es euch zu viel wird.

Buchempfehlung: Feministinnen haben den besseren Sex

Abschließend noch einen Buchtipp, oder eher ein Comic von Flo Perry, die euch in lustigen Illustrationen über realistischen Sex aufklärt! Sehr humorvoll geschrieben und toll aufgeklärt!

Habt ihr noch mehr wichtige Ergänzungen zu dem Thema?

Mehr zur menschlichen Komponente beim Sex gibt’s hier:

Die menschliche Seite der Sexualität gehört für mich auch zur Aufklärung

Und hier findet ihr was zu sexuellen Vorlieben – und die Frage, was man tun kann, wenn sie aus einem Idealbild stammen.

„Mein Mann hätte gerne pornorösen Sex – habt ihr Tipps?“ – Frage aus der Community

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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3 Kommentare

Toni
Antworten 26. Mai 2023

Wieso muss man Mensch mit Vagina explizit im Text erwähnen? Ist das was anderes als eine Frau? Ich bin verwirrt…

    Maria
    Antworten 18. Juni 2023

    Ja muss man! Es gibt Menschen mit Vagina die sich nicht als Frau fühlen.

Maria
Antworten 18. Juni 2023

Vielen lieben Dank für den Artikel das Thema ist so wichtig und sollte noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen! Nur gut aufgeklärte Söhne können zu achtsamen Sexualpartnern werden!

Zum Thema HIV Test finde ich es noch wichtig zu erwähnen das HIV erst etwa 12 Wochen nach Geschlechtsverkehr im Blut nachweisbar ist:
Quelle:
https://www.aidshilfe.de/hiv-tests-ueberblick

Und das Jungfernhäutchen gibt es so nicht es ist ein Hautkranz (auch Hymen genannt) der die Vagina umrahmt und nicht kaputt geht bei penetrativem Sex.
Quelle:
https://pinkstinks.de/gibt-es-das-jungfernhaeutchen-ueberhaupt/

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