Studie: Zu viele durchstrukturierte Aktivitäten können der Selbststeuerung der Kinder schaden
Tja, dass „freies Spiel“ gut für die Kinder ist, kann ich nicht aufhören zu schreiben und zu erzählen. Es liegt mir am Herzen! Aber, dass eine zu starre und überladene Aktivitäten-Struktur sogar schädlich ist, war lange noch nicht beweisen. Nun gibt es eine Studie dazu:
Psychologen an der University of Colorado und der University of Denver haben 70 Sechsjährige und ihr Tagesablauf eingehend untersucht.
Dabei fanden sie heraus, dass die Kinder, die mehr Zeit in weniger strukturierten Aktivitäten verbrachten, sich besser entwickelten in dem, was sie auf Englisch nennen „Self-directed executive function“ – und die anderen eben schlechter.
So, ganz kurz zu den Begriffen: Nach etwas Recherche fand ich auf Deutsch die Begriffe „Selbststeuerung“ bzw. „Selbstregulation“ nennen. Im Interview mit Daniela Albert kam auch das Thema „Selbstregulation“ vor, ich mag den Begriff „Selbststeuerung“ etwas lieber, weil für mich auch eine Zielgerichtetheit dabei mitschwingt. Auf jeden Fall habe ich mich gefreut, dass es ein Wort und nicht drei sind: Kommt ja selten genug vor, dass wir auf Deutsch etwas einfacher ausdrücken können als im Englischen!
Was ist das aber noch mal, „Selbststeuerung“?
Diese „Selbststeuerung“ entwickelt sich vor allem in der Kindheit, schreiben die Forscher, und sie beinhaltet alle mentalen Prozesse, die uns helfen, Ziele zu erreichen – wie Planung, Entscheidungsfindung, Verarbeitung von Informationen, Wechseln zwischen Aufgaben und auch das Umgehen mit belastenden Gedanken und Gefühle. Selbststeuerung ist ein Indikator für die Schulreife und oft auch für die schulische Leistung. Basierend auch andere, langfristigen Studien, meinen die Wissenschaftler, dass Selbststeuerung sogar den Erfolg im Erwachsenenalter prognostiziert.
Kinder mit höherer Selbststeuerung werden ein Leben lang gesünder und sozial stabiler sein.
Wenn Kinder mehr Zeit in strukturierten Aktivitäten verbringen, werden sie schlechter darin, auf Ziele hinzuarbeiten, Entscheidungen zu treffen und ihr Verhalten im Griff zu haben, so die Studie. Also, das unterwandert ihre Selbststeuerung. Stattdessen ist es besser für die Kinder, wenn sie die Verantwortung haben, selbst zu entscheiden, was sie mit ihrer Zeit machen. Das fördert ihre Selbststeuerung!
Zur Studie: Die Forscher baten die Eltern, die Aktivitäten ihrer Sechsjährigen eine typische Woche lang aufzuzeichnen, und dann maßen sie, wie viel Zeit jedes Kind in strukturierten und weniger strukturierten Aktivitäten verbrachte. Die Forscher definieren „strukturierte Aktivitäten“ als alles, was von Erwachsenen wie Musikunterricht oder sogar Hausarbeit organisiert und betreut war. Damit eine Aktivität als „weniger strukturiert“ galt, musste das Kind dafür entscheiden können, was die Aktivität ist und wie es sie angeht.
Alle Formen des freien Spiels gelten als weniger strukturierte Aktivitäten.
Wenn Kinder die Kontrolle darüber haben, wie sie ihre Zeit verbringen, übt dies sie darin, auf Ziele hinzuarbeiten und herauszufinden, was sie als nächstes tun wollen. Beispiel: Ein Kind mit einem freien Nachmittag vor sich könnte sich entscheiden, ein Buch zu lesen. Sobald es fertig ist, könnte es sich entscheiden, ein Bild über das Buch zu zeichnen. Dieses Kind lernt mehr als ein anderes Kind, das die gleichen Aktivitäten durchführt, aber während des gesamten Prozesses explizite Anweisungen erhält.
Dann wurde die Kinder beobachtet und ihre „Selbststeuerung“ untersucht. Und da stellte sich eben heraus, dass diejenigen, die durchstrukturierten Aktivitäten nachgingen, tatsächlich Selbststeuerungsdefizite aufzeigten. „Strukturierte Zeit könnte die Entwicklung der selbstgesteuerten Kontrolle verlangsamen, da Erwachsene in solchen Szenarien externe Hinweise und Erinnerungen geben können, was wann passieren sollte“, schreiben die Forscher in der Studie.
Allerdings sind auch solche Studien auch limitiert!
Die Forscher räumen ein, dass ihre Studie nur „Korrelationen, aber keine Ursachen nachweist“. Selbststeuerung kommt nicht allein durch freies Spiel, es gibt viele Faktoren, die sie beeinflussen – sogar genetische. Und der Kreislauf verstärkt sich eben: Denn Kinder mit hoher Selbststeuerung haben ja sogar den Mumm, die strukturierten Aktivitäten zu verweigern („Mama ich brauche jetzt meine Ruhe! Ich WILL nicht zum Hockey!“) – während die anderen nahezu nach Strukturierung verlangen („Mama, was soll ich jetzt tuuuuuun? Mir ist laaaaaangweilig!“).
Was mich jetzt interessieren würde: Wie viel Freiraum für freies Spiel und „Selbststeuerung“ haben eure Kinder? Erzählt mal…
Liebe Grüße,
Béa
Übrigens, auch das bitte bedenken… Also, lasst auch mal laufen:
Titelbild: Photo by Jelleke Vanooteghem on Unsplash
Jessl
2. November 2018Das beruhigt mich voooolll!! Ich lasse meine beiden Buben sehr oft 'abhängen'- ob im Haus, Garten oder wo sie hin wollen.
Sie finden immer was und 'mir is langweilig' hat nur mein großer ganz selten (fast 5) mal gesagt..
sie machen zwar auch Chaos und zum aufräumen muss ich sie dann schon eher strukturieren;), aber sie spielen leicht mal 2-3 Stunden ohne das ich genau weiß was..