Tageseltern unter Missbrauchsverdacht – ein Erfahrungsbericht von Maria


Liebe Leserschaft, ab und zu bringen wir solche Gastbeiträge in unserem Familien- und Bildungsblog um den Blick eines jeden zu erweitern für das Leben. Wie es kommen kann. Hier kommt eine Tagesmutter zu Wort, Maria, die eine erschütternde Erfahrung gemacht hat:

Hintergrund: Heute kam ein erlösende Brief und ich kann darüber berichten warum ich ärgerlich, wütend , sauer, traurig und enttäuscht war und bin. Mein Mann und ich waren bis September als Tageseltern tätig. Bis zum 10.9.2020…. dann kam der große Hammer.

Hier erzähle ich euch, was wir durchgemacht haben:

Der 10.September 2020 fängt toll an. Es ist mittags und alle Tageskinder liegen im Nebenzimmer und schlafen. Damit es ruhig ist, geht mein Mann ins andere Haus. Dann klingelt es an der Hoftür und ich sehe, dass mein Mann nicht hingeht.
Also gehe ich. Es steht unsere Fachberatung und noch eine Dame davor. Sie müssen mit uns reden, vorwiegend mit meinem Mann. Ich schau wo er ist. OK, er holt unsere Tochter von der Schule ab. Also kurz warten…

Wir gehen wieder ins Kinderhaus, damit die schlafenden Tageskinder nicht alleine sind.

Wir sitzen schweigend in der Küche und mir ist mulmig zumute. 5 Minuten später ist mein Mann da.

Dann kommt der grosse Hammer:

Unsere Fachberatung eröffnet uns, dass eine Familie bei ihnen war und meinen Mann des sexuellen Missbrauch ihres Kindes beschuldigt.

Mein Mann wird ganz bleich. Ich schlucke und höre nur noch halb zu. Kämpfe mit den Tränen. Sie erzählt, dass alle Eltern informiert wurden, dass sie ihre Kinder sofort abholen und am nächsten Tag zu ihnen ins Büro kommen sollen. Dort werden sie zu den Vorwürfen befragt.

Wir stehen da und schauen uns nur an ohne Worte.

Die Fachberatung sagt uns, dass wir uns am besten jetzt ein Anwalt suchen sollten und mit niemandem darüber reden sollten. Dann gingen sie.

Wir haben uns nur noch in den arm genommen und geweint.
Ich habe meinem Mann direkt gesagt, dass ich von all dem nichts glaube und zu ihm stehen werde.
Es hat auch einige Zeit, bis auch wirklich alle Kinder weg waren.
Dann haben wir unsere eigenen Eltern informiert.

In unseren Köpfen ging so viel rum:
Wann kommt die Polizei und nimmt ihn mit?
Wann kommt der erste Angriff auf uns? … Platte Reifen, zerkraztes Auto, Farbe am Haus, Tochter in der Schule beschimpft?

Die Nacht war schlimm, da wir auf Polizei gewartet haben, wie man es ja aus dem TV kennt mit der Razzia.

Freitag Morgen haben wir endlich eine Anwältin für den Bereich an das Telefon bekommen. Sie beruhigte uns erstmal wieder das die Polizei nicht kommen würde. Aber wir uns auf eine langwierige Verhandlung einstellen sollen und so schnell wie möglich Arbeit suchen sollten. Im Lauf der nächsten Woche haben wir Papierkram erledigt damit sie nun für uns tätig sein kann.

Wir vegetierten in der Zeit nur rum und versuchten, für unser Kind ein halbwegs normales Leben zu haben. Aber da das nicht wirklich möglich war, mussten wir sie mit einbeziehen. Was uns sehr schwer viel. Sie nahm es relativ gut auf und war dennoch traurig darüber.

Genau eine Woche später, am 17.September, waren wir im Wohnzimmer und sahen mehrere Autos bei uns in der Einfahrt und auf der Strasse. Es stiegen Leute aus. Als sich einer umdrehte, stand es „Polizei“ auf dem Rücken. Da wussten wir, jetzt geht es doch los, Grossrazia…

Ich habe nur noch unsere Tochter gerufen und sie an die Hand genommen. Wir sind raus an den Leuten vorbei, zur Oma im Nebenhaus. Ich hab sie durch die Tür geschoben und ging weinend. Als ich zurückgekehrt war, stellten die sich vor und zeigten den Durchsuchungsbeschluss. Ich versuchte zwar noch die Anwältin anzurufen aber war nicht da. So liessen wir uns gefühlt zig Stunden diese Razzia über uns ergehen, ganz ruhig sind wir geblieben… was sollten wir auch anderes tun, wir hatten nichts zu verbergen.

Sie haben so viel eingepackt und mitgenommen, alles im Haus nummeriert und durchwühlt. Ich fühlte mich so schlecht. Zwischen durch musste mein Mann noch mit wegen erkennungsdienstlichen Behandlung…. Als er zurück kam waren die auch soweit durch bei uns. Sie verabschiedeten sich und waren weg.

Wir haben uns umarmt und geweint.

Danach sind wir wieder rüber zur Oma ein Kaffee trinken und haben überlegt, wie es nun weitergeht.

Am nächsten Morgen haben wir die Anwältin erreicht und sie war geschockt, das gab es in der Form schon länger nicht. Aber sie müssen ja jetzt härter durchgreifen, nach dem in den Medien vermehrt raus kam, wo geschludert wurde…🙄. Aber meinen Mann mitnehmen würden sie ihn nur wenn direkte Beweise da gewesen seien.

Es gab nur Aussagen eines 3 Jahre altem Kind. Der kein Deutsch spricht.
Mein Mann habe ihn auf den Penis geküsst… im Bett als er geschlafen habe…. in der Küche bei den Nudeln…

Warten, warten, warten und warten, es gab nichts zu tun.

Unsere Geschwister standen uns bei. Freunde und Nachbarn ebenso.

Da wir ländlich wohnen geht sowas auch schnell die Runde. Aber es ist nichts gegen uns geredet worden, zumindest kam uns nichts zu Ohren.

Die Familien unserer Tageskinder haben ihre Aussagen gemacht – bis auf eine weitere Familie, nur Positives.

Auch wir haben postalisch unsere Aussagen gemacht.

Mein Mann hatte Glück und konnte schon ab 1. Oktober in einem neuen Job anfangen und blüht dort auch auf.

Nur ich saß nach wie vor noch zu Hause und Trauer um unsere verlorene Traumzukunft als Tageseltern nach, was sollte ich nur tun? Ich war immerzu nur traurig. Bekam mein Tag kaum bewältigt. Klar hatte ich Familie und Freunde, aber ich schaffte es nicht.

Unser Kind hatte im Grunde sogar Glück, dass Corona war und nicht zur Schule musste.

Sie hat vom Jugendamt eine ganz tolle Frau zur Seite bekommen die ihr helfen soll wenn sie Probleme hat.  Aber auch mir hat sie so manches mal ein kleinen schubsen gegeben und mir geholfen.

Ich hatte ein Termin bei einer Psychologin, aber ich steh auf Wartelisten. Immer noch.

Wir lernten langsam mit der Situation zu leben. Wir haben Gewicht verloren, weil kaum was gegessen wurde. Der Alltag war nicht mehr wie früher. Wir haben aber immer versucht, fürs Kind es dennoch wieder hinzubekommen. Wir haben „coronalike“ Weihnachten gefeiert. Silvester war ein Tag wie jeder andere auch.

Ich selbst fühlte mich wie in einem tiefen Brunnen sitzend, aus dem es kein Rauskommen gibt. Ich bekomme Herzrasen, Unwohlsein, Engegefühle im Brustbereich, Atemnot. Das macht mir alles Angst und ich rede mit meiner Ärztin darüber. Ich bekomme ein Langzeit-EKG und Blutdruck.

Irgendwann kam der Anruf, das die beschlagnahmten Gegenstände abzuholen bereit stehen. Das Ergebnis kam eine Woche später. Das war der Tag, der dem Ganzen eine Wende gab.

Die Anwältin schickte uns die Mail in der drin stand, dass das Verfahren eingestellt wurde.

Ein Riesenstein fiel uns vom Herzen.

Wir können wieder positiver in eine veränderte Zukunft blicken. Ich selbst brauch Hilfe dabei und bin an einem Reha/Kurantrag dran. Und meinem Mann scheint es nach aussen hin weniger auszumachen. Er ist von der Arbeit so abgelenkt. Ihm scheint es gut zu gehen. Wie es tief in ihm aussieht weiß ich nicht. Aber wir halten zusammen und unserer Liebe hat es keinen Schaden gegeben…

***

Danke, liebe Maria, dass du bereit warst, uns dieses Erlebnis so offen zu erzählen. Wir wünschen dir Glück und Stärke!

Ist jemand von euch auch in einer solchen Situation gewesen? Wie habt ihr sie bewältigt?

Und noch eine Bitte: Seid respektvoll in den Kommentaren. Maria ist hier durch eine sehr belastende Zeit durch. <3

Eure,

Béa

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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4 Kommentare

Isabel
Antworten 18. März 2021

Traurig das eine Behauptung ohne jegliche Beweise die Zukunft einer ganzen Familie zerstört. Jahrelang waren ja alle zufrieden mit der Tagespflege. Ich finde es gut, dass so etwas geprüft wird falls das Kind so etwas wirklich gesagt haben sollte. Aber ich kann nicht verstehen das die Tageseltern komplett alleine da durch mussten. Sie haben schließlich jahre lang gut mit dem Jugendamt zusammen gearbeitet.

Vielleicht ja auch nur eine unzufriede Mutter, wer weiß das schon.

Der Fall wurde fallen gelassen. Aber die Zukunft ist erstmal zerstört und damit alles was diese Familie sich aufgebaut hat. Traurig.
Nicht nur Finanziell, auch psychisch die Hölle!

Auch schwierig für Familien denen wirklich ein Übergriff passiert ist.

Ute
Antworten 11. August 2021

Gibt es hier ggf. eine Selbsthilfegruppe? Es wäre gut, wenn sich betroffene Personen austauschen könnten

Hans-Ulrich
Antworten 11. August 2021

Hallo liebe Maria, ich arbeite auch in einem pädagogischen Beruf. Die Grundangst, dass mir als Mann so etwas ebenso passieren kann, ist irgendwie ganz leise im Hintergrund da. Permanent.

Ein Missbrauch ist eines der schlimmsten Verbrechen, welches man einem Kind antun kann. Deswegen ist es gut, dass man heute genauer hinschaut. Aber dann gibt es eben auch die andere Seite.....

Beides ist zerstörerisch!

Mitfühlende Grüße!
Hans-Ulrich

Marion
Antworten 26. August 2021

Ich bin Oma einer 2 jährigen. Als die Kleine noch Baby war,hatte sie sehr mit Verstopfungen und Blähungen zu kämpfen. Meine Tochter hat die Kleine oft zu mir gebracht. Ich habe es geliebt, mich um sie zu kümmern. Eines Tages hatte die Kleine ein bisschen Blut in der Windel, ich denke beim drücken ist ein Äderchen geplatzt.Das habe ich meiner Tochter gesagt und das sie vielleicht zum Kinderarzt soll,aber sie ist nicht dahin. Von da an hat sie die Kleine nicht mehr alleine bei mir gelassen, was mir aber erst nicht aufgefallen ist. Dieses Jahr wollte sie wieder arbeiten und ich bot ihr an,die Kleine während der Arbeitszeit zu betreuen. Dies lehnte sie, mit komischen Gründen ab und ich dachte mir immer noch nichts dabei. Irgendwann fragte ich sie dann, warum sie das nicht möchte. Hätte ich mal nicht gefragt,denn das war der Tag ,an dem ich meine Enkeltochter und meine Tochter zum letzte mal gesehen habe. Meine eigene Tochter verdächtig mich,meine Enkeltochter sexuell missbraucht zu haben, da sie ja damals das Blut in der Windel hatte und meine Tochter auch schon ewig den selben Traum hat,wo jemand ihr Bein streichelt und sie dann meinen Kopf mit einem anderen Gesicht sieht. Aufgrund dieses Traumes geht sie auch davon aus, das ich mich auch an ihr und meinen beiden Söhnen vergriffen haben soll. Ich habe gedacht ich sterbe!!
Ich habe sie raus geschmissen und gesagt das sie die Kleine untersuchen lassen soll,um den Verdacht entweder zu bestätigen oder entkräften zu lassen, was sie natürlich auch nicht macht. Über ihre Seite bei fb habe ich dann lesen dürfen, das sie sich von mit los sagt und nichts mehr mit mir zu tun haben möchte und auch die Kleine klein genug ist um mich zu vergessen. Es tut so weh,sowas gesagt zu bekommen. Aber noch mehr tut es weh,meine kleine Enkeltochter nicht mehr lachen zu sehen, oder wenn sie "Oma hab dich lieb" sagt und ihre kleinen Ärmchen mich fest drücken.
Ich hoffe nur,das sie ihre Oma nicht vergisst und ich sie eines Tages wieder sehen kann

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