Was mich an klassischen Kinderbüchern stört – kleiner Rant einer Babysitterin


Kinderbücher haben einen pädagogischen Wert und helfen der Erziehung und einer gesunden Entwicklung der Kinder. Sie sind oft auf Altersklassen abgestimmt, so dass das Kind sich gut darin hineinversetzen kann. Kinderbücher sind wichtig und für mich sogar notwendig…

Ich muss mir aber eine Runde Luft machen und euch verraten, was mich an klassischen Kinderbüchern stört! 

Momentan babysitte ich sehr häufig einen dreijährigen kleinen Jungen. Wir verstehen uns super gut, weshalb ich immer öfter auf ihn aufpasse. Abends vorm Schlafen gehen besteht er immer darauf, dass ich ihm mindestens drei Bücher vorlese. Nach all den Monaten vorlesen kam ich jedoch nicht umhin, mich Folgendes zu fragen:

Warum lesen wir immer noch diese klassische Figurenkonstellation? Mutter, Vater, Kind…

Mehr gibt es nicht? Als Scheidungskind finde ich es unheimlich wichtig, Kinder zu sensibilisieren, dass es Scheidungs- und Patchworkfamilien gibt – und das nicht am Rande der Normalität, sondern mittendrin.

Wo sind die Stiefmütter?

In den alten Märchen galten Stiefmütter stets als böse Hexe. Nun tauchen sie kaum mehr auf! Warum? Schließlich gibt es eine Bandbreite von angeheirateten Patchwork-Familien. Sie waren nie böse und haben schließlich das gleiche Recht, auch eine glückliche Familie zu sein. Warum also lesen wir nicht endlich von einer lieben Stiefmutter?

Wo sind die alleinerziehenden Eltern?

Es gibt eine Bandbreite an Gründen, sein Kind ohne einen Partner zu erziehen. Trennung, künstliche Befruchtung. Mindestens 3 meiner engsten Freunde wurden ganz alleine von einem Elternteil erzogen und haben im Umfeld gelegentlich darunter leiden müssen. Hätte man das verhindern können, wenn es von Anfang an in einem Kinderbuch thematisiert worden wäre? Wäre so weniger peinlich gewesen, dass immer nur ein Elternteil zum Elternabend oder dem Schulfest erschienen ist?

Was ist mit Regenbogenfamilien?

Bei der Arbeit war ich einst auf einer Tagung, in der es ganz viele gleichgeschlechtliche Paare aus ganz Deutschland gab. Sie lernten in Workshops viel über die richtige Erziehung. Wie viele es waren, konnte ich gar nicht zählen. Es waren gefühlt tausende! Und all hatten Kinder. Welche Bücher lasen wohl sie? Bücher mit der klassischen Familienkonstellation, die sie nicht haben? Brauchten sie nicht erst recht ganz viel Unterstützung, weil ihr Familienbild so besonders war?

Warum sind alle Familien weiß?

Wer zwei Augen hat und mein Autorenbild unten anschaut, weiß, dass meine Eltern einen exotischen Hintergrund haben. Aber ich bin in Deutschland geboren und habe jene Kinderbücher gelesen. Ich betrachte mich im Kern als deutsch, obwohl ich mich aufgrund meiner Hautfarbe nicht selten dafür rechtfertigen muss. „Ich komme aus Deutschland“ wird kaum akzeptiert. Ihr kennt vielleicht meine Story mit dem Pass aus dem Beitrag mit dem Alltagsrassissmus. 

Seit jeher war die klassische europäische Familie das Ideal in meinem Kopf. Mutter, Vater, Kind. Weiß. Und zusammen. All das was ich nicht hatte.

Ich beschwere mich selten darüber, denn was ich dann zu hören bekomme, ist der Vorwurf „überempfindlich“ zu sein. „Ist doch kein Weltuntergang, nur weil da nur weiße Menschen in der Geschichte sind.“, höre ich sie sagen. Und dann antworte ich nicht, weil ich weiß, dass ich nicht verstanden werde. Ihr ahnt nicht, wie viel es in der Psyche ausmacht, immer die Ausnahme zu sein. Warum also kann es nicht ein Kinderbuch mit einer Ausnahmefamilie z.B. einer asiatischen Familie geben? Oder einer lateinamerikanischen? Sind wir noch immer nicht so weit, diesen Schritt wagen zu können? Lesen wir nur „unsere“ Ethnie?

Ich sage nicht, dass ich die Menschen „zwingen“ will, von nun an nur noch Bücher mit PoC’s (People of Color) zu lesen. Aber als Kind hätte ich mich sicherlich gefreut, ein Buch zu lesen, dessen Nachname genauso kompliziert wie meiner ist und die Protagonistin vielleicht ein wenig so aussieht, wie ich und nicht wie alle anderen in meinem Kindergarten. Ich hätte mich gefreut, ein Buch zu besitzen, welches eine Scheidung der Eltern beschreibt. Und gerne auch hätte ich ein Buch mit der kleinen Tina und ihren zwei Papas in der Hand gehabt, anstatt 20 Jahre später erstaunt darüber zu sein, wie viele es von ihnen gibt.

Ich glaube, dass dies ein großer Schritt für die Toleranz wäre.

Möglicherweise gäbe es weniger Mobbing in den Schulen und mehr Toleranz für den kleinen Abdul, der was ganz anderes in seinem Pausenbrot hat, als Sophie. Vielleicht wäre Homophobie eines Tages nur noch ein Mythos, der irgendwann mal existiert hat, genauso wie eine Mutter, die sich ständig rechtfertigen muss, dass sie alleinerziehend ist…

Na gut. Zum Glück gibt es schon einige Bücher – jedoch noch zu wenige – die nicht der üblichen Norm entsprechen.

Auch wenn die Arbeit in der Buchhandlung mich gelehrt hat, dass sie noch viel zu selten ins Auge stechen und zu wenig aktiv verkauft werden!

Hier mit Bezugsquellen verlinkt –  sind Affiliate Links, also eine kleine Runde WERBUNG an dieser Stelle:

Wie der kleine Bär einen neuen Papa bekam – Über die Schwierigkeiten von Patchwork-Familien

Mia und die Regenbogenfamilie

Nelly und die Berlinchen: Rettung auf dem Spielplatz

Das waren meine Gedanken zu der Kritik an klassischen Kinderbüchern.

Falls ihr mit einem Stirnrunzeln auf diesen Beitrag schaut, dann rate ich euch, ihn ein zweites Mal zu lesen. Und euch in die unterschiedlichen Situationen hineinzuversetzen.

Oder kennt ihr Bücher, die genau mein Problem lösen?

Dann her mit den Tipps!

Ganz liebe Grüße! <3

Eure Mounia

Gerade diesen wunderbaren Beitrag bei Juli Liest gefunden:

Über Diversität in Kinderbüchern

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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5 Kommentare

Angie
Antworten 6. März 2018

Ich kann dir bei deinem Artikel nur zustimmen!
Die Buchwissenschaft in Mainz hat dieses Phänomen sogar untersucht: https://initialen.wordpress.com/die-bucher-2/die-buecher-2018/regenbogenfamilien-im-deutschsprachigen-bilderbuch/ - vielleicht findet man dort Büchertipps!

carla
Antworten 16. März 2018

Schau mal bei uns auf buuu.ch vorbei, da findest du bestimmt einige Bücher, die in diese Kategorie passen!

Monika Fuchs
Antworten 20. August 2021

Über einen Facebooklink bin ich gerade auf diesen Artikel gestoßen. Und finde es interessant, wieviel diverser die Kinderbuchwelt seit 2018 geworden ist. Noch immer nicht genug, aber es hat schon den Anschein, dass in aktuellen Verlagsprogramme zumindest im Bilderbuchprogramm verstärkt Geschichten mit KoC und queeren Charakteren zu finden sind. Ich denke, dass auch das KIMI-Siegel (www.kimi-siegel.de) zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Auch die Jugendbuchprogramme sind diverser geworden. Im erzählenden Kinderbuch (bis 12 Jahren) klafft aber noch eine Lücke, habe ich den Eindruck.
Einen guten Überblick über diverse Kinderliteratur bekommt man z. B. auch im Tebalou-Shop (www.tebalou.shop)

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