Wie viel Freiheit und Selbständigkeit haben unsere Kinder in den Ferien noch?


Sommerferien! Sommer! Schule aus! Und schon bekomme ich bei so vielen befreundeten Familien mit, wie die Beschäftigungsmaschinerie losgeht: Sonderprogramm im Hort, Ferienkurse, Extra-Beschäftigung, minutiös geplante Bespaßungs-Orga!

Muss ich mir schon wie „Oma erzählt aus dem Krieg“ vorkommen, wenn ich mich an meine eigenen und auch an Carinas Ferien erinnere?

70er Jahre in Rumänien – einfach raus und spielen!

Meine Mutter war voll berufstätig als Industrie-Architektin, mein Vater leitete ein Büro namens „Historische Monumente“. Er restaurierte Kirchen, Klöster und Schlösser im ganzen Land. Sommer – und die damit verbundenen „großen Ferien“ (ganze drei Monate in Rumänien) bestanden aus 2-3 Wochen Urlaub am Meer mit den beiden…  und sonst ganz viel „Deplasare“: Dienstreisen meiner Eltern zu Baustellen auf dem Land.

Ich durfte oft mit. Wir waren in anderen Städten und zum Teil in entlegen Dörfern untergebracht. Morgens bekam ich Frühstück und dann hieß es: „Ab, finde Kinder zum Spielen und schau zu, dass du auf keinen Fall nach Sonnenuntergang zurückkommst!“ Sonnenuntergang im Juli? Wir reden von 22:00 und später.

Streunen mit Kinder-Banden

Ich zog los und hatte es schnell raus, wie die Stellen mit Kindern aufzufinden waren: Ich hatte ein feines Öhrchen für Stimmen. Bis heute ist Kinderlärm Musik in meinen Ohren. Kinderlärm im Sommer versetzt mich sofort in eine grandiose Stimmung! Es ist der „Sound of Vacation“…

Dann spulte ich mein Anschlussprogramm ab: Erst schnell beobachten, wer der Anführer oder die Anführerin war. Und dann schnurstracks auf ihn oder sie zu, mit breitem Grinsen und den Worten: „Hallo ich bin Béa, kann ich mit euch spielen?“. Ich kann mich nie an ein Nein erinnern. Ich konnte augenblicklich mitmachen. Wir spielten mit Bällen, Stöcken, Steinen und Sand. Wir kletterten auf Bäume und schlugen uns die Bäuche so voll mit Obst, dass wir das Thema Mittagessen vergaßen. Äpfel, Kirschen, Aprikosen, Mirabellen… alles meistens eher sauer und unreif, aber was soll’s… alles wuchs in irgendwelchen Gärten. Oder wenn doch das Thema Mittagessen aufkam, fand sich immer eine Mama oder eine Oma, die uns mit Polenta fütterte.

Ich kam Abends dreckig und verschwitzt an, ohne das eine oder andere Kleidungsstück, das ich morgens noch dabei hatte… Ich bekam Essen und wurde gewaschen. Ich schlief meistens schon auf irgendeinem Sofa ein, Erwachsenengesprächen lauschend, und wurde später ins Bett getragen. Was für grandiose Ferien!

Als ich Mutter wurde war ich deutlich ängstlicher

Meine Tochter Carina ist in den 90ern geboren. Das, was ich in der Kindheit hatte, war absolut undenkbar. Einfach raus??? Nie im Leben!

Als sie zur Schule ging, wohnten wir im beschaulichen Wannsee, also im „grünen Berlin“. Städtisches Randgebiet. Dorfgefühl. Wir waren circa 6 Familien in einer überschaubaren Nachbarschaft mit Kindern in der gleichen Jahrgangsstufe einer Schule, plus jüngere und ältere Geschwister, wir haben uns organisiert: Die Treffen der Bande wurden telefonisch oder per Mail abgestimmt und ein Elternteil hatte die Überwachungsfunktion.

Und dann durften sie losziehen, auch allein. Mit Handy dabei. Und dickem Versprechen, dass sie immer zusammenbleiben. Dass sie nicht mit Fremden mitgehen. Mit eingeübtem Notfall-Programm für:
a. Einer geht verloren
b. Einer ist verletzt
c. Komische Menschen (Exhibitionist, Pöbelnder Penner, aggressiver Mensch, Angebot von Süßigkeiten oder Sonstiges, etc)
d. Handy geht verloren
e. Elternverantwortlicher ist nicht erreichbar (klar gab es Backup)
f. Sie haben gerade die Schnauze voll von der ganzen Überwachung (es gab Eis-Gutscheine)

Äääähm, ja! Voll easy! Oder?

Dennoch, sie durften komplett allein entscheiden, wo sie sich aufhalten, auch am Wasser oder im Wald. In den Ferien zogen sie wirklich über 4-5 Stunden allein los und kamen zurück, dreckig, hungrig und glücklich. Sie meldeten sich brav bei Verspätungen. Ernsthafte Unfälle hatten wir nicht zu verzeichnen, nur die üblichen Kratzer und Schürfwunden. Ich glaube, sie hatten viel Freiheit.

Ich bekomme mit, dass nicht mal das aktuell drin ist

Yvonne lässt ihren Kindern viel Freiheit. Aber die meisten, die ich kenne, chauffieren ihre Kinder durch die Gegend und viele dürfen nicht mal einfach so raus auf die Straße… Es kommt mir vor, dass viele Kinder extrem durchorganisiert sind. Dass sie kaum noch selbst entscheiden können, wohin sie gehen und was sie machen. Ich bekomme in Extremfällen mit, dass 10jährige nicht allein über die Straße dürfen.

Stimmt das? Oder sehe ich das falsch… Sagt mir, wie es bei euch ist!

Wie viel ungeplante Ferienzeit und uneingeschränkte Freiheit haben eure Kinder so?

Liebe Grüße,

Béa

Titelbild zu „Wie viel Freiheit und Selbständigkeit haben unsere Kinder in den Ferien noch?“ by Priscilla Du Preez on Unsplash

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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4 Kommentare

Sandy H.
Antworten 13. Juli 2018

Meine Tochter ist 7,5 und durfte seit sie 6 war allein in den Kindergarten. Seit einem Jahr geht sie in die Schule. Sie ist oft nachmittags oder am Wochenende noch draußen - allein mit Uhr. Ich weiß wo sie ist und wenn sie woanders hingeht, klingelt sie kurz und sagt bescheid. Dazu muss ich sagen, dass zB die Schule bei uns direkt gegenüber ist und sie sich gern auf dem Schulhof - auch am Wochenende aufhält. Leider kommt sie meist recht schnell wieder nach hause, weil niemand da ist, mit dem sie spielen kann. Keine Ahnung was die alle so treiben, aber niemals ist ein Kind aus ihrer Klasse auf dem Schulhof oder auf einem der Spielplätze. Das finde ich sehr traurig. Ich muss ihr das dann immer erklären. Ich weiß nicht, ob sie nicht allein raus dürfen oder sie immer beschäftigt bin. Ich meine, das ist ja auch immer abhängig davon, wie weit man seinem Kind vertrauen kann. Ich habe nur das Gefühl, dass die meisten Eltern heutzutage viel zu ängstlich sind. Ich beobachte auch, dass viele Kinder immer noch - am Ende des Schuljahres - von ihren Müttern in die Schule gebracht werden - obwohl die alle im Radius von vielleicht 500 m wohnen. Find ich schon schade für die Kinder. Im Urlaub sind wir meist auf Campingplätzen in Italien unterwegs. Da ist meine Tochter meist den ganzen Tag unterwegs, wenn wir nicht grade am Strand oder Pool sind :) Sie findet unheimlich schnell Anschluss und ist sehr gesellig.

    Béa Beste
    Antworten 13. Juli 2018

    Danke für die Antwort, liebe Sandy! Ja, unser Kinder brauchen mehr Freiheit... Liebe Grüße, Béa

Julia Schiller
Antworten 23. Juli 2019

Ich habe zwei Jungs im Alter von 11 und 7. Wir wohnen in einem kleinen Dorf in der Brandenburger Walachei , es gibt genau 4 Strassen. Mein Mann und ich sind beides Landkinder und kennen das in den Ferien wie Béa😁 Der Große hat hier ein wenig Pech, im Dorf gibt es nur einen Jungen in seinem Alter, aber da ist keine Freundschaft, da beide auf verschiedene Schulen gehen, und unterschiedliche Interessen haben. Sein bester Kumpel wohnt in einem etwas entfernten Dorf, und ist in den Ferien häufig weg, da beide Eltern arbeiten.
Der Jüngste hingegen hat einige Kumpels und Kumpelinen direkt in der Nachbarschaft, und da wird dann auch Mal verschwunden für ein paar Stunden.
Die Hoertbetreuung in den Ferien ist dennoch hier gängig und auch wichtig, denn nicht alle haben Omas,Opas oder Tanten und Onkel hier, die die Betreuung übernehmen können. Und meist sind beide Eltern berufstätig, und 6 Wochen kann ( und will, man braucht auch seinen Urlaub im Rest des Jahres) kaum einer Zuhause sein. Bei uns ist immer jemand in den Ferien Zuhause, da mein Mann Lehrer ist😜 Und so ist da schon Mal eine Bande 6-7 jähriger im Dorf unterwegs, aber immer hat jemand ein Auge auf Kinder. Hier kennt jeder jeden, und weiß welches Kind wo hin gehört. Gegessen wird auch meist bei demjenigen wo man sich gerade aufhält...
Natürlich unternehmen wir auch etwas mit den Jungs, wenn es heiß ist geht's an den nächsten See. Ansonsten gibt's Tagesausflüge. Im Moment genießen wir aber auch ein Fach das nix tun.

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