Willensstarke Kinder, was sie brauchen und wie ihre Eltern sie nicht nur lieben sondern auch mögen können


Hach Leute, heute Morgen rief mich Ralli an (ja, genau, die mit den Ehrlichen Kinderliedern), die inzwischen ihr drittes Kind seit einigen Wochen hat. Sie berichtete, dass sie mit den Nerven ziemlich down ist. Denn K1 und K2 würden beide einen starken Willen haben… und ihn jeweils mit aller Kraft, Nachdruck, Szenen und sogar Gewalt durchsetzen.

Ja Gewalt. Neulich im Auto hat K1 so dermassen mit den Füßen von hinten gegen den Fahrersitz getrommelt, dass Ralli an einer Baustelle, wo sie nicht anhalten konnte, beinah einen Unfall gebaut hat. Mit allen drei Kindern im Auto. Gefährlich! Ralli wollte gern Tipps haben, was tun. Erst habe ich ihr zugehört, denn die Gefühle in der Situation mussten erstmal raus! Wie bei jeder frustrierten Mutter war das: Ein bitterer Cocktail namens „Ende der Nerven“ aus hochprozentigem schlechten Gewissen, Ohnmacht und Überforderung. Gemischt mit einer ganz großen Prise Liebe und Stolz, wie immer. Cheers! Und snüf.

Dann haben wir das Thema „willensstarke Kinder“ zusammen ausgekundschaftet.

Meine Carina ist schon immer ein eher paktfähiges und kooperatives Kind. Außer zur Trotzphase und Pubertät, die jeweilen EHJs, ihr kennt das ja. Aber ich habe oft auch in den unterschiedlichsten Rollen mit kleinen Menschen zu tun, die einen ganz großen Willen haben.

„Lilly for President“ – haben wir bei Rallis K1 bereits gescherzt… und ich kenne viele wunderbare Persönlichkeiten aus der Generation der heutigen Kinder und Jugendlichen, die mit der eingebauten Kommandozentrale für die ganze Familie auf die Welt kamen!

Die Achtung ihrer Würde und ihrer Integrität ist willensstarken Kindern besonders wichtig

Jesper Juul hat den Begriff „autonome Kinder“ geprägt, vor allem in dem Buch „Dein selbstbestimmtes Kind“. Meint das Gleiche: Diese Kinder erkennen ihre Bedürfnisse und achten darauf, dass diese erfüllt werden. Meistens von Geburt an. Auch ihre persönlichen Grenzen und de facto ihr komplettes Verhalten ähneln denen von Erwachsenen mit einem gesunden Selbstbild. Belohnung oder Bestrafung können sich die Eltern sparen: Sie funktionieren bei ihnen nicht. Wenn-Dann-Aussagen oder gar Drohungen prallen an ihnen ab – sie durchschauen Erwachsene und ihre Motive.

Klingt traumhaft schön, alles richtig gemacht, oder? Ja, mit Blick auf die Zukunft total. Aber: Als Mama und Papa der zukünftigen Präsidentin der Vereinigten Staaten des Planets Erde in so ca. 30-40 Jahren kann der normale heutige Ottonormalbürger einfach nur auf dem Zahnfleisch gehen. Wie zum Beispiel Ralli. Gleich mit zwei davon gesegnet. Bei K3 schauen wir mal.

Wir haben einige Strategien im Umgang mit willensstarke Kindern gebrainstormt…

…und würden uns total freuen, wenn ihr aus der eigenen Erfahrung mit euren autonomen Kinder noch ergänzt und uns an euren Erfahrungen teilhaben lasst:

1. Variante „Langweilig“: Jedem Machtkampf aus dem Weg gehen, dem man aus dem Weg gehen kann

Das ist der gute alte Ansatz „pick your battles“. Einfach das Kind machen lassen, was es will und nur noch eingreifen, wenn Gefahr für Leib und Leben gegeben ist. Also: Blind auf die Straße rennen oder auf die Balkonbrüstung klettern ist nicht. Und Füße immobilisieren, wenn sie beim Autofahren erheblich stören muss auch sein. Aber hey: Haare im Gesicht oder in der Suppe, im Schlafanzug in die Kita oder mit Gummistiefeln und Bademantel bei Opas edlem 75sten Geburstag im Ritz Carlton (siehe auch Blogbeitrag hier „Wenn Kind gewinnt“, ist zum Schlapplachen)…Who cares? Ein bißchen peinlich und ein bißchen Dreck hat noch niemanden umgebracht.

2. Variante „Verhandlung“: Deals aushandeln

Den guten alten Trick der Autoverkäufer kennt ihr? „Wollen sie das rote oder das blaue Auto kaufen?“ statt „Wollen Sie bei uns ein Auto kaufen?“. Genau! „Willst du die blaue oder die rote Mütze zum Spaziergang anziehen?“ hat einige Chancen, dass es über die Frage „Spaziergang ja oder nein“ eventuell hinweg hilft. Nicht immer, aber ein Versuch ist es wert…

Vielversprechens sind authentische, echte Deals: Wenn ich als Mutter wirklich Barbie-Rollenspiele nicht mag, muss ich auch nicht so tun als ob. Mein wunderbar willensstarkes Kind meint, dass es aber unverzichtbares Spielgeschehen an mich delegieren muss, und dass ich es zu tun habe. Dann kann ich dealen: Okay, ich mache das jetzt für dich und im Gegenzug machst du was anderes für mich. Am besten mit Handschlag besiegeln. Siehe Würde und Integrität, hat große Chancen, dass es klappt.

3. Variante „Kreativ und Verspielt“, ggf. inklusive zarter Bestechung

Wer malen, singen und tanzen kann, sollte versuchen, die selbstbestimmten Kinder zum Mitmachen zu verführen: Familientänze, Lieder, Bilder sind womöglich doch willkommen. Und wenn eine dieser Aktivitäten spannende Instrumente gebrauchen kann: Warum nicht kleine beliebte Dinge an verschiedenen Stellen in der Wohnung verstecken und bei Bedarf eine individuelle Osterei-Suche starten?

Dito weiter oben, die Bestechung in der Sache werden sie einige Meter gegen den Wind riechen – und das ist ggf. OK. Dann ist es besser, ehrlich zu sein und das als Punkt 2 deklarieren: Der Versuch, ein Deal zu machen und auch etwas für sich durchzusetzen. Vielleicht kann das willensstarke Kind das sogar nachvollziehen und begreift den Win-Win Ansatz.

Und was fällt euch ein zu diesem Thema? was habt ihr mit euren willensstarken Kindern schon ausprobiert und wie hat es geholfen?

Liebe Grüße,

Béa

P.S. Weiterführende Beiträge zum Thema „Willensstarke Kinder“:

https://www.familie.de/schulkind/autonome-kinder-sie-wissen-genau-was-sie-wollen/

Leseprobe vom Buch von Jesper Juul. 

und auch:

Hilfe – mein Kind ist willensstark 😉

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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2 Kommentare

Ralli
Antworten 18. August 2021

Danke für das tolle Gespräch! Der Tag war herausfordernd aber es ging einiges schon besser nach unserem Gespräch!
Mein gekochtes Essen hab ich mit dem Großen verknuspert und die Kleinen durften Müsli essen…ich hab ein Spiel aus Pfirsich probieren gemacht mit füttern und Augen zu. K2 hat gegessen und gelacht K1 (Lilly for President) hat es im hohen Bogen ausgespuckt und mich böse angeschaut…abends waren wir als Familien-Hygge-Zeit noch im Hinterhof Fußball spielen, Baby auf dem Arm aber glückliche K1 und K2 gefolgt von einem tatsächlich ruhigen ins Bett bringen ohne Konflikt über die Anzahl der Bücher, das Lied was ich singen soll, die Decke, die nicht richtig liegt, die Zopfgummis, die im Haar bleiben sollen auch wenn sie drücken, das Wasser, was jeder zuerst trinken will und das Nachtkleid, was keins ist und am Tag schon getragen wurde (letzteres war ein Battle, den ich diesmal nicht gefochten hab. Kind hat gewonnen:)) hey im Schlamm schlafen ist schlimmer:)
Jetzt ist es 3:44 nachts grad gestillt und keins der anderen Kinder hat eine Schreiatacke gehabt, also stehen auf meinem Schlafkonto bereits fünf erholsame Stunden danke Béa!

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