Wir brauchen mehr Heiterkeit in der Schule


Was braucht Schule? Immer wieder schreiben und reden schlaue Menschen über Reformbedarf. Sie führen Pisa-Ergebnisse und Schulabbrecher an, und fordern bessere, sinnvollere und gerechtere Bildung. Nelson Mandela hat mal gesagt: „Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern.“ Doch momentan fuchteln wir mit dieser Waffe herum und… pardon… wir schießen uns ins Knie.

Meistens tun wir uns und unseren Kinder weh – und gleichzeitig auch noch Leid!

Ich bin zwar keine Pädagogin, aber ich habe Schulen gegründet und geführt – die bilingualen Phorms Schulen. Ich habe mich damals durch unzählige Schulgesetze, KITA-Fördervorgaben und Gymnasialbestimmungen durchgekämpft. Nun: Auch mein Herz geht auf, wenn Kreativitätsguru Sir Ken Robinson „bring on the education revolution“ verlangt. Ich nicke selbst dann noch wie ein Wackeldackel, wenn Richard David Precht so ziemlich genau das Gleiche auf Deutsch propagiert, als wäre es seine eigene Idee. Auch Prof. Hüther gebe ich Recht, dass in jedem Kind einzigartiges und wertvolles Potenzial steckt, das es zu entfalten gilt. Und auch ich würde alles unterschreiben, was die Komplexität und Einengung im föderalistischen Bildungswesen reduzieren könnte, Schularchitektur großartig macht und Kinder inkrementell verbesserten Lehrmitteln, geschickter Inklusion und smarter Didaktik aussetzt. Ach ja, und Medien-Dings. Ihr wisst schon: Das mit diesen unheimlichen neuen Medien… Computer! (Die gibt’s nur seit über 30 Jahren, halt.)

Aber am allermeisten wünsche ich mir Heiterkeit und gute Laune

Doch wenn ich einen einzigen Wunsch an die allmächtige Bildungsfee frei hätte, wären es nicht Reformen. Ich würde mir schlichtweg Heiterkeit und gute Laune wünschen – und zwar bei Allen, die Bildung machen und Bildung bestimmen.

Gute Laune klingt harmlos, könnte aber so mächtig sein

Eigentlich wissen wir es: Lernen ist Beziehungssache. Gute Beziehungen haben nun mal einen einzigen Treibstoff: positive Emotionen. Wer nicht gut drauf ist, lernt bzw. lehrt schlechter.

Ohoho, werdet ihr jetzt sagen! Da kommt wieder jemand daher, die antiautoritär-eurhythmische Namenskoreographiestätten mit Wohlfühlsprühduft predigt? Besteht nicht der Sinn der Schule in Lernansporn und  Leistungsstandserhebungen? Brauchen unsere Kinder nicht einen ordentlichen Tritt in den Allerwertesten, damit sie ordentlich auf die Welt „da draußen“ und auf das Leben „später“ vorbereitet sind?

Nein: Schlechte Laune schafft schlechte Leistung

Leistung finde ich gut. Ich bin überzeugt: Es gibt keinen Ersatz für harte Arbeit. Und ich bin sicher, dass in jedem normalen Schulanfänger so viel Neugier, Kreativität, Optimismus und Lerndurst stecken, um einen top Ivy-League-Universitätsanwärter wie eine Schnecke mit Hut aussehen zu lassen. Kinder haben Lust auf Leistung!

Aber irgendwie passiert es, dass die meisten Bildungsbeauftragten es fertig bekommen, mit guten Absichten und einem höheren Ziel genau dies zunichte zu machen. Mit grauen Bedenkenwolken und schwerem Gemüt begegnen sie allem Neuen. Etwas wirklich ändern? „Ja, aber…“

Wer denkt, das ich an dieser Stelle Lehrer-Bashing betreibe, irrt: Ich weiß, dass die meisten Lehrer und Erzieher einen bewundernswerten Job machen – der richtig viel abverlangt. Jedes Mal nach einem Kindergeburtstag wird mir klar, was es bedeutet, eine Meute von Kindern unter Kontrolle zu behalten. „Bildungsbeauftragte“ sind für mich diejenigen, die mit Bestimmungen, Vorgaben und Einschränkungen den Lehrkräften das Leben erschweren. Zusätzlich.

Zu viele Lehrer verlieren die Lust am Lehren, zu viele Kinder verlieren die Lust am Lernen! Es geht anders besser!

Prof. Dr. Martin Seligman, Erfinder und Initiator der Positiven Psychologie, hat erforscht, dass Programme, die auf gute Gefühle im Schulumfeld fokussieren, nicht nur bessere Leistungen ergeben, sondern auch zu weniger disziplinarischen Problemen inklusive weniger Mobbing führen. Das  trägt auch zu besserer Gesundheit bei. Denn Menschen, die in ihrer Kindheit gemobbt werden, haben als Erwachsene ein sechs Mal höheres Risiko als andere, an einer schweren Krankheit zu leiden!

Es gibt einige Schulen weltweit, die Positive Psychologie in ihr Konzept eingebunden haben – und sie feiern große Erfolge. Dahinter steckt meistens ein ausgetüfteltes Programm, wie z.B. bei der Geelong Grammar School im Süden Australiens.  Aber auch einfache, wirkungsvolle Elemente bringen bessere Laune in den Alltag. Zum Beispiel: Wenn Lehrer die Schüler in den Unterrichtsräumen empfangen wie eine Art „Gastgeber“ – mit Musik, liebevollen Begrüßungen und ernstgemeinte High-Fives. Oder wenn die Schulen offizielle Witz-Wettbewerbe mit der ganzen Schulgemeinschaft – also inklusive Eltern – organisieren oder sogenannte „3 Minutes Anerkennungskreisen“: Am Ende der Unterrichtseinheiten dürfen Schüler noch mal sagen, was sie besonders interessiert oder ihnen Spaß gemacht hat. Oder sie wenden einige der Tollagogik-Hacks an, über die ich schon mal geschrieben habe.

Schule braucht mehr Heiterkeit und Humor!

Wir brauchen eine positivere Haltung nicht nur ZUR Bildung, sondern auch IN DER Bildung. Wenn ständig von Problemen die Reden ist, tauchen auch immer mehr Probleme auf! Gehen wir mit dem Chancenblick heran, mit guter Laune, Heiterkeit und Humor, werden wir Lösungen finden und Potenziale erkennen.

Ich möchte euch alle ermuntern, einen verspielteren und optimistischeren Zugang zu Bildung einzufordern, mit mehr Fokus auf diejenigen, die es betrifft: Unsere Kinder!

Denn Kinder lernen durch Spielen: Sie beobachten frei und ungezwungen Dinge und Phänomene in ihrer Welt, probieren sie aus, experimentieren damit. Das ist etwas, bei dem sogar Scheitern Freude macht! Phantasie und Kreativität können so viel bewirken, wie in einer Startup-Garage im Sillicon Valley. Und wenn Bildungsbeauftragte an ihre Themen mit weniger „Ja, aber…“ und mehr „Warum nicht?“ rangehen würden, wäre uns allen mehr geholfen.

Wenn wir es schaffen…

> den Bildungstrend zu immer mehr Inhalten und Strukturstress zu stoppen,
> mehr auf Fähigkeiten statt auf vereinzeltes Wissen Wert zu legen
> den engagierten Pädagogen mehr Freiheit und Anerkennung zum Ausprobieren neuer Methoden zu geben,
> und Raum für den eigenen Forscherdrang über alle Jahrgangsstufen hinweg möglich zu machen,

…dann wird Schule besser werdenUnd das mit Spaß dabei!

Sieht das jemand von euch anders? Ich freue mich über Kommentare – aber bitte mit Humor!

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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20 Kommentare

Kerstin
Antworten 22. Juni 2016

Wundervoll - spricht mir sowas von aus dem Herzen!! Danke !! <3

Sandra Grote
Antworten 22. Juni 2016

Mein kleiner Mann geht seit August letzen Jahres in die Schule, und was wir seit dem erlebt haben, kann man nicht mehr unbedingt mit Humor nehmen. Wenn dein Kind Ende Januar, nach noch nicht mal einem halben Jahr nervlich zusammen bricht, weil es nicht mehr kann. Die Lehrerin die Kinder so antreibt, das sie mir vor zwei Wochen ganz stolz erzählte, das sie mit dem Unterrichtsstoff 5 Wochen vor Ferien durch ist, weiß ich langsam nicht mehr was ich dazu sagen soll. Weil lustig ist das nicht. Klar haben Lehrer ihre Vorgaben, aber dann muss ich doch nicht gleich zu Anfang so ein Tempo vorlegen, das selbst die Eltern Probleme haben mit zu kommen. Kinder die etwas langsamer oder Kinder die unkonzentrierter sind, haben keine Chance und werden dann teilweise auf Förderschulen geschickt. Da bleibt einem der Humor im Hals stecken. Deshalb finde ich die Ideen hier super gut. Gebt den Kindern Ihren Spaß und Humor zurück. Meiner hat es verloren.

    Berto
    Antworten 20. Juli 2016

    Lehrer haben zwar Vorgaben, aber können diese Vorgaben sehr individuell auslegen. Was muss ein Kind bis zur 2. Klasse gelernt haben? Was bis zur 4.? Liebe Eltern, Lehrpläne gibt es im Internet, schaut sie euch an und redet mit den Lehrkräften. Das geht nur, wenn ihr informiert seid. Eine/n Lehrer/in, die ein solches Leistungstempo vorlegt, würde ich mit Vorsicht geniessen - worum geht es, um sie/ ihn oder die Kinder? Kinder wollen übrigens lernen. Jede Mutter, jeder Vater - und jeder Lehrer! - kennt die fiebrigen Kids vor Schuleingang. Nach einem Jahr ist der ganze Zauber vorbei. Es bleiben wenige, die enthusiastisch bleiben. Gibt das nicht zu denken?

Lernbegleiterin
Antworten 22. Juni 2016

Ich mag Deinen Optimismus und Deine Zuversicht die durch den Text strahlt. Ich hoffe, ich torpediere nicht Deine Grundidee, wenn ich sage, dass Gefühl und Beziehung generell mehr Raum in Schule erhalten sollten. Denn dann wäre auch die Möglichkeit über Unangenehmes oder Trauriges zu sprechen.
Stattdessen erlebe ich zu oft, dass "Beziehungsthemen" gänzlich dem "Funktionieren müssen" weichen, und das führt allzu oft zu schlechter Laune!
Schöne Grüße und Keep going!

    beabeste
    Antworten 23. Juni 2016

    Liebe Lernbegleiterin, das ist ja genau mein Punkt!!! Lieben Dank für dieses Kommentar.

JULCHEN
Antworten 23. Juni 2016

Amen!!!!! Danke für den Artikel!

Nadine
Antworten 23. Juni 2016

Wo kann ich unterschreiben?

Ich habe mich schon immer gefragt, wie man es schafft, diese neugierigen, wissensdurstigen und lernhungrigen Kindergartenkinder innerhalb von wenigen Jahren dermaßen zu demotivieren.
In den Kitas hat sich ja in den letzten Jahr sehr viel getan in Hinsicht auf kindgerechte Bildung. Es wird Zeit, dass das endlich auf die Schulen überschwappt! Denn hier sehe ich auch die Chance für Kinder, die etwas mehr Zeit brauchen oder sich nicht so lange konzentrieren können.

Limalisoy
Antworten 24. Juni 2016

Wie kommst du bloß darauf, dass der Humor fehlt??? Wenn ich in die Gesichter meiner Kolleginnen schaue, sehe ich nur Falten und ab und zu eine Träne... Auch wenn Lachfältchen immer Lehrerzimmer eher weniger gebildet werden und Tränen bei weitem nicht mehr dem Glück oder wirklich ausuferndem Lachen geschuldet sind, bin ich auf meinen Galgenhumor nach wie vor stolz. Auch an schwierigen tagen mache ich vor meinen Schülern total dämlich Grimassen, um sie zum Lernen zu verführen und auch die blödeste Grimasse kommt immer wieder aufs Neue an ;-)
Liebe Grüße,
Yvonne

Josefina
Antworten 7. Juli 2016

Hab gerade meine Bachelor-Arbeit beendet zum Thema Humor in der Pädagogik mit Schülern und Schülerinnen mit emotionalem und sozialem Förderbedarf. Stehe daher auch deutlich auf der Seite, die sich FÜR einen fröhlichen und freudigen Unterricht ausspricht!

    beabeste
    Antworten 8. Juli 2016

    Eine ganze Bachelorarbeit zu diesem Thema? Wie genial ist das denn? Gab es neue Erkenntnisse dazu?

Thomas Gisonni
Antworten 19. Juli 2016

Ich bin selber Schulleiter an einer Gemeinschaftsschule in Baden Württemberg und habe beschlossen, diesen Artikel meinen Kollegen in die Ferien mitzugeben. Es ist teilweise erschrckend, wie wenig wir aud unseren Rahmenbedingungen der GMS machen. Wir müssen keine Noten geben, aber hlren immer noch nicht auf über Bewertungssysteme zu debatieren, anstatt dass wir uns Gedanken machen, wie wir mit Freude Lernen ermöglichen können. Zwei Kolleginnen kamen nach einem Kompetenzcheck zu mir und bescchwerten sich, dass die Schüler "nichts gelernt" hötten und waren dann hgwradezu beleidigt, als ich erwiderte, dass wir dann wohl pberdenken müssten, wie wir das Lernen fördern könnten...

    beabeste
    Antworten 19. Juli 2016

    Lieben Dank fürs schöne Feedback! Ja - wenn man bedenkt, wie viel Freiheit es eigentlich für Beamten gibt, ist es erschreckend wie wenig sie daraus machen! Ich habe auch einen neuen Artikel in der Mache: Wir brauchen mehr Mut in der Bildung! Liebe Grüße, Béa

ICH
Antworten 13. Juni 2017

Der Artikel müsste mal überarbeitet werden, das Hr. Hüther kein Professor ist, hat sich doch inzwischen rumgesprochen.

Eva
Antworten 30. Oktober 2017

Ein Thema dS mich momentan sehr beschäftigt und mitnimmt. Es gibt so vieles zu tun, damit Schule Firmlingen wirder zum wirklichen Ort des Lernens fürs Leben wird. Denn es echt doch nicht darum, wissen ins Hirn zu Trichtern und um Ende dieser Zeit bleibt kaum etwas davon fürs Leben übrig. Natürlich gehören Freude, Humor und Spaß dazu, im Gegensatz zu druck, Angst und Stress, denn das blockiert doch alles. Aber damit es soweit kommt, müssen die Leherer auch soetwas zulassen wollen, denn schnell ist die Angst da, die Schüler tanzen einem auf der Nase herum. Wo ist das Vertrauen in die kinder? Wo ist die Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von kleinen Menschen? Muss sich immer einer über andere hinweg setzten? Ich denke nicht, denn wie du sagst, der Antrieb zu lernen steckt in jedem Kind, es wird ihm nur genommen und so entstehen doch erst Langeweile, Traurigkeit und antriebslosigkeit. Bitte lasst uns alle daran erinnern, dass wir nicht sind ohne starke kinder, die eine starke Gesellschaft weiter führen, mit Lust und Freude und einem Lachen auf den Lippen!!!

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