„Damals hatten die Kinder noch Respekt!“ – Gastbeitrag
Wir haben hier einen Gastbeitrag zum Thema Kindererziehung früher und heute. Eine kleine Reflexion: ausgelöst durch ein Erlebnis im Supermarkt. Am Ende mit Empathie für alle, für mehr Verständnis füreinander:
„Damals hatten die Kinder noch Respekt!“
„Früher hätte es das nicht gegeben!“
„Sie tanzt dir ja auf der Nase herum!“
Es fallen euch bestimmt noch mehr Sprüche ein, die wir Eltern uns oft von der älteren Generation anhören dürfen. Aber haben sie Recht?
Folgende Geschichte hat mich nachdenklich gemacht:
Im Supermarkt schmeißt sich ein Kind weinend zu Boden, weil es die begehrten Süßigkeiten nicht bekommt. Ich lächle die dazugehörige Mutter mitfühlend an. Denn ich kenne diese unangenehme Situation aus eigener Erfahrung ganz genau.
Aber ein älterer Herr hinter uns sieht das anders: „Was für ein verzogenes Gör! Das hätten meine Kinder sich damals aber nicht getraut!“
Die Mutter dreht sich zu ihm um und fährt ihn an: „Ja, weil Sie Ihre „Gören“ vermutlich gezüchtigt haben!“
Das hat gesessen! Der ältere Herr läuft verdutzt in den nächsten Gang. Die Mutter begibt sich auf Augenhöhe des Kindes und diskutiert geduldig und sanft mit ihm, bis es sich beruhigt hat.
Jetzt frage ich mich, waren die Kinder damals wirklich „einfacher“? Und wenn ja, was war der Grund?
Hatten Kinder früher mehr Respekt oder tatsächlich einfach nur Angst vor ihren Eltern?
Noch oft höre ich Aussagen wie „Ein Klaps schadet doch nicht!“
Oder „Lass das Baby doch mal schreien!“
Und ich, als Kind der 80er, merke, wie diese Aussagen etwas in mir auslösen: Hilflosigkeit, Wut und Angst!
ABER ich war ein “liebes” Kind und hätte niemals ein Nein meiner Eltern infrage gestellt. Zufall?
Heutzutage erschaffen wir Wesen, die sich trauen, mit ihren Eltern zu diskutieren. Kleine Menschen, die Dinge hinterfragen!
Wir behandeln sie gleichwertig und sie teilen ihre Sorgen mit uns. Und trotzdem setzen wir Grenzen. Liebevoll, aber konsequent. Dieser Weg ist nicht immer einfach, aber er fühlt sich richtig an! Und im besten Fall erschaffen wir glückliche Menschen, die später selbst lieben können.
Aber wer weiß, vielleicht weht in 30 Jahren wieder ein ganz anderer Wind in Sachen Erziehung. Und dann bin ich die naserümpfende, kritische Oma. ; )
Dieser Text soll kein Vorwurf an die ältere Generation sein. Denn auch sie lieben ihre Kinder!
Sie haben so erzogen, wie es zur damaligen Zeit sogar in Ratgebern empfohlen wurde.
Aber die Zeiten haben sich geändert!
Und wenn du der ältere Herr aus dem Supermarkt bist, vielleicht hast du ja das nächste Mal ein aufmunterndes Lächeln für die junge Mama übrig – sie wird es dir im Stillen danken. : )
Und die junge Mama hat vielleicht später auch ein wenig Empathie für den älteren Mann. Wer weiß schon wirklich, warum er so reagiert hat? Vielleicht bereut er ja insgeheim, dass er damals härter erzogen hat. Oder er hat dadurch heute ein schwieriges Verhältnis zu seinen erwachsenen Kindern und fühlt sich deswegen einsam. Außerdem gab es damals ja auch noch nicht diese Flut an Informationen und Erkenntnissen, wie es sie heute gibt.
Wir bedanken uns für diesen Gastbeitrag. Jede Generation wird von der vorherigen geprägt. Wir haben die Möglichkeit, etwas zu verändern.
Wie wollt ihr später sein?
mindfulsun und Béa
- 11. Aug 2023
- 1 Kommentar
- 5
- Früher hätte es das nicht gegeben
Micky
11. August 2023Ich wurde damals auch noch von meinen Vater geschlagen und hätte mich niemals getraut meinen Eltern zu widersprechen.
Ich war ein braves Kind, das dann als Jugendliche und junge Erwachsene keinerlei Selbstvertrauen hatte. Ich dachte immer, es stimmt etwas nicht mit mir und ich bin nicht gut genug.
Bei meiner Tochter versuche ich es ganz anders zu machen. Dafür gibt es auch mal Diskussionen aber das ist doch auch ok.
Ich hoffe, sie wird selbstsicherer sein als ich es damals war. Das ist mein Wunsch.