Ein Hoch auf Geltungsbedürfnis und Klugscheißer: Bitte stempelt keine Eigenschaften ab, die Kindern große Chancen bieten!


Wer von euch hat schon mal die Erfahrung gemacht, dass er sich etwas stark gewünscht hat – aber eine innere Stimme ihn daran gehindert hat, dies auch zu erreichen?

Diese innere Stimme, die vielleicht gesagt hat:

Wenn ich das mache, spiele ich mich zu sehr in den Vordergrund!

Ich hasse es, mich anzupreisen!

Ich will nicht neugierig erscheinen!

Sei nicht so penetrant, du forderst zu viel!

Das kommt voll als Klugscheißer rüber!

Euch fallen bestimmt mehr solcher Sätze ein, stimmt’s?

Manche davon verfolgen viele Menschen schon seit der Kindheit. Und genau deswegen möchte ich euch darauf aufmerksam machen, wie abwertende Äußerungen und Bewertungen bezüglich anderen Menschen oder sogar euch selbst gegenüber euren Kindern schlichtweg in ihrem Entwicklungsweg stehen können. Ich habe exemplarisch vier davon ausgewählt und stelle sie euch vor. Ich möchte im Folgenden nicht erschöpfend darüber schreiben, sondern lediglich eine Diskussion darüber anstoßen – und freue mich, wenn ihr mir dazu eure Gedanken in den Kommentaren mitteilt:

1. Warum hat das Geltungsbedürfnis einen so schlechten Ruf?

Wie stellt ihr euch eigentlich erfolgreiche Menschen vor? Sichtbar und selbstbewusst? Vielleicht präsentieren sie auf einer Bühne? Vielleicht tauchen sie in der Zeitung auf? Aber wir hören darüber auch: Rampensau, Wichtigtuer, Profilneurotiker… Voll das Geltungsbedürfnis!

Was bleibt bei den Kindern hängen? „Spiel dich nicht in den Vordergrund!“? „Leiste solide, still und leise“?

Die endgültige Verwirrung kommt, wenn es dann in der Schule heißt: Sollte mündlich mehr mitmachen.

Überlegt also, ob das, was manche als Geltungsbedürfnis abstempeln, nicht ein natürlicher Wunsch nach Anerkennung ist: Wer will nicht gesehen, nicht bemerkt, nicht wertgeschätzt werden? Und jetzt kommt die wahre Krux: Diejenigen, die natürlicherweise aufstehen und sich das holen, werden von einigen kritischen Äußerungen nicht zurückgehalten. Die machen es trotzdem. Glaubt mir, ich rede aus eigener Erfahrung, ich bin ja selbst eine bekennende Rampensau. Und auf dem Weg bleiben dann die anderen, die eigentlich genau die Ermunterung brauchen. Die sich schwer tun, sich anzupreisen. Die dann mündlich lieber nicht mitmachen, sondern lieber in einer Ecke schweigen…

Natürlich geht es auch darum, etwas Sensibilität zu vermitteln. Wer in den Vordergrund tritt, kann es sein, dass er das auf Kosten der anderen macht. Wenn ich laut bin, muss jemand anderes leise sein. Schön ist, wenn wir beide lernen, dass eine gute Balance aus Reden und Zuhören, aus Mitteilen und Herausfinden am schönsten ist.

Und das führt zur nächsten Thema:

2. Neugier ist eine gute Gier

Kinder sind voller Forscherdrang und wollen natürlich alles wissen! Natürlich freuen wir uns, wenn kleine Vorschüler die Frage Warum gefühlt oder tatsächlich Tausende Mal am Tag stellen. Nur irgendwann geht es vielleicht um Themen, bei denen die Bremse kommt: „Sei mal nicht so neugierig!“ Im Englischen gibt’s sogar ein Sprichwort: „Curiosity killed the cat!“, „Die Neugier hat die Katze getötet!“ Über die Ursprünge lässt es sich streiten, aber ein wenig Todessünde streckt ja drin.

Aber ganz das Gegenteil treibt die Neugier sowohl zum Lernen an als auch zum Verbinden mit anderen Menschen an. Ich kenne einige Menschen, die mir auffallen, weil sie nie Fragen stellen. Mit einem habe ich mich mal zu diesem Thema unterhalten, weil ich irritiert war und dachte, er habe kein Interesse an dem, was ich mache. Im Gespräch habe ich dann herausgefunden, dass seine Mutter ihn seit Kindertagen immer wieder davor gewarnt hat, „zu neugierig“ zu sein und meinte, dass Fragen „indiskret“ seien. Es tat gut, darüber zu reden – und für ihn war es auch erleichternd zu erfahren, dass mehr Fragen bei mir willkommen sind.

3. Mehr Klugscheißer und Besserwisser bitte

Wisst ihr, wie schwer manche Kinder es haben, die an Wissen und Stoff interessiert sind, sich in Klassengemeinschaften zu behaupten? Streber, Nerds, Klassenbeste? Was ist falsch daran? Streber kommt von Streben, ein Ziel haben und es zu verfolgen. Was bitte ist falsch daran?

Ich kann mich sogar daran  erinnern, dass meine Mutter mir schon zu Grundschulzeiten den Tipp gab: „Kind, wenn du es leicht in der Schule haben willst, sei gut in Mathe und sei gut in Sport. Wenn du gut in Mathe bist, giltst du als intelligent. Wenn du dann auch gut in Sport bist, hast du kein „Streber-Image.“ Ich habe beides erfüllt, das saß schon. Ich habe mich aber in der Grundschule für das Kind eingesetzt, das noch viel besser als ich in Mathe war und schlecht in Sport, damit wir als Klassenverband nicht den Streber mobben – sondern ihn als jemanden behandeln, der zu uns gehörte – und wir haben zusammen seinen feinen Humor und sein unglaubliches Wissen, nicht nur in Mathe geschätzt. Verachten ist einfach. Integrieren und wertschätzen – das ist die große Kunst!

4. Es ist OK, dran zu bleiben: Penetrant kommt weiter

Penetranz ist eine umstrittene Eigenschaft, und ich kann gestresste Eltern nur verstehen, wenn sie mit einem Kind mit einem starken Willen manchmal verwzeifeln. Den Spruch kennt ihr: „Ich will, dass mein Kind eine starke Persönlichkeit und Durchsetzungsvermögen hat. Nur nicht hier. Nur nicht heute. Nicht in diesem Supermarkt!“

Es ist aber eine große Eigenschaft, nicht aufzugeben. Seine Ziele zu verfolgen – um nicht zu sagen: Überhaupt welche zu haben…

In diesem Sinne, auch diese „don’t take no for an answer“-Eigenschaft kann enorm helfen im Leben!

Genauso wie viele andere.

Bin gespannt, was ihr dazu meint. Wie geht ihr mit Bewertungen von Eigenschaften um, die so grundsätzlich einen umstrittenen Ruf haben?

Liebe Grüße,

Béa

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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