Ist zu viel Hygiene der Ruin? Sollten wir uns wieder „schmutzig“ machen?


Béa hat mir neulich einen sehr interessanten Artikel weitergeleitet, in dem es darum geht, dass wir Bakterien wieder in unser Leben holen sollen. Ich habe ihn gelesen und mich anschließend gefragt, ob zu viel Hygiene vielleicht der Ruin ist und wir uns vielleicht einfach wieder „schmutzig“ machen sollten!

Schmutzig machen – klar, das klingt provokant, denn dabei denken wir schnell an Schweine, die sich vergnügt im Schlamm rollen und „schmutzig“ machen. Aber Hand aufs Herz: Wie viele Hygieneartikel benutzen wir? Wie viele Badreiniger haben wir zu Hause? Wie oft waschen wir unsere Wäsche? Und fühlen wir uns an „Dreckigen“ Orten nicht automatisch „unwohl?“

Dieses Thema interessiert mich sehr, weil ich leider selbst einen leichten Hygienetick habe, der sich während meiner Pubertät manifestiert hat. In dem Beitrag Sind Begrüßungsküsse gesünder als Handschlag? erzähle ich euch ein bisschen darüber, aber hier folgt die ganze Geschichte.

Hygiene ist ansteckend!

Meine Mutter war schon immer sehr hygienebewusst und so wurde ich es mit der Zeit auch. In der Schule wurde ich dann wieder mit dem Thema konfrontiert. Ein Mädchen aus meiner Klasse fing an, immer und überall Desinfektionsmittel zu nehmen. Als wäre es Kaugummi, fragten wir anderen auch danach und massierten unsere Hände mit dem kalten medizinisch riechenden Gel. In Zeiten von der Schweinegrippe und weiteren „Epidemien“ wurde regelrecht dafür geworben und so wurde das Desinfektionsmittel auch mein ständiger Begleiter. Irgendwie hatte ich seitdem ein neues Bild von der Welt, ein schmutzigeres.

Zum Beispiel der Dreck im Bus…

Klar, die Schulklos sind dreckig, aber die öffentlichen Verkehrsmittel sind es auch. Einmal sah ich, wie eine Mitschülerin aus meiner Schule sich nie am Bus festhielt und stattdessen ihren Ärmel benutzt. Erst da dachte ich zum ersten Mal darüber nach, wie viele Bakterien öffentliche Verkehrsmittel haben, weil hier so viele Menschen tagein tagaus entlang spazieren. Prompt fing auch ich an mich nicht mehr in Bussen und U-Bahnen festzuhalten. Ohne, dass ich es wusste, steckte ich mich bei meinen Mitschülern an und wurde ebenfalls ein Hygiene-Heini.

Mehr Dreck im Krankenhaus?!

Aber nun zurück zum Wesentlichen. Ein gewisser Jack Gilbert meint nämlich, dass wir Krankenhäuser wieder dreckiger machen sollen. Damit widerspricht er dem seit 1867 existierenden Weltbild, das seit jeher auf ein steriles Umfeld plädiert. Und auch ich kann mir im ersten Moment nichts anderes vorstellen, schließlich wimmelt es in Krankenhäusern von kranken Menschen, Viren und Bakterien.

Allerdings vergleicht der Gute Gilbert, der stellvertretende Direktor des Instituts für Genomik und Systembiologie am Argonne National Laboratory das ganze mit Tieren. Denn er hat festgestellt, dass bei der Untersuchung von Delfinen die Tiere im schmutzigeren Aquariumwasser gesünder waren als im sauberen.
Gut, das ist mir gar nicht mal so fern. Auch ich, als typisches Stadtkind mit tausend Allergien weiß, dass Kinder, die in Bauernhöfen großwerden, deutlich weniger haben, weil mein Immunsystem nicht so gut ausgebaut ist- das sagt zumindest die WELT!

„Kinder auf Bauernhöfen oder mit Haustieren in der Wohnung atmen über den Staub aus Stall oder Käfig mehr Pilz- und Bakterienpartikel ein. Vor allem bestimmte bei Kühen vorkommende Mikroben gelten als allergiemindernd.“

Auch der Wissenschaftsjournalist Ed Yong ist der Meinung, dass das Bild von Bakterien dringend geändert werden sollte. Er sagt nämlich, dass allein der menschliche Darm mehr Bakterien enthält, als es Sterne am Himmel gibt. Auch sagt er, dass weniger als 100 Bakterienarten unsere Gesundheit gefährden und der Rest sowohl harmlos, als auch schützend ist.

Das gleiche mit Mikroben. Mikroben sollen wohl die ersten Lebewesen auf der Welt gewesen sein und uns seitdem überall hin begleiten und an jedem Ort existieren. Sie können also gar nicht so „böse“ sein, wie sie immer dargestellt werden….

Okay, soweit so gut. Ein gewisses Maß an „Dreck“ ist gesund und sogar wichtig für das Immunsystem. Und auch in meinem Beitrag habe ich euch schon erzählt, dass Keime per se nicht ungesund sind, sondern nur diejenigen, die ansteckbar sind.

Aber jetzt kommt der Hammer: Eine „Stuhl“-Transplantation!

Der Beitrag schreibt von einer großen Erfolgsrate (94%), dass gesunder Spenderstuhl  im Magen-Darm-Trakt von C. diff-(einer der häufigsten Krankenhauskeime) Patienten implantiert wird, um ein gesundes Gleichgewicht der Bakterien im Darm wiederherzustellen. Das kommt jetzt sogar in Pillenform!

Verrückt, oder??? Da glaubt man, dass es nichts unhygienischeres gibt, als die Kacke von jemand anderem (entschuldigt die Ausdrucksweise) und dann wird sie transplantiert!

Aber trotzdem bin ich verwirrt!

Seit Jahren hören wir immer wieder wie wichtig es sei, immer brav die Hände zu waschen und dies und das zu reinigen. Und dann gibt es da die Gegenseite, die, die das alles weniger ernst sieht und sogar befürwortet, wenn nicht alles steril ist. Ich muss euch ehrlich sagen, dass mich die Sache mit „schmutzigen Krankenhäusern“ nicht gerade anspricht. In Bussen feshalten ja, aber in Krankenhäusern?

Ich schließe diesen Beitrag mit einem ungenauen Schulterzucken ab, denn irgendwie kommt es mir so vor, als wäre ich noch verwirrter, als noch zu Beginn. Auf jeden Fall ist mir nun etwas klarer geworden, dass ich mir mit meinem zwanghaften Hygienetick keinen Gefallen tue. Aber dennoch schreckt es mich ab ins andere Extrem zu rutschen.

Wie seht ihr das Ganze? Befürwortet ihr die Meinung der renommierten Wissenschaftler? Habt ihr eine völlig andere Meinung?

Liebe Grüße, Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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2 Kommentare

Irene
Antworten 20. Juni 2019

Danke für diesen tollen Blog. Macht weiter so.

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