Verzweifelte Kinder in der Pubertät – Was Teenies sich von ihren Eltern wünschen


Die Pubertät bringt für Jugendliche eine Zeit des Umbruchs und der Herausforderungen mit sich. Oft fühlen sie sich missverstanden und verzweifelt. In diesem Artikel möchte ich euch die Perspektive von verzweifelten Teenagern aufzeigen, ihren Ursachen nachfühlen, warum Kinder und Eltern während dieser Phase oft aneinander geraten, und wie Eltern einfühlsam auf die Bedürfnisse ihrer heranwachsenden Kinder eingehen können.

Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass die Pubertät zu einer der schlimmsten Episoden meines Lebens zählt.

Mittendrin war es mir natürlich selbst nicht bewusst, aber rückblickend weiß ich nicht, wie ich es heil aus ihr „heraus geschafft“ habe. Insbesondere deshalb, weil ich mich unglaublich allein fühlte.

Rückblickend wäre es vermutlich viel leichter gewesen, wenn ich mich von meinen Eltern unterstützt gefühlt hätte – stattdessen hatte ich eher das Gefühl, sowohl mit der Pubertät als auch mit ihnen zu kämpfen. Und sie dachten vermutlich das Gleiche. Wir brachten uns gegenseitig an den Rand der Verzweiflung, fühlten uns ohnmächtig und hilflos.

Heute kann ich besser reflektieren, was schiefgegangen ist. Viele Dinge haben gefehlt – Vertrauen, Kommunikation und vor allem Verständnis. Kleine Probleme wurden zu großen Problemen. Die Schlange biss sich selbst in den Schwanz und wir entkamen nicht dem Teufelskreis.

Aber zurück zur Pubertät.

Hier ein paar Hauptpunkte, mit denen Jugendliche während der Pubertät konfrontiert werden:

1. Körperliche Veränderungen

Die Pubertät ist eine Zeit des körperlichen Wandels. Wir werden größer, nehmen zu, bekommen Haare am Körper, unsere Geschlechtsorgane entwickeln sich. Und so weiter und so fort. Ich sage euch: Das ist nicht nur gruselig, sondern mit unendlich viel Druck verbunden. Denn meistens verändert sich der Körper nicht so, wie der junge Mensch es sich wünscht. Während ich sehnlichst darauf wartete, dass sich an meiner Oberweite irgendwas regte, wurde ich um den Bauch und der Hüfte herum immer massiger. An meinen Armen wuchsen Haare, was mir ziemlich unangenehm war, da sie so sichtbar und dunkel waren. Und am allermeisten Kummer bereitete mir mein Gesicht, das von fieser Akne befallen war. Natürlich wachte ich nicht eines Morgens auf und fühlte mich plötzlich hässlich; es war das Schönheitsideal, das mir diesen Druck machte. Manchmal fühlte ich mich so hässlich, dass ich mein Spiegelbild nicht lange ertrug.

Hormonelle Veränderungen

Die Hypophyse (das ist eine Drüse im Gehirn) beginnt während der Pubertät verstärkt Hormone zu produzieren, wie z.B. Östrogen bei Mädchen und Testosteron bei Jungen. Diese Hormone beeinflussen die körperlichen Veränderungen sowie die Emotionen und das Verhalten der Jugendlichen.

Außerdem ist da noch Melatonin, ein Hormon, das eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus spielt. Es wird von der Zirbeldrüse (Epiphyse) im Gehirn produziert und ist dafür verantwortlich, den Schlaf-Wach-Zyklus zu steuern, indem es den Körper auf den Schlaf vorbereitet. Während der Pubertät kommt es zu einer Verschiebung des Melatonin-Rhythmus bei Jugendlichen. Das Hormon wird später am Abend ausgeschüttet und erreicht in der Nacht seinen Höhepunkt. Diese Veränderung bewirkt, dass Jugendliche oft später müde werden und morgens länger schlafen möchten. Dieses Phänomen wird als „pubertäre Schlafphase“ oder „biologische Nacht-Eule“ bezeichnet, und führt dazu,  dass Jugendliche häufig Schwierigkeiten haben, früh abends einzuschlafen und morgens rechtzeitig aufzuwachen.

Ich hatte während der Pubertät einen ganz verdrehten Rhythmus, da ich nach der Schule immer so müde war, dass ich erst mal schlafen musste. In der Nacht war ich hingegen immer wach, obwohl ich am nächsten Tag schon um sechs aufstehen musste. Dass das Melatonin daran schuld ist, war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar. Ich machte stattdessen mich selbst dafür fertig, dass ich immer so undiszipliniert war und spät ins Bett ging.

Emotionale Veränderungen

Während der Pubertät erleben Jugendliche oft intensive Emotionen, gegen die sie sich gar nicht wehren können. Die Stimmung schwankt wie auf einer Wippe. Gefühle wie Scham, Angst und Unsicherheit fluten den Körper wie eine große Welle. Pubertierende spüren einfach alles doller – Schmetterlinge im Bauch, aber auch Herzschmerz.

Sexuelle Entwicklung

In der Pubertät beginnen Jugendliche auch ihre sexuelle Identität zu entdecken. Der Körper erwacht zum Leben, und plötzlich fühlt man Dinge, die man nie zuvor gespürt hat. Das Erkunden der eigenen Sexualität ist unglaublich spannend, aber auch beängstigend und mit vielen offenen Fragen verbunden. Hierbei trennen sich die Wege zwischen Eltern und Kindern ebenfalls, da Eltern meist nicht die Bezugspersonen sind, wenn es um sexuelle Themen sind. Zumindest war das bei mir so.

Dass so viele Dinge in meinem Körper gleichzeitig passierten, brachte mich in die Verzweiflung.

Und dann kamen auch noch meine Eltern, denen ich mich immer mehr entfremdete und eine frustrierende Dynamik entstand, die mich noch mehr verzweifeln ließ.

Eltern und Kinder während der Pubertät – Warum ist es immer ein Kampf?

Ich kann natürlich nicht für alle Eltern und Kinder der Welt sprechen, aber in meiner Biografie kann ich nun ganz klar die Punkte benennen, warum sich die Dinge  während der Pubertät immer weiter zuspitzten.

1. Unabhängigkeit und Autonomie

Teenager streben nach mehr Freiheit und Selbstständigkeit, während Eltern oft um die Sicherheit und das Wohlbefinden ihrer Kinder besorgt sind. Eltern wollen ihre Kinder schützen – klar. Eltern haben mehr Erfahrung und wissen es oft tatsächlich besser. Doch sobald sich Eltern zu stark einmischen, sobald ihnen ihre eigene Entscheidungsfähigkeit nicht zugetraut wird, kann die Verzweiflung ziemlich groß werden.

Ich dachte immer, dass meine Eltern kein Vertrauen ich mich hatten, da sie ihre Zweifel immer ganz direkt mit mir äußerten. Zum Beispiel hatten sie häufig Probleme mit meinen Freundinnen. Sie gestanden mir, wenn sie bei einer bestimmten Person kein gutes Gefühl hatten, und obwohl sie mit ihrer Einschätzung sogar häufig richtig lagen, verletzten sie mich mit ihrer Direktheit sehr.

Und so richtig autonom werden, wollten sie mich auch nicht, denn bei bestimmten Menschen war ihre Sorge so groß, dass sie mir den Kontakt sogar verbaten. Und was tat ich? Ich traf mich heimlich. Denn ein Verbot hält einen Teenager nicht von seinem Vorhaben ab, es schafft nur einen Bruch in der Beziehung, die fortan nicht mehr aufrichtig sein kann.

Und so war es bei allem. Auch, was meinen Körper angeht. Alles musste kommentiert und mitentschieden werden.

„Das steht dir, das steht dir nicht. Das ist zu lang, das ist zu kurz. So gehst du nicht raus. Du brauchst eine Jacke. Nein, du darfst kein Piercing haben. Spinnst du, ein Tattoo?!“

Eltern dürfen bis zum achtzehnten Lebensjahr mitentscheiden – erlauben aber auch verbieten – und ein Verbot bremst die eigene Autonomie. Ich frage mich deshalb, ob es wirklich nötig ist, so viel zu verbieten? Bei lebensverändernden Entscheidungen wie Gesichtstattoos verstehe ich die Sorgen ja (Teenager sind zugegebenermaßen sehr sprunghaft, was ihre Interessen und ihren Style angeht), aber wenn es sich um banale Dinge wie Schminke oder Klamotten handelt – braucht es wirklich all diese Regeln?

Mich haben sie von (fast) nichts abgehalten. Ich durfte mich nicht schminken und habe es dennoch getan (morgens in der Schule geschminkt und nach der Schule im Klo wieder abgeschminkt). Ich durfte keine knappen Sachen tragen, und zog mir auf dem Weg zur Schule hinten im Bus ganz undercover-mäßig die Leggins aus, bis ich nur noch das Kleid trug. Ein Bauchnabelpiercing ließ ich mir auch stechen. Da war ich zwar schon über achtzehn, aber ich hatte trotzdem Schiss, dass meine Mutter sauer werden würde, wenn sie es erfuhr.

Und genau das ließ mich so verzweifeln: Die Heimlichtuerei. Das schlechte Gewissen, weil ich meine Eltern belog. Die Angst, erwischt zu werden. Ich brach Regeln und konnte es dennoch nicht genießen.

2. Schulleistung und Verantwortung

Unterschiedliche Erwartungen an schulische Leistungen und Verantwortung können innerhalb der Familie zu starken Spannungen führen. Eltern üben Druck aus, damit die Kinder gute Noten erreichen, während Teenager ohnehin schon gestresst sind. Natürlich meinen sie es nur gut … Aber macht es das wirklich besser?

Der Druck, der auf mir lag, war enorm. Als ich jünger war, bekam ich bei schlechten Noten richtig dollen Ärger. Und je ängstlicher ich wurde, desto mehr blockierte etwas in meinem Gehirn (Stichwort: Blackout). Der Anschiss wuchs bei jeder schlechten Note und mein Schnitt sank immer mehr in den Keller. Bei Mathe war die Enttäuschung besonders groß, da sehr viel Geld für Nachhilfe investiert wurde, und ich doch nur Fünfen bekam.

Die Konsequenz: Ich log schon wieder. Meinen Eltern sagte ich, ich hätte eine 3, und meinen Lehrer:innen zeigte ich die gefälschte Unterschrift meiner Mutter oder meines Vaters. Der schlimmste Tag im Jahr war aber der Elternsprechtag, denn da kam die Wahrheit über meine Schulleistungen doch ans Licht. Ich kriege heute noch Bauchschmerzen, wenn ich daran denke. Und meine Eltern auch, denn für sie ist der Tag mit viel Demütigung verbunden, da sie ja überhaupt nichts von meinen Noten wussten.

Natürlich wünschen Eltern ihren Kids Erfolg und nur das Beste. Und natürlich kann ein bisschen Druck helfen, Teenies in die Gänge zu bringen. Aber diese Art von Strenge hat mich persönlich überhaupt nicht weitergebracht, im Gegenteil. 

3. Erwachsen werden und Zukunftspläne schmieden

Je älter Kinder werden, desto mehr müssen sie sich fragen, in welche Richtung ihr Leben verlaufen wird. Dazu zählen während der Pubertät im Besonderen: Bildungsweg und Berufswahl. Eltern haben häufig ihre eigenen Vorstellungen darüber, was für ihre Kinder am besten ist, während die Kids ihre eigenen Wünsche und Träume entwickeln. Je unterschiedlicher die Perspektiven, desto mehr Spannungen entstehen, und ich gebe zu, dass dieses Thema wirklich heikel ist. Eltern müssen ihren Kindern eigene Entscheidungen zutrauen, aber trotz allem Verantwortung tragen. Denn wenn das Kind mit fünfzehn beschließt, die Schule zu schmeißen, wäre es unverantwortlich, das Kind „einfach machen zu lassen“. Aber den Weg genau vorgeben, ist allerdings auch nicht so cool.

Meine Eltern wollten mich zum Beispiel unbedingt aufs Gymnasium boxen, obwohl ich eine Realschulempfehlung hatte. Daraufhin folgten drei traumatische Jahre, in denen mein kompletter Selbstwert zerbröselte, und meine Noten so unterirdisch schlecht waren, sodass ich die Klasse wiederholte. In der achten fiel ich wieder durch und musste schließlich sogar die Schule wechselte. Wenigstens ließen sie mich danach endlich selbst entscheiden – und siehe da: Meine Noten wurden in der Gesamtschule besser. Ohne Druck klappte auch das Abitur und später dann der Bachelor.

4. Schlechte bzw. fehlende Kommunikation

Eltern verstehen ihre Kinder einfach nicht. Das dachte ich zumindest, denn jedes Gespräch mündete in Unverständnis. Deshalb sprach ich nicht mit ihnen über all die Themen, die mich belasteten. Wenn ich von Freundinnen hörte, dass es bei ihnen anders war, spürte ich Wehmut in mir aufsteigen. Ich wollte das auch. Aber wie sollte ein ehrliches Gespräch funktionieren, wenn ich mich nicht wirklich gehört fühlte? Erst vor Kurzem haben meine Mutter und ich darüber geredet, wie viel leichter es gewesen wäre, wenn wir einfach ehrlich miteinander gewesen wären – auch sie, die viele Dinge vor uns Kids verbarg, aus Angst, uns damit zu belasten. Nun ja, im Nachhinein sind wir immer schlauer…

Aktives bzw. empathisches Zuhören hilft:

 

5. Einsamkeit und Verzweiflung

Es gab so viele Momente, in denen ich tief in der K**** steckte, aber nicht zu meinen Eltern gehen konnte, weil ich Angst hatte, sie würden sauer werden. Stunden, in denen ich allein in meinem Bett weinte, und wünschte, von meiner Mama umarmt zu werden. Tage, in denen ich ihr sagen wollte, dass sie mit ihrer negativen Einschätzung bezüglich meiner Freundin recht hatte, aber es nicht zugeben konnte, weil sie sich dann nur darin bestärkt fühlte, mir weiter ihre Regeln aufzudrängen. Ich hätte mir gewünscht, keine Unterschriften fälschen zu müssen, keine Heimlichtuereien abzuziehen, keine verdammten Lügen zu erzählen. Ich wollte ein offenes Ohr, aber keine Ratschläge, mich mitteilen, ohne verurteilt zu werden.

Kinder verzweifeln in der Pubertät – aber es ist so viel leichter, wenn sie ihre Eltern an ihrer Seite haben.

Was ich mir als Teenager von meinen Eltern gewünscht hätte:

Ehrlich sein zu dürfen.
Eigene Entscheidungen zu treffen.
Nicht verurteilt zu werden.
Fehler machen zu können.
Offen und ehrlich miteinander zu reden.
Viel sanfter miteinander zu sein.
Bedingungslos akzeptiert zu werden.

Kein Frust auf die Eltern

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich meinen Eltern nichts nachtrage. Sie haben das getan, von dem sie dachten, dass es das Beste für mich wäre, und waren geprägt von den Normen ihrer eigenen Erziehung. Als ich ein Kind war, wurde Kindererziehung auch noch nicht so kritisch hinterfragt wie heute. Ihnen war nicht klar, welche psychologischen Ausmaße die ein oder anderen Entscheidungen hatten.

Außerdem litten sie ja selbst, denn nicht nur ich war verzweifelt. Sie hatten es auch nicht leicht mit uns Kids, die von Tag zu Tag immer wilder wurden.

Aber ihre Perspektive ist ein so umfangreiches Thema, dass es schon einen eigenen Beitrag wert ist …

Es ist mir wichtig, ehrlich zu sein. Kinder neigen dazu, ihre Eltern zu glorifizieren und über zu viele Dinge hinwegzusehen. Das tue ich nicht mehr, aber diese Einsicht bedeutet nicht, dass ich mich über sie beschwere oder jammere. Meine Eltern sind keine Heiligen und ich bin es auch nicht. Wir alle sind Menschen und leben zum ersten Mal. Natürlich sind wir nicht perfekt. Natürlich machen wir Fehler.

Falls ihr mit euren Kids ebenfalls in ständige Konflikte geratet, dann hoffe ich, dass ich euch mit diesem Beitrag einen Einblick in die Perspektive von Jugendlichen geben konnte. Vielleicht hilft es euch, ihre Gedankengänge besser zu verstehen, und eventuell sogar neue, sanftere Wege auszuprobieren. Es ist immer besser, in einem Team zu spielen als gegeneinander. <3

Was hat euch als Kids in die Verzweiflung gebracht? Und wie standet ihr euren Eltern gegenüber?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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