Ein Reminder für Jungs: Es ist okay, über seine Gefühle zu reden…


…Genauso, wie es in Ordnung ist, zu weinen, traurig zu sein, ängstlich, panisch. Kurz: Gefühle zeigen und über sie reden, ist okay.

Doch obwohl schon seit Jahren proklamiert wird, dass „Toxic Masculinity“ sowas von 2001 ist, sieht die Praxis anders aus. Immer wieder sehe ich es bei Jungs und Männern, die ich kenne. Selbst mein Babysitterkind musste schon mit fünf den großen Macker raushängen lassen, und das, obwohl seine Mama wirklich darum bemüht war, ihm keine Genderformen vorzuleben.

Diese verdammte toxische Männlichkeit …

Sie ist wie ein Sog, in dessen Strudel man so leicht fallen kann. Denn egal, wie gut wir den Jungs zureden, müsste auch der Rest der Welt mitziehen, um einen wirklichen Wandel zu bewirken. Und genau aus diesem Grund braucht es immer wieder kleine Erinnerungen. Es reicht nicht, den Jungs ein mal zu sagen, dass es okay ist, seine Gefühle zu zeigen. Wenn sich die Botschaft wirklich im Gedächtnis festsetzen will, dann am besten, in dem man es so oft wie möglich hört.

Ich sehe das Phänomen häufig bei Jungs unter anderen Jungs. Voreinander können sie keine Gefühle zeigen, die als sogenannte „Schwächen“ proklamiert werden, während sie durchaus mit Mädchen reden können. In der Schule hatte ich einen guten Freund, der uns Mädchen von Problemen erzählte, die er nicht einmal mit seinem besten Freund teilte. Nicht, weil er ihm nicht vertraute, sondern, weil: „Über so was reden wir nicht …“

Aber wieso nicht? Sollten Freund:innen nicht immer füreinander da sein, sich aufbauen, trösten, und idealerweise auch über die unbequemen Themen reden dürfen?

Nun, ich mache den Jungs keinen Vorwurf, denn die Sozialisation sagt etwas anderes. Und eben deshalb braucht es immer wieder einen Reminder, dass es okay ist, über seine Gefühle zu reden.

„Ich will aber nicht darüber reden!“

„Ich brauche das nicht. So schlimm ist es nicht! Was soll reden bringen? Ich mach das lieber mit mir selbst aus. Hör auf das immer zu sagen! Ich bin nicht wie du! Ich muss nicht über alles reden!“

Wenn ihr eure Unterstützung anbietet, werdet ihr höchstwahrscheinlich auf Widerstand stoßen. Verständlich, wenn man die Gefühle ständig einsperrt und keinen Zugang zu ihnen findet. Abgesehen davon ist es unbequem, am Anfang zumindest. Diejenigen, die mal eine Therapie gemacht haben, werden es kennen: Am Anfang ist es total schwer, sich zu öffnen, doch je länger man da ist, desto einfacher wird es. Übung macht den Meister.

Aber wie gibt man Jungs den Reminder, ohne aufdringlich zu sein?

Schließlich muss jedes Nein respektiert werden. Wenn das Kind nicht darüber reden will, wird es das ganz sicher auch dann nicht tun, wenn es dazu gedrängt wird. Vermutlich wird der Widerstand dann nur noch größer.

Dennoch würde ich immer wieder daran erinnern, dass die Tür jederzeit zum Reden offensteht.

„Willst du darüber reden? Nein? Okay, aber falls doch, kannst du jederzeit auf mich zukommen.“

Außerdem habe ich im Laufe der Jahre gelernt, wie wertvoll es nicht nur für einen selbst, sondern auch für andere sein kann, wenn ich mich verletzlich zeige. Einmal habe ich meinem Kollegen ganz offen erzählt, dass ich nachher noch zur Therapie gehe. Daraufhin fragte er vorsichtig, warum ich eine bräuchte, und als ich es ihm ehrlich sagte, war er ein wenig baff und traute sich schließlich, auch von seiner Therapieerfahrung zu erzählen. Da wurde mir klar, dass viele Menschen sich eher öffnen, wenn sie sich wirklich verstanden fühlen.

Dasselbe mit einem guten Freund von mir, der gerade unter ziemlich heftigem Liebeskummer leidet. Er war traurig und hielt sich ziemlich wacker, und erst nachdem ich ihm erzählt hatte, dass mein Liebeskummer eine der schlimmsten Zeiten in meinem Leben war, brach die Trauer auch aus ihm heraus. Er sagte mir auch, dass er sich nicht traute, mit anderen darüber zu reden, weil sich viele darüber wunderten, dass er nach einem Monat noch immer an ihr hing. Und das ist auch der Grund, warum Jungs in der Regel länger brauchen, um Liebeskummer zu überwinden – erst drücken sie den Schmerz weg, aber früher oder später holt er sie trotzdem ein, und begleitet sie manchmal sogar über Jahre (mehr dazu in diesem Beitrag).

Stichwort: Vertrauensvorschuss!

Wenn ihr jemandem zuerst Vertrauen schenkt, bekommt ihr es vielleicht gleichermaßen zurück.

Aber wirkliche Veränderung kann über Jahre dauern. Und deshalb ist der Appell auch ein Reminder, der Jungs und Männern immer und immer wieder kommuniziert werden muss.

„Es ist okay. Du darfst auch weinen. Du darfst auch traurig sein. Du musst das nicht allein durchmachen. Du musst nicht immer stark sein. Du kannst auch um Hilfe bitten.“

In diesem Beitrag habe ich mich ausschließlich auf Jungs und Männer bezogen, da diese noch immer in Richtung toxische Männlichkeit sozialisiert werden. Aber natürlich gilt der Appell für alle Menschen, Frauen, nicht binären Menschen, Väter, Mütter, Lehrer:innen, Freund:innen – sie alle haben ein Recht auf ihre Gefühle.

Und diese sollten ihnen niemals abgesprochen werden.

Falls ihr einen tollen Buchtipp braucht, um das Phänomen toxischer Männlichkeit in verschiedenen Fassetten zu begreifen, kann ich euch von Herzen JJ Bolas „Sei kein Mann“ empfehlen! In diesem Beitrag habe ich bereits von dem Buch geschwärmt!

Wie sind die Jungs und Männer in eurem Leben so drauf? Können sie ihre Emotionen mit euch teilen?

Mehr zu dem Thema findet ihr hier:

Was ist toxische Männlichkeit und wie können wir Kinder davor bewahren?

Und hier der Beitrag zum Buch:

Eine kritische Auseinandersetzung mit „Männlichkeit“ – Warum ich glaube, dass wir alle „Sei kein Mann“ von JJ Bola lesen sollten!

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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