Was ist toxische Männlichkeit und wie können wir Kinder davor bewahren?


Jungs können auch weinen, unsicher sein und Komplexe haben. Für die „toxische Männlichkeit“ sind diese Eigenschaften allerdings ein Dorn im Auge. Ich möchte euch diesen Begriff genauer erklären und aufzeigen, wie wir Kinder davon bewahren können.

„Wird es ein Junge oder Mädchen?“

Noch bevor wir das Tageslicht erblicken, stehen unsere Rollen bereits fest. Bei unserer Geburt wird uns ein bestimmtes Geschlecht zugeschrieben, nach dem es zu leben gilt. Viele halten sich inzwischen zwar nicht mehr an die typische Rolleneinteilung, und doch existiert nach wie vor das Phänomen der toxischen Männlichkeit.

Toxische Männlichkeit – Was ist das?

Toxische Männlichkeit kommt aus dem Englischen Toxic Masculinty und bezieht sich auf bestimmte Verhaltensweisen, die Männern anerzogen und/oder kulturell weitergegeben werden. Es ist kein Geheimnis, dass Männer nach wie vor durch bestimmte Kriterien, die als „typisch männlich“ gelten, definiert werden. Hier ein paar Beispiele:
Männer sind stark,
Männer sind laut,
Männer sind dominant,
Männer weinen nicht,
etc.

Das ist natürlich alles völliger Blödsinn, denn das Geschlecht definiert keinesfalls das Verhalten eines Menschen. Deshalb der Begriff „toxische Männlichkeit.“

Männer mit Emotionen

Männer, die diesem Bild nicht entsprechen, werden oft als „weich“ oder gar „weiblich“ bezeichnet. Mal ganz davon zu schweigen, was passiert, wenn ein Mann auch mal weint oder sonstige Emotionen zeigt. Manchmal kann es ihnen schon im Kindesalter zum Verhängnis werden.

Während meiner Arbeit als Kinderanimateurin habe ich es oft genug erlebt, dass ein Junge sich mal nicht so anstellen solle – er sei doch kein Mädchen! Oder aber es wurde belächelt, wenn ein Junge sich freiwillig an die Bastelecke setzte, an der fast überwiegend Mädchen waren. Das ist ein großes Problem, denn dieses Unterdrücken der „sensiblen“ Seite führt geradewegs zur Etablierung toxischer Männlichkeit.

Gefahren bei toxischer Männlichkeit

Bei einem solch negativ klingenden Begriff ist es kein Wunder, dass dieser selbstverständlich auch die ein oder anderen Gefahren beinhaltet. Hier mal ein paar der typischen Auswirkungen:

Sexismus & Diskriminierung

Wer nach dem Sexismus lebt, ist schlussfolgernd auch sexistisch. Wer nicht begreift, dass Männer auch Menschen sind und dieselben Bedürfnisse wie jede*r haben, sieht das Leben bloß in schwarz und weiß. Sexismus führt leider auch dazu, dass Männern oft die Sexualität abgesprochen wird. Beleidigungen wie „Bist du schwul?“ sind in höchstem Maße diskriminierend. Männlichkeit definiert sich nämlich nicht durch Gewalt oder Stärke.

Geringes Einfühlungsvermögen

Die Welt nur schwarz-weiß zu sehen, führt langfristig dazu, sein Empathievermögen nicht weiter auszubauen. Das wiederum beeinträchtigt sämtliche Beziehungen im Leben. Besonders schwer wird es, wenn Männer keine Empathie für andere (nicht toxische) Männer zeigen.

Aggression

Laute und aggressive Menschen werden in der Gesellschaft eher toleriert, wenn es Männer sind. Das ist deshalb ein so großes Problem, weil jene sich darin bestätigt fühlen, „aggressiv“, laut, und vielleicht sogar gewalttätig zu sein. Der Pädagoge Sebastian Tippe sieht darin übrigens auch den Grund, warum im Schnitt mehr Männer randalieren und  Amok begehen. Hier kommt ihr übrigens zu seinem Buch Toxische Männlichkeit: Erkennen, reflektieren, verändern.

Außerdem wird Gerwalt auch oft verherrlicht. Männer, die sich ringen, boxen oder prügeln, sind eben „echte Männer“. Männer mit Narben gelten als attraktiv. Auch die sogenannten „Bad Boys“ begegnen uns in jedem Zweiten, Buch, Film oder Roman. Aggression beim Mann wird eher geduldet als bei der Frau.

Psychische Krankheiten & Suizid

Da Männer tendenziell weniger über ihre Probleme reden, unterdrücken sie sie. Aber dadurch verschwinden sie nicht, sie manifestieren sich nur in der Psyche und brechen irgendwann aus. Zu allem Übel sehen Männer ihre Probleme oft nicht ein und suchen sich auch seltener Hilfe – vor allem dann nicht, wenn sie sogenannte „Frauenkrankheiten“ haben, zu Beispiel Essstörungen. Das ist auch der Gründe, warum Männer doppelt so häufig Suizid begehen als Frauen.

Wie können wir Kinder vor toxischer Männlichkeit bewahren?

Ich spreche bewusst davon, Kinder und nicht nur Jungs mit dem Thema zu sensibilisieren. Das toxische Gedankengut wie ein „Mann“ zu sein hat, ist nämlich auch bei vielen Mädchen und Frauen verankert.

Bisher habe ich lediglich von Worst Case Szenarien berichtet. Natürlich gibt es auch eine Menge Jungs und Männer, die keinesfalls toxisch sind. Aber um die Gesellschaft langfristig zu verändern, muss jede*r einzelne von uns die Veränderung sein. Wir, Eltern, Freund*innen, Kolleg*innen, Lehrer*innen, Bekannte.

Des Weiteren braucht es viel mehr männliche Vorbilder, die sich nicht scheuen, auch mal Mensch zu sein. Mein Lieblingsbeispiel ist Billy Porter, der 2019 in einem wunderschönen Abendkleid bei der Oscar Verleihung erschien.

Hier noch ein kleiner Reminder, den jeder Junge verinnerlichen sollte.

Jungs können weinen.
Jungs können Nagellack/Kleider/Schminke tragen.
Jungs können um Hilfe bitten.
Jungs können unsicher sein.
Jungs können schwach sein.
Jungs können krank sein.
Jungs können Liebesfilme mögen.
Jungs können Ballett tanzen.

Jungs sind Menschen und wir müssen aufhören, ihnen diese Menschlichkeit zu entziehen!

Soweit meine kleine Zusammenfassung zum Thema Toxische Männlichkeit! Ich finde dieses Thema unglaublich spannend und könnte noch Stunden darüber reden.

Habt ihr irgendwelche Anmerkungen oder Ergänzungen? Oder Geschichten von euren Kindern?

Mehr zu dem Thema findet ihr hier:

„Du wirfst wie ein Mädchen!“ – Schluss damit, uns mit Geschlechterrollen-Klischees zu beleidigen!

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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1 Kommentare

Anna
Antworten 4. März 2022

Vielen Dank für diesen Artikel! Ich fange gerade an mich in das Thema "Toxische Männlichkeit" einzulesen und finde hier konnte ich einen guten ersten Einblick über die Bedeutung und Facetten des Themas gewinnen. Besonders schön fand ich den Verweis auf Billy Porter in seinem umwerfenden Ballkleid (absolut sehens und lesenswert!).

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