Das Tagebuch – mein Freund, Ventil und Begleiter in der Jugend
Tagebücher – nicht mehr ganz modern, aber trotzdem ein allgegenwärtiger Klassiker. Ich führe schon seit Jahren Tagebuch und möchte euch hier erzählen, warum es für mich nicht nur ein Buch mit leeren Seiten, sondern auch Freund, Ventil und Begleiter in der Jungend war.
Mit 11 bekam ich mein erstes Tagebuch.
Ich freute mich sehr darüber und schrieb mit den leuchtenden Stiften, die ich dazubekam, gleich hinein. Es folgte eine Liste von all den Geschenken, die ich bekommen hatte und was alles am heutigen Tag passiert war.
Der zweite Eintrag handelte von dem Streit von mir und meiner Schwester und dass ich mal wieder Ärger bekam, weil ich die Ältere war. Auf der nächsten Seite folgte der spontane Besuch meines Onkels, der nach der Schule plötzlich bei uns zu Hause war und einen schönen Nachmittag mit uns verbrachte. Mit elf Jahren schrieb ich über all die kleinen Dinge im Leben, die passierten, mich freuten oder erbosten.
Meine Tagebucheinträge wurden immer emotionaler.
Je älter ich wurde desto dringender hatte ich den bedarf zu „reden“. Doch da ich mich vielen nicht anvertrauen konnte, schrieb ich alles in mein Tagebuch. Ich erzählte von den Schwierigkeiten, die es manchmal zu Hause gab oder der Einsamkeit, die während des Schultags empfand. Ich scheute mich nicht ehrlich mit dem Tagebuch zu sein, denn nur ich las es und niemand sonst.
Einige Tagebücher von mir sind auch sehr „düster“, weil ich zwischenzeitlich nur über negative Dinge in meinem Leben schrieb. Doch in diesem Fall war es mir einfach wichtig, einen Raum für all diese starken Emotionen zu haben, ohne als „Emo“ abgestempelt zu werden. Denn das ist das Schöne am Tagebuch – es verurteilt dich nicht!
Mein Tagebuch wurde mein Freund, der mir zuhörte.
Ja, in meinem Tagebuch findet sich eine Liste von den Jungs aus der Schule, die ich mochte. Es finden sich auch Pro und Contra Listen, wenn ich mal in einem Entscheidungsdilemma steckte. Und obwohl ich auch Freunde hatte, mit denen ich reden konnte, war ich ihnen nie so ehrlich gegenüber wie vor meinem Tagebuch. Schließlich standen dort auch Dinge über sie. 😛 Wenn ich in einen Streit verwickelt war, erzählte ich es nicht anderen Menschen, sondern meinem Tagebuch.
Ein Tagebuch muss keine regelmäßige Pflicht sein.
Viele erzählen mir, dass sie mal mit dem Tagebuchschreiben angefangen haben, irgendwann aufgehört haben und nach der Pause nicht wieder von vorn beginnen wollen. „Warum?“, frage ich mich. Niemand zwingt uns akribisch Tagebuch zu schreiben und diese Tradition jeden Tag zu erfüllen. Ich schreibe zwar regelmäßig, aber nicht jeden Tag. Ein Mal die Woche. Manchmal auch alle zwei Wochen. Oder aber jeden Tag. Wenn in meinem Leben eine spannende Zeit herrscht und ich jeden Moment festhalten will.
Jede/r kann das Tagebuch führen, so wie sie/er will!
Ein Freund von mir hat mir erzählt, dass er zwar gerne Tagebuch führen würde, es ihm aber selbst vor ihm zu peinlich ist, über seine Gefühle zu schreiben. Nun, ein Tagebuch ist nicht gleich Tagebuch. Was dort reingeschrieben wird, ist jedem selbst überlassen. Es muss nicht immer mit Überwindung und Scham verbunden sein.
Meine Freundin schreibt jeden Abend von all den Erlebnissen aus ihrem Tag, eine andere klebt Fotos in ihr Tagebuch und schreibt darunter kleine Notizen. Ich schreibe fast nur über meine Gefühlszustände, sprich was gerade in mir vorgeht und was die Auslöser dafür sind (Studium, Freunde, Familie,…).
Es gibt nicht „den einen“ Stil. Wie wir ein Tagebuch führen wollen, ist uns selbst überlassen.
Mein Tagebuch ist meine Erinnerungsstütze.
Ich habe ein ziemlich gutes Gedächtnis und ich würde behaupten, dass es unter anderem auch daran liegt, dass ich seit 13 Jahren meine Erinnerungen festhalte. Das ist schön, denn wenn ich mal wieder in meinen Tagebüchern lese, mich immer wieder an kleine banale Dinge erinnere, die mir in dem Alter so unheimlich wichtig erschienen. Manchmal, wenn ich versuche mich an etwas zu erinnern, schlage ich sogar ein Buch auf, um nochmal nachzulesen, wie es „wirklich“ war.
„Wozu ein Tagebuch? Wer soll das am Ende lesen?“
Viele fragen sich immer wieder, wozu Tagebücher gut sind. Was würden wir mit ihnen machen? Wo würden wir sie aufbewahren? Würden wir sie überhaupt jemals wieder aufschlagen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Vielleicht muss ein Tagebuch gar nicht wieder gelesen werden. Vielleicht kann es uns während einer emotionalen Episode unterstützen und dann weggeschmissen werden. Niemand zwingt uns das Tagebuch später unseren Enkeln zu zeigen und bis dahin in einer Holztruhe aufzubewahren. Wir selbst entscheiden, wofür wir das Tagebuch verwenden wollen.
Was bringt mir mein Tagebuch?
– Mein Tagebuch ist wie ein Fotoalbum, das ich aufschlagen kann, wenn ich mich in alten Erinnerungen verlieren will.
– Mein Tagebuch gibt mir den Raum für meine Gefühle.
– Mein Tagebuch hat immer ein offenes „Ohr“ für mich. Es wird nie müde davon immer wieder dieselben Dinge auf seinen Seiten stehen zu haben.
– Mein Tagebuch datiert meine Entwicklung in vielerlei Facetten: Wie meine Schrift, mein Schreibstil und der Inhalt sich über die Jahre gewandelt haben.
– Mein Tagebuch ist mein ältester Freund und ständiger Begleiter.
Falls ihr noch nicht Tagebuch schreibt, habe ich euch vielleicht ein wenig motivieren können, damit anzufangen. Und falls eure Kinder noch keins haben, könnt ihr euch überlegen ihnen welche zu schenken. Ich garantiere euch, dass gerade die „jüngsten“ Tagebücher eine der wertvollsten sind.
Wer macht das schon? Wer hat gute Erfahrungen damit gemacht?
Liebe Grüße, Mounia
P.S. von Béa: Ein Tagebuch ist für mich eigentlich ein Brief an mein zukünftiges selbst. Leider habe ich es nie geschafft, richtig Tagebuch zu führen… aber immer wieder was ausgefüllt in einem der Keel’s Simple Diaries. Ich liebe es! Sätze vervollständigen, Fragen schnell beantworten, schnelle Assoziationen aufschreiben – wenn ich jetzt an einer beliebigen Stelle zurückschlage, kommt die Erinnerung sofort wieder.
- 11. May 2019
- 6 Kommentare
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Sonja Von Saldern
14. November 2019Hallo liebes Tagebuch- nein, das habe ich nie geschrieben. Mittlerweile bin ich 55 Jare alt und habe mit 12 Jahren angefangen, weil es kaum Menschen gab, die ähnliche Gedanken hatten wie ich.
90 Bücher sind in all den Jahren entstanden. Schreiben ist für mich zu einem Bedürfnis geworden. Um anderen die Greude am Schreiben weiter zugeben, veranstalte ich Tagebuch- und Reisetagebuchseminare, die u.a. Hinweise enthalten, wie kontinuierliches Tagebuch schreiben möglich ist.
Als Pädagogin scheibe ich gemeinsam mit 6 bis 12 jährigen Kindern, ich verfsssr Kurzgeschichten Texte aller Art.
Schreiben gehört zu meinem Leben wie der Kochlöffel zum Koch.
Béa Beste
14. November 2019Wie spannend liebe Sonja!