Ich sehe was, was du nicht siehst….
Schon meine Mutter spielte mit mir das Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Als mein Sohn dann auf der Welt war, setzte ich diesen Satz oft ein, um Wartephasen beim Kinderarzt, beim Einkauf und ähnlich langweiligen Orten zu überbrücken. Das Spiel eignete sich auch hervorragend, um ihn von verschiedenen Trotzanfällen abzulenken, denn kaum fiel der Satz „Ich sehe was…“ wollte Linus wissen, was ich denn da entdeckt hatte. Und auch heute noch – Jahre später – haben wir Spaß daran, kleine Farbfetzen im Alltag zu entdecken, die dem anderen vielleicht verborgen bleiben.
Eine völlig neue und fantasievolle Wendung bekam dieses Spiel für mich, als ich Béa kennen lernte. Sie zeigte mir irgendwann Bilder von Rost- und Dreckflecken, die sie durch ein paar Striche in lustige Wesen verwandelte. So wurde plötzlich aus einem Putzschaden an der Hauswand….
…ein neugieriger Hund.
Als ich Linus die Fotos zeigte, war er genauso begeistert wie ich. Seitdem versuchen wir mit dem „Flecken-Entdecken-Spiel“ immer wieder Dinge in unserer Umgebung sichtbar zu machen, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind.
Dabei kann vom Dreckfleck bis hin zum herumliegenden Müll alles benutzt werden, denn das Leben ist voller Wunder, die entdeckt werden wollen.
Kinder haben von Natur aus die Fähigkeit Dinge wahrzunehmen, die für Erwachsene nicht sichtbar oder spürbar sind. Im „magischen Alter“, wie der Zeitraum zwischen drei und sechs Jahren genannt wird, sind für viele Kinder Superhelden, unsichtbare Freunde, aber auch Monster völlig reale Gestalten ihrer Lebenswelt. Kuscheltiere haben Hunger oder bauen auch mal Mist und unter dem Bett wohnt möglicherweise ein Wesen mit vier Armen und acht Beinen. Das Eintauchen in diese magische Welt ist wichtig für Kinder, weil sie dadurch Erfahrungen und Gefühlserlebnisse sammeln, die ihnen helfen, sich in der Welt zurecht zu finden. Sie bieten Kindern Schutz und unterstützen sie dabei Bedürfnisse und Ängste auszudrücken.
Vor allem aber fördern diese Wesen, die die Kinder entdecken, ihre Fantasie und Kreativität. Sich etwas vorzustellen, was auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist hilft auch im späteren Leben. Herausforderungen, die scheinbar schwer sind, können durch die Fähigkeit kreativ zu denken, gemeistert werden. Kinder, deren Phantasie und Kreativität gestärkt wird, sind im Leben selbstbewusster und erfolgreicher bei der Bewältigung von Problemen. Sie vertrauen in ihre Fähigkeit Lösungen zu finden, die nicht sofort sichtbar sind.
In unserer Tolla-Geschichte sollte genau diese Fantasie thematisiert werden. Das Ergebnis ist ein kleiner Junge namens Linus (Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind beabsichtigt), der mit offenen Augen und jeder Menge Fantasie durch das Leben geht, manchmal aber auch genau deshalb aneckt, wenn er auf Menschen trifft, die deutlich weniger Wesen im Alltag entdecken. Mal ganz ehrlich, wann habt Ihr das letzte Mal eine Plapperschlange gesehen?
Habt Ihr den Spottwahl an der Hauswand um die Ecke entdeckt…
…oder den kleinen Cappuccino-Dino in Eurer Kaffeetasse?
All diese Dinge zu entdecken, macht nicht nur unheimlich viel Spaß, sondern fördert tatsächlich auch die Entwicklung von Kindern. Hundert verschieden Tiere in einer Wolke zu sehen, im Superheldenkostüm Abenteuer zu erleben oder mit Bausteinen eine eigene Welt zu erschaffen, stärkt – durch das Hineinversetzen in andere Gefühls- und Lebenswelten – ihre Fähigkeit zur Empathie.
Es ist erstaunlich wie intensiv sich Kinder konzentrieren können, wenn man ihnen zwei oder drei Rostflecken als Anreiz gibt, um darin eine eigene kleine Welt zu erschaffen. Unabhängig vom Alter entstehen die tollsten Geschöpfe.
Versucht doch mal ein Nölpferd im Büro oder eine Miesmuschel auf dem Parkplatz zu entdecken. Welche Wesen leben um Euch herum?
Ich wünsche Euch allen einen wunderbaren, fantasievollen Tag.
Liebe Grüße
Stef
- 27. Nov 2012
- 2 Kommentare
- 1
- Fantasie, Wesen, Zeichnungen
Petra
13. Juli 2015Das ist ja super cool! Das will ich auch versuchen. Wie machst du das? Welches Programm benutzt du?
beabeste
13. Juli 2015Ich nutze mehrere Apps. Wenn du das mit Kindern machst, ist die App "Drawing Pad" am besten zum Einsteigen. Ich nutze Bushes oder Art Studio oder Adobe Ideas... Ich würde mich total freuen, zu sehen, was du daraus machst! Liebe Grüße, Béa