Silvester-Böllerei ja oder nein? Update mit Vorschlag: „Feuerwerk fürs Leben“ von der DKMS
Mein erstes Silvester in Deutschland war magisch: Diese Feuerwerke auf den Straßen, an jeder Ecke, vor unserer Haustüre… was für ein grandioser Spaß! Was für ein Reichtum! Ich war beeindruckt. Bezaubert. Ich jubelte und durfte selbst einige Raketen zünden. Ich war gerade 16 Jahre alt geworden – und wie ihr wisst, neu in Deutschland.
Mein zweites Silvester fing gut an, endete auf der Notstation. Ich zog mit einer Clique durch die Straßen in Karlsruhe, einer Freundin wurde ein Böller direkt auf die Beine geworfen. Die Strumpfhose entzündete sich, wir konnten mit einer Jacke alles stoppen – sie kam mit Verbrennungen zweiten Grades (fiese Blasen) und einem mittelgroßen Schrecken davon. Was wir als Begleitung in der Notaufnahme gesehen haben während unsere Freundin verarztet wurde, war allerdings ein Horrorszenario. Ich kam ins Grübeln.
Die Grübelei hält an. Eigentlich bin ich am liebsten auch an Silvester in der Wärme, an exotischen Orten… Aber auch in Berlin habe ich sehr schöne Momente erlebt, mit Familie und Freunden. Haustierbesitzer bin ich nicht und meine Tochter hat schon immer einen extrem tiefen Schlaf gehabt – kein Knaller bei der Silvester-Böllerei hat sie erschrocken oder geweckt. Von Menschenmassen wie am Brandenburger Tor halten wir uns eh fern (ist eh was für die Touris). Insofern kann ich da keine negativen oder gar traumatischen Erfahrungen berichten… Und wir sind eine Familie, die generell Gewitter mag und romantisch findet, inklusive den ganz fetten Krawumms. Ich wohne im Dachgeschoss, und das Spektakel der Feuerwerke der Stadt ist echt beeindruckend, auch wenn wir selbst nichts in die Luft jagen. Insofern dürfte ich nichts zu meckern haben. Aber jedes Mal, wenn ich mal am 1. Januar in den Morgenstunden auf die Straße komme, frage ich mich, ob das Bild, was sich da bietet, nicht etwas von Kriegsgebiet hat…
Vor drei Jahren sah ich diesen Tweet zum Thema Silvester-Böllerei und er brachte mich zum Nachdenken:
Ein weiterer Grund, dieses Jahr nicht zu Böllern! So wie man jedes Jahr nicht Böllern sollte… pic.twitter.com/pQyoaAKMJH
— Raul Krauthausen (@raulde) December 21, 2015
Spontan wollte ich eine neue Aktion auf die Beine stellen, etwas in der Richtung: „Spenden statt Böllern“, ähnlich wie die Ice-Bucket-Challenge… vielleicht ein Video, indem jeder eine Papiertüte mit Konfetti knallt, Leute nominiert und auf die Spendenmöglichkeiten hinweist. Ich habe den Tweet damals in der Tolla-Facebook-Community geteilt und habe viel vernünftiges (und wenig weniger vernünftiges) Feedback erhalten… Das hat mich dazu gebracht, von einer Extra-Aktion abzusehen. Zu stark kann das durch den Spaßbremsen-Effekt ins Gegenteil umschlagen – und dann haben wir alle nichts davon. Und ein Regulierungsfan bin ich sowieso nicht.
Also, wat nu?
Ich beschränke mich auf einige Anregungen für Eltern, wie die das Thema Silvester-Böllerei vielleicht friedlicher und schöner mit Menschenverstand und ohne Verbote geht:
1. Silvester findet an Silvester statt
Vor einem Jahr war die Geräuschkulisse in Berlin bereits am 30. Dezember so stark, dass ich notorischer Terminverschussler vom dringenden Verdacht beschlichen wurde, dass wir schon einen Tag später haben und ich etwas verpennt haben könnte… Wie magisch wäre es, wenn just zu 0:00 alles losgehen würde und bis dahin alles still wäre? Okay, was ist mit den Kleineren, die vorher ins Bett müssen? Na eben: Wenn sie früher schlafen sollen, haben sie ein Chance, einzuschlafen – und wer wach wird, wird wach. Und selbst wenn es erst zum Abend des 31. Dezember losgehen würde, wäre es ja auch noch OK – aber hey, schon Tage davor?
2. Raketen und Wunderkerzen statt Böller
Es macht für alle einen Riesenunterschied, ob es unten auf der Straße oder oben in 20 Meter knallt, und Feuerwerk ist einfach was richtig Schönes, auch wenn es verschwenderisch ist… Auch wenn der traditionelle Brauch eigentlich ist, dass man die bösen Geister mit Krach wegjagt – der Krach am Himmel reicht bestimmt, und am Boden sind die schönen Wunderkerzen einfach besser.
Und dass ihr nur das legale Zeugs kaufen solltet in autorisierten Läden ist euch klar, oder?
3. Halbstarke weg von Knallzeugs
Für Kinder und Jugendliche sollte es tatsächlich gehandhabt werden, wie es im Gesetz steht: Nur volljährige Personen ab 18 Jahren dürfen Silvesterfeuerwerk erwerben und verwenden. Das Überlassen an Minderjährige, z.B. jüngere Familienmitglieder und Freunde/Bekannte, ist nicht erlaubt, auch nicht in Anwesenheit von Volljährigen und unter Aufsicht der Erziehungsberechtigten.
4. Reste einsammeln und in den Müll bringen
Stellt euch vor, allein in München entstehen in so einer Silvesternacht 42 Tonnen Müll… und in Berlin braucht die BSR bis Mitte des Monats, alle Überbleibsel der Silvester-Nacht zu beseitigen. Ja, ihr zahlt mit eurer Steuer tatsächlich auch die Straßenreinigung nach der Silvester-Böllerei. Besser gesagt: Wir tun das alle. Aber alles ist auch eine Frage der Ressourcen: Wenn die Straßenreinigung weniger kosten würde, würde vielleicht das Geld in bessere Vorhaben fließen. Wie wäre es, wenn jeder seinen Müll mal einfach wegmacht? Was, die ganzen Böllerfetzen? Na eben, die Raketen-Gehäuse sind einfacher zu beseitigen. Siehe oben.
Und jetzt aber trotzdem – lieber ein „Feuerwerk fürs Leben“ unterstützen:
Wem Feuerwerk und das Geknalle durch Nächstenliebe ersetzen möchte, tut Gutes! Meine Recherche ergab, dass die Deutschen 2014 und 2015 rund 129 Millionen Euro für das Silvesterfeuerwerk jeweils ausgaben, fünf Millionen Euro mehr als noch ein Jahr zuvor. Wer denkt, dass das eher abnimmt, irrt. Es wird eher mehr: Nach Schätzungen des Verbands der pyrotechnischen Industrie werden die Bundesbürger zu Silverster 2018 voraussichtlich rund 137 Millionen Euro für Böller und Raketen ausgeben, so viel wie im Jahr 2016 und 2017. Arbeitsplätze im Deutschland dafür? Nur rund 3.000, der Rest ist in Fernost.
Als Schulgründerin weiß ich: Für ca. 15-20 Mio stellt man eine nietnagelneue Schule auf die Beine. Muss ich weiter rechnen? Aber es ist eure Entscheidung – und wer das Gefühl hat, dass seine Lebensfreude dadurch eingeschränkt wird, sollte sich zu nichts gezwungen fühlen. Man kann ja Silverster-Feuerwerk und Menschenliebe haben.
UND: Auch diesem Jahr engagiere ich mich explizit für die DKMS mit der Aktion Feuerwerk fürs Leben:
Andreas Spenden-Bericht habt ihr bestimmt gelesen, oder? Deswegen werde ich in diesem Jahr auch Geld spenden, damit die DKMS weiterhin mit so wunderbaren Menschen Leben retten kann.
Beginnt das Jahr 2017 gut und gesund!
(Reblog von 2015 und Update im Dezember 2017 und jetzt 2018)
- 27. Dec 2018
- 11 Kommentare
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- DKMS, Feuerwerk, Silvester, Silvester mit Kindern
Chris
27. Dezember 2015Ich war und bin noch nie ein großer Freund der Böller an Silvester gewesen. Ich fand schon als Heranwachsender, dass es eine Riesen Ressourcenverschwendung ist. So meine Gedanken in den 80er. Und auch heute noch. Wie du schreibst liebe Bea finde auch ich die Raketen die Farben versprühen noch einigermaßen in Ordnung auch wenn es im Grunde die gleiche Verschwendung ist, aber es schaut sich schön an. Deshalb darf jedes meiner Kinder eine Rakete fliegen lassen und sich während des Flugs etwas wünschen, natürlich unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.
Geböllert wird bei uns nicht, dass machen die Nachbarn schon genug und toll anhören tut sich was anderes.
Lieber das Geld in gutes Essen investieren und ggf. Nette Leute dazu einladen, oder das Geld spenden was man in Silvesterkracher investiert hätte. Das halte auch ich für sehr viel sinnvoller.
Lieben Gruß
Chris
beabeste
27. Dezember 2015Das spricht mir auch aus der Seele, lieber Chris! Danke dir! Béa
Daniela
27. Dezember 2015Ich mag die Kracher auch nicht. Schön anzusehen sind Feuerwerke von Profid. Daher überlasse ich das auch gerne fen Profis.
Die Knallerei ist aber nicht nur für kleine Kinder schlimm, auch Tiere leiden darunter.
Und ich find es schad ums Geld. Das Spende ich lieber. Oder lade jemanden zu einem gemütlichen Abend ein.
Das mit dem Knaller und der Nylonstrumpfhose kenn ich von mir. Ein paar Jahre lang wollte ich nicht mal mehr was von Silvester hören. Und um das Abendkleid war es ewig schade...
beabeste
28. Dezember 2015Oh je, mir hat es schon gereicht bei meiner Freundin. Lieben Dank für diese Bestätigung! Ganz viele liebe Grüße und einen guten Beginn von 2016, Béa
Judith
27. Dezember 2015Völlig richtig! Bei uns fängt die Knallerei teils schon nach Weihnachten an. Völlig verrückt und in meinen Augen sowohl rausgeschmissenes Geld als auch gefährlich. Bei uns wird weder Geböllert noch Raketen abgeschossen. Wobei ich gegen ein professionell inszeniertes Feuerwerk nichts habe ;) Außer, dass dabei quasi Geld verbrannt wird...
Lg & einen guten Rutsch!
Juditj
beabeste
28. Dezember 2015Dir auch einen guten Rutsch - und lieben Dank für die Bestätigung! Liebe Grüße, Béa
wheelymum
28. Dezember 2015Du hast so schöne Worte gefunden. Unsere Besuchkinder aus Syrien sind im Sommer schon zusammengezuckt. Ich musste genau hinhören um ebenfalls zu hören und zu sehen, was sie meinen. Es war der Dampf des Trockners und seine Geräusche. Ein 5 Jähriger Junge sagte dann: Achtung Gefahr!!!
Ja - bei so etwas kleinem. Ein kleines selbstgemachtes Tischfeuerwerk mit Konffetti, ein paar Wunderkerzen oder eine Pinata können auch ein schönes, lautes, und buntes Silyvester bescheren. Oder wie Chris schrieb - für jedes Kind eine Rakete mit Wunsch. Toll!!!!
beabeste
28. Dezember 2015Genau so, liebe Wheelymum! Schön, dass du das auch so siehst. Man kann auch leise ganz laut sein - mit Gefühlen. Liebe Grüße, Béa
Ulli
29. Dezember 2017Ich hasse jegliche Art von Feuerwerk. Besonders das an Silvester. Es ist laut und schmutzig. Ich finde nichts daran schön. Mir taten als Kind schon immer die Tiere leid, die sich bei dem Krach doch ziemlich erschrecken. Nie habe ich einen Pfennig/Cent für irgendwas Böller/Feuerwerkmässiges ausgegeben. Wenn man sich überlegt, was man mit dem Geld machen könnte...sei es die DKMS oder andere gute Zwecke!!! Mein Eindruck ist, dass jedes Jahr früher, mehr, länger geschossen wird zu Silvester. Ein echter Jammer.
Brot/DKMS statt Böller!
Lea
22. Januar 2018Hi,
danke für den interessanten Beitrag. Eine Freundin hat mit ihrem Hund Silvester im Bad gesessen. Mir hat das Silvesterfeuerwerk in der Steiermark sehr gefallen. Übertrieben war, dass sie die Nacht beim Hund verbracht hat.