Wohnen bei der besten Freundin – (Alb)Traum in der Realität?


Fast jedes Kind übernachtet gern bei seinen Freund:innen. Früher habe ich mir sogar oft gewünscht, mehr als nur eine Nacht bei meiner besten Freundin zu bleiben. Aber was, wenn der Traum Realität wäre? Ist das Wohnen bei der Besten Freundin noch immer ein Traum oder eher Albtraum?

Sleepover bei der besten Freundin:

Für mich waren Sleepover immer das absolute Highlight. Anstatt mich nach der Schule von meiner besten Freundin zu trennen, ging ich einfach mit ihr, spielte mit ihr, aß mit ihr und ihrer Familie zu Abend und übernachtete mit ihr in einem Zimmer. Wir hatten den ganzen Tag Spaß, und sinnierten oft darüber, wie es wäre, wenn wir das jeden Tag tun könnten.

Nun, aus diesem Traum wurde für mich eines Tages bittersüße Realität.

Ich wohnte bei meiner besten Freundin.

Mit zehn zog ich nach Berlin. Die Arbeit meiner Mutter wurde in die Hauptstadt versetzt, aber leider mitten im Schuljahr. Ich war zu dem Zeitpunkt in der vierten Klasse, und anstatt kurz vor Ende des Schuljahrs sowohl in eine andere Stadt, als auch auf eine andere Schule zu wechseln, beschloss meine Familie, dass ich die letzten zwei Monate bei meiner besten Freundin wohnen würde.

Meine beste Freundin und ich waren hin und weg. Endlich würden wir uns jeden Tag sehen und alles zusammen tun. Gemeinsam frühstücken, gemeinsam zur Schule gehen, gemeinsam nach Hause gehen, gemeinsam spielen, und so weiter.

Und am Anfang war es tatsächlich ein Traum. So komisch es klingt, aber am Anfang bekamen wir gar nicht genug voneinander. Wir spielten, bis uns die Puste ausging und tuschelten Abends vorm Schlafengehen, bis uns die Augen zufielen. Unsere Mitschüler:innen beneideten uns für unser „Glück“. Am liebsten hätten sie sich angeschlossen und mit uns eine Kommune gegründet.

Ihre Mutter – total locker und überhaupt nicht streng!

Was ich besonders toll fand, war, dass ich in einem Haushalt lebte, der so „locker“ war. Die Mama meiner besten Freundin war viel weniger streng als meine. Und obwohl sie mit mir als zusätzliches „Kind“ mehr um die Ohren hatte, musste ich viel weniger im Haushalt mithelfen, als bei mir zu Hause. Die Mama kümmerte sich um alles, und das fühlte sich wie der Luxus schlechthin an.
Heimweh wer?

Anfangs vermisste ich meine Mutter überhaupt nicht, denn dafür war mein aktuelles Leben so neu und aufregend. Außerdem sprachen wir fast jeden Tag und sahen uns an einigen Wochenenden, wenn ich nach Berlin kam. Ich hatte kein Heimweh, denn mein „Heim“ war schließlich nicht das Haus in Berlin. Dieses erschien mir besonders am Anfang total fremd und kühl.

Und der Traum wird zum Albtraum …

Na gut, so dramatisch war es auch nicht, aber ja, eines Tages zerplatzte die rosarote Seifenblase. Der Grund war Folgender: Die Sleepover mit meiner besten Freundin waren nichts Besonderes mehr. Das, was uns früher so aufregend erschien, war von nun an die Realität. Irgendwann verflog die Aufregung, und irgendwann hatten wir beide keinen Spaß mehr daran, uns pausenlos zu sehen. Normalerweise stritten wir nie, doch nun zankten wir immer häufiger – so wie meine Schwester und ich.

Und irgendwann kam das Heimweh doch.

Ich vermisste das Essen meiner Mutter. Ich vermisste unser Shampoo, ich vermisste meine Bettdecke, ich vermisste mein Nachtlicht. Auch meine Schwester vermisste ich, doch am allermeisten meine Mutter. Vor allem dann, wenn meine besten Freundin und ihre Mama zärtlich zueinander waren – dann wollte ich das auch, aber von meiner Mama!

Als das „Ende“ kam, waren wohl alle Parteien erleichtert. Der Anfang war für uns alle schön und aufregend, aber am Ende einfach nur stressig. Ich bin der Mama meiner besten Freundin bis heute dankbar, dass sie mich bei sich hat wohnen lassen, denn sie hatte wohl den meisten Stress. Aber das ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass Blut nicht dicker als Wasser ist, denn meine beste Freundin war meine Familie, die mich versorgte, unterstützte, und manchmal auch ein wenig nervte. So wie meine eigene Familie eben auch.

Und genau deshalb endet der Traum, denn die Besonderheit liegt nunmal in ihrer Exklusivität. So ist das vermutlich mit allem. Alles, was „zu viel“ ist, strengt uns mit der Zeit an und ist dann auch nichts besonderes mehr.

Ich bin froh, dass ich den Wunsch „Wohnen bei der besten Freundin“ von meiner imaginären Liste abgehakt habe, auch, wenn er in der Realität weniger traumhaft war.

Tatsächlich hat mich diese Erfahrung auch insoweit geprägt, dass ich mich nie mit WG’s anfreunden konnte. Mit den besten Freund:innen wohnen klingt nämlich oft cooler als es eigentlich ist … Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn wir noch länger zusammengewohnt hätten. Ob wir uns eines Tages endgültig über gehabt hätten? Ich weiß es nicht, aber was ich weiß ist, dass uns die Zeit trotzdem irgendwie zusammengeschweißt hat. Damals kannten wir uns so gut wie sonst niemand, und auch, wenn wir heute in unterschiedlichen Städten wohnen und nur alle paar Monate etwas voneinander hören, ist es zwischen uns nach all den Jahren noch immer sehr ehrlich und vertraut.

Habt ihr auch schonmal für eine längere Zeit bei euren besten Freund:innen gelebt? Oder vielleicht eure Kids? Wenn ja, was war eure Erfahrung?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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