Andere Kulturen andere Gerichte – Sollte Essen aus fremden Kulturen ebenfalls mit Respekt behandelt werden?


Kulturen sind dafür da, miteinander zu verbinden und sich gegenseitig zu beeinflussen. Allerdings sind und erscheint uns vieles aus unserer Kultur als selbstverständlich, sodass wir manchmal uns selbst als den Standard sehen. Deshalb meine Frage: Sollte Essen aus fremden Kulturen ebenfalls mit Respekt behandelt werden?

Ich kann diese Frage sofort mit Ja beantworten. Natürlich müssen wir fremde Kulturen mit Respekt behandeln, auch, wenn wir nicht dieselben Sitten teilen. Das gilt auch fürs Essen. Uns muss nicht alles schmecken, aber wir sollten die fremden Essgewohnheiten in anderen Kulturen trotzdem respektieren.

Nun fällt mir aber auf, dass das für das Thema oft vergessen wird. Bei anderen Riten, Religionen oder gar der Kleidung erkenne ich ein größeres Bewusstsein für Respekt, nicht aber fürs Essen. Da wird meiner Meinung nach häufig eine unbewusste Arroganz an den Tag gelegt, die einem selbst oft nicht bewusst ist. Weil sie völlig automatisch ist.

Essen aus fremden Kulturen …

Neulich war ich in einem TikTok Loch und habe gesehen, wie andere Menschen Obst aus Südostasien ausprobierten (den Trend kennen sicher einige von euch). Wir erleben also zwei deutsche Menschen, die sich an Früchten ausprobieren, die im ostasiatischen Raum gegessen werden. So weit so gut. Aber dann kamen die Gesichter. Fratzen, Grimassen. „Boah, ist das eklig. Wie können Menschen nur den Geruch ertragen? Was ist das für eine seltsame Konsistenz? Ich glaub, ich kotz gleich.“

Ich gebe zu, ich war geschockt. Warum so ein Tamtam? Hätte es nicht ausgereicht, zu sagen, dass einem dieses Obst nicht zusage? Mussten die Personen im Video persönlich werden und den Geschmack einer gesamten Personengruppe anzweifeln? Fremdes Essen wurde nicht nur geschmacklich abgelehnt, sondern auch der Geschmack der Kultur angezweifelt.

Nochmal: Niemand muss alles lecker finden. Ich mag auch nicht jedes Obst. Eine Zeit lang konnte ich keine Feigen mehr essen, weil sie mich an den Demogorgon von Stranger Things erinnert haben. Und die Konsistenz von Litchi ist auch nicht meine liebste. Aber das ist so. Vermutlich werdet ihr keinen Menschen auf der Welt finden, der jedes Essen auf der Welt mögen wird. Aber bedeutet das trotzdem, dass wir den Respekt vor dem Essen in anderen Kulturen verlieren?

Gehen wir mal eine Stufe weiter:

Traditionelle Gerichte …

Für mich gerade sehr präsent, weil ich aktuell in Thailand bin und mit einer Menge Essen konfrontiert bin, das ich nicht kenne. Anders als in Europa wird hier nicht nur mit anderen Zutaten, sondern auch mit anderen Gewürzen gekocht. Ich liebe das Essen hier, weiß aber auch, dass es nicht was für jeden ist. Einige Geschmäcker treffen überhaupt nicht unseren Gaumen – und das ist okay. Wichtig ist trotzdem, respektvoll zu bleiben.

Leider vergessen das zu viele und überschreiten beim Smalltalk über Essen so viele Grenzen, dass es irgendwann beleidigend wird. Eine Bekannte fragte mich einmal, ob ich diesen marokkanischen Kuchen gegessen habe, der mit Schafsgehirn gefüllt ist. Bitte was?!, dachte ich. Das hatte ich ja noch nie gehört. Nach mehreren Nachfragen begriff ich, dass sie vom Blätterteiggericht namens „Bastilla“ sprach (sagenhaft lecker!), aber dass dort irgendwas mit Gehirn drin sei, war mir neu. Zur Sicherheit checkte ich bei meiner Mutter nach, doch auch sie zeigte mir den Vogel und wehrte die Theorie sofort ab. Trotzdem wurde an jenem Abend herzlich darüber gelacht, wie skurril manche Kulturen waren und dass einige wirklich ALLES aßen. Obwohl ich wusste, dass die Kritik nicht mir galt, war ich trotzdem verletzt. Na und?, dachte ich. Lass sie doch. Du musst es ja nicht essen, wenn du nicht willst.

Als mir eine andere Person aus der Gruppe eröffnete, dass sie demnächst nach Marokko reisen würde, spürte ich sogar einen Anflug von Frust in mir aufkeimen. Du willst also eine fremde Kultur kennenlernen, nachdem du dich eine halbe Stunde über das Essen dort ausgelassen hast?

Sollte Essen aus fremden Kulturen ebenfalls mit Respekt behandelt werden?

Ich finde schon! Wir müssen das Essen aus anderen Kulturen deshalb nicht anbeten, aber trotz allem Grenzen wahren und vor allem nicht den Geschmack anderer Menschen angreifen. Denn hinter der Kritik hängt oft ein Rattenschwanz der Heuchelei. Wir kritisieren es, wenn andere Menschen Tiere essen, die nicht auf unserer Speisekarte stehen, haben aber kein Problem damit, das Bein einer Ente an Weihnachten zu servieren. Oder aber der Gesundheitsfaktor, mit dem auch häufig argumentiert wird. Ich mag Bubble Tea und ernte häufig Kritik dafür, wie ungesund das Zeug eigentlich ist. Und Cola?, kontere ich dann immer. Fanta? Bier? Ist das alles so viel gesünder?

Essen und essen lassen

Die Welt ist unfassbar reich an kulinarischen Leckereien. Einige davon eröffnen unseren Geschmacksknospen neue Türen, wieder andere mögen wir gar nicht. Das ist okay. Wichtig ist nur, essen und andere essen zu lassen.

Das gilt vor allem in sozialen Kontexten

Kinder mit Migrationshintergrund werden in der Schule oft dafür schikaniert, wenn sie Essen dabei haben, das komisch aussieht oder riecht. Im Büro das gleiche. Was fremd ist, wird oft abgelehnt, dabei muss das gar nicht sein.

Keine Ablehnung, sondern Neugier

Es ist doch viel schöner, offen zu sein und Gerichte nicht sofort abzulehnen. Vielleicht erst mal nur eine Gabel nehmen und schauen, wie es schmeckt. Meine beste Freundin aus der Grundschule hat die burittoähnlichen Sandwiches meiner Mutter anfangs auch schief beäugt, aber am Ende so sehr geliebt, dass ich ihr fortan jeden Tag eine andere Portion mitgebracht habe. Essen schmeckt nicht nur, es verbindet auch.

Vielleicht wird dieser Beitrag für viele von euch nicht der Rede wert sein. Ich kenne viele Menschen, die sehr respektvoll mit dem Essen aus anderen Kulturen umgehen; in der Stadt sind viele durch die verschiedenen Kulturen auch häufig daran gewöhnt. Außerdem spielen viele Trends mit. Aktuell gibt es ja einen sehr großen Hype um die südkoreanische Kultur; unter anderem auch ums Essen …

Ich hoffe, ich konnte euch dieses Herzensthema halbwegs verständlich aufzeigen.

Andere Kulturen sollten mit Respekt behandelt werden, auch das Essen. Wir müssen es nicht mögen, aber auch nicht mit großem Drama ablehnen und damit suggerieren, dass eine Kultur die „Richtige“ ist.

Andersherum gibt es das natürlich genauso. Ich habe mir schon eine Menge Ablehnung anhören müssen, was alles in Deutschland gegessen wird („Kalbszunge?! Wie kann man nur! Und welch Teufelswerk ist Sauerkraut?“) Und jedes Mal denke ich mir: Niemand zwingt dich, das zu essen und ganz höchstwahrscheinlich interessiert auch niemanden deine Meinung. 😀

Was sind eure Gedanken zu dem Thema? Findet ihr, dass Essen aus fremden Kulturen ebenfalls mit Respekt behandelt werden sollte?

Mehr zu dem Thema findet ihr hier:

Nein heißt nein? Oder doch ja? Andere Esskulturen, andere Ess-Sitten

„Finger weg von meiner Spülmaschine!“ Umgang mit anderen Gastkulturen

Lebensmittelverpönung Teil II – Kulturding oder Sturding?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
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Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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