Pfützenspringer – Kinder trauern anders


Es gibt einen neuen Ort in meiner Heimatstadt. Einen Ort nur für Kinder und Jugendliche. Es ist ein Kindertrauerraum, den der Hospizverein Schwerin e. V. dank der Hilfe zahlreicher Unterstützer einrichten und am vergangenen Wochenende eröffnen konnte. Auch ich bin der Einladung zur Eröffnungsfeier gefolgt, habe mich umgesehen und Gespräche geführt.

Wenn wir den Löffel abgeben, wer bekommt den dann?

Solche und jede Menge andere Fragen über den Tod, über das Leben und das Sterben stellen alle Kinder irgendwann einmal. Das ist ganz normal. Kinder tun das völlig unbefangen und wertfrei. Was wir an unsere Kinder weitergeben, das hängt von unseren Glaubensansätzen ab. Ich zum Beispiel erzähle meinen Kindern von Omas kleinem Garten auf dem Friedhof. Andere Familien versuchen es mit Wissenschaft und wieder anderen Familien ist der Glaube an Gott und den Himmel besonders wichtig. Egal, woran man glaubt, es gibt kein Richtig oder Falsch, solange man ehrlich und aufrichtig bleibt.

Was aber, wenn Kinder schon früh mit dem Tod und dem Gefühl der Trauer direkt konfrontiert werden?

Dann brauchen sie besondere Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Gefühle. Die Erwachsenen sind in dieser neuen Situation aber meist so sehr mit ihrer eigenen Gefühlswelt beschäftigt, dass sie gar nicht auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen können. Die Kinder wiederum wollen ihre Eltern nicht noch zusätzlich mit ihren Fragen und Gefühlen belasten. In so einer Situation fühlen die Kinder sich wie „unsichtbar“, also versuchen sie, ihre Sorgen mit sich selbst auszumachen und das überfordert sie.

Und: Kinder trauern anders – auf eine Art, die Erwachsene oft nicht verstehen.

Kinder, die trauern, wirken nicht pausenlos traurig und niedergeschlagen. Vielmehr wechselt die Stimmung oft sehr schnell. Von den Mitarbeitern des Hospizvereins Schwerin e. V. werden sie deshalb auch liebevoll „Pfützenspringer“ genannt.

„Sie springen von jetzt auf gleich in die Trauer-Pfütze und im nächsten Moment wollen sie auf den Spielplatz gehen“, erklärt Hospizleiterin Katy Nülken. „Das bedeutet aber nicht, dass sie weniger trauern. Sie trauern einfach anders als wir Erwachsenen. Dafür müssen wir sensibler werden.“ Sich hinsetzen und Gespräche führen, wie es die Erwachsenen tun, das geht mit Kindern nicht.

Trauerarbeit mit Kindern bedeutet reflektieren im Spiel.

Kinder brauchen also Angebote, die ihnen gerecht werden und mit denen sie ihrer Trauer Ausdruck verleihen können. Beim Malen und Basteln zum Beispiel, beim Kuscheln und Entspannen, aber auch beim Toben oder mal so richtig die Wut rauslassen. In diesen Momenten bekommt die kindliche Trauer ein Gesicht, sie wird greifbar. Hier holen die ausgebildeten Trauerbegleiter die Kinder ab, kommen ins Gespräch und begleiten die Kinder in der Trauer.

Für die ehrenamtlich tätigen und speziell geschulten Trauerbegleiter ist die Begleitung von Kindern längst nichts Ungewohntes mehr. Elisabeth Krüger vom Hospizverein Schwerin e. V. erklärt, was sich mit der Eröffnung des Kindertrauerraumes nun konkret ändert:

„Die Kinder haben nun einen eigenen Anlaufpunkt“

„Sie wissen: Das ist mein geschützter Ort, in dem kann ich sein wie ich möchte und werde so genommen wie ich bin. Hier muss ich mich nicht irgendwie verhalten. Hier treffe ich andere Kinder, denen es genauso geht, wie mir. Und: Hier werde ich mit meiner Trauer gesehen.“

Im Kindertrauerraum treffen die Kinder und Jugendlichen auf Gleichaltrige, die ebenfalls gerade erst einen Familienangehörigen oder den besten Freund verloren haben. Der Kontakt mit anderen, die gerade genau das Gleiche durchmachen, tut den Kindern gut und lässt sie erleben, dass sie mit ihrem Schicksal nicht allein auf der Welt sind.

„Bei uns wird viel gelacht!“, so Elisabeth Krüger. „Trauerbegleitung bedeutet ja nicht nur gemeinsames traurig sein, sondern auch gemeinsame Freude am Leben.“

Frage an euch: Kennt ihr auch andere gute Orte, die so etwas anbieten? Wir würden gern hier eine Liste ergänzen…

Eure Doro

P.S. Béa hat mich gefragt, ob ich auch ein Foto von dem Raum hätte. Ich empfand es in dem Raum als sehr störend zu fotografieren, ich hoffe, ihr habt dafür Verständnis. 

Doro
About me

Vom Stadtkind zur Landmama. Heimwerkerin und Basteltante, Bücherratte und Bilderdenkerin. Gnadenloser Optimist. Nachteule und Langschläfer. Immer neue Flausen im Kopf. Single-Mom in einem 4-Kinder-Haus und Vollzeit im Beruf. Büroflüchtling, wann immer ich kann. Verliebt in den Himmel und die Magie von Büchern ... Und irgendwann schreibe ich selbst ein Buch.

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2 Kommentare

Martina Andor
Antworten 18. November 2018

Hallo Doro,
Paderborn bietet eine Gruppe für Kinder.
"In der Regenbogenkinder-Gruppe treffen sich Kinder zwischen acht und zehn Jahren, die einen lieben Menschen verloren haben. Diese Gruppe wird in Zusammenarbeit mit der Erziehungsberatungsstelle im Caritasverband Paderborn angeboten. Eine weitere Gruppe für Jugendlichen findet ebenfalls regelmäßig statt."
Ich habe die Hilfe von Frau Willemsen schon selbst in Anspruch genommen und kann sie wärmstens empfehlen. Viele Grüße Martina
https://www.caritas-pb.de/Beratung-Betreuung/Lebens-und-Trauerbegleitung/

Andrea
Antworten 12. September 2019

Hallo Doro,
im Rhein-Main-Gebiet gibt es für Kinder Lacrima von den Johannitern: https://www.johanniter.de/dienstleistungen/betreuung/trauerbegleitung-von-kindern-und-jugendlichen-lacrima/lacrimarhein-main/
VG Andrea

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