Wenn die andere Person glaubt, es besser zu wissen … aber in Wahrheit nicht tut?


Das Phänomen „Entscheidungen für andere treffen“ tritt besonders häufig im Kontext der Familie auf. Ein sehr passendes Thema für unseren Blog, aber wie gehen wir eigentlich damit um, wenn unsere Liebsten immer glauben, es besser zu wissen als wir selbst?

„Ich mein’s doch nur gut. Es ist nur zu deinem Besten. Irgendwann wirst du mir dafür danken.“

Wir alle haben diese Sprüche bereits gehört und vielleicht auch selbst von uns gegeben. Der Kontext spielt dabei keine Rolle, denn letztendlich ist es bei allen Beispielen gleich: Wir entscheiden für eine andere Person, weil wir glauben, es besser zu wissen.

Weil wir Eltern sind. Oder mehr Erfahrung haben. Oder mal in einer ähnlichen Situation waren. Oder der felsenfesten Überzeugung sind, die Antwort zu kennen. Denn wir meinen es nur gut. Unsere Absichten sind keine Bösen, vielleicht wollen wir die Person sogar schützen.

Es beim eigenen Kind besser wissen?

Bei der Eltern-Kind-Konstellation tritt das Phänomen besonders häufig auf. Je kleiner die Sprössllinge, desto mehr entscheiden sie für sie. Diese Dynamik bleibt jedoch oft bestehen, selbst, wenn die Kinder gar nicht mehr so klein sind. Wenn ich daran denke, wie oft mir meine Eltern noch immer sagen, ich soll mir einen Schal überziehen, um mich nicht zu erkälten, obwohl ich hundert Mal versichere, dass mir nicht kalt ist … Und wenn der Schnupfen schließlich doch eilt, heißt es: Siehste? Hättest du mal auf deine Mama gehört.

Aber was, wenn der Schnupfen aus bleibt? Was, wenn ich als erwachsene Person meine eigenen Entscheidungen treffe und ohne Schal das volle Risiko eingehe, krank zu werden? Was, wenn ich hin und wieder Fehler mache, und es sogar okay ist?

Kontrolle ausüben?

Ein starkes Wort, aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich: Zeugt die Ursache unseres Einmischens von dem Wunsch nach Kontrolle? Zumindest überlässt man der Person keine wirkliche Entscheidungsfreiheit, sondern „weiß es besser“.

„Bestell das nicht. Nimm lieber das. Geh lieber da hin. Vergiss nicht, dich einzucremen.  Probiere mal, du wirst es bestimmt mögen!

Das Schlimmste: Ich merke es überhaupt nicht, wenn ich mich so verhalte. Und genauso kriege ich es kaum mit, wenn andere mich mit ihren gut gemeinten Ratschlägen bequatschen.

Ratschläge … oder Forderungen?

Wo beginnt ein gut gemeinter Rat und wann endet er als Forderung? Wann sprechen wir von einer Meinung und wann von Kontrollausübung?

Und wann ist überhaupt nach meinem Senf gefragt? Schließlich gibt es oft Momente, in denen sich die Person einfach nur mitteilen möchte. „Hey, übrigens, lasse ich mir bald ein Tattoo stechen.“ In diesem Fall ist die Entscheidung schon getroffen, weshalb gar kein Bedarf besteht, die Meinung zu hinterlassen. Es sei denn, die Person fragt ganz bewusst: „Was denkst du dazu?“

Und dann gibt es zwei unterschieldiche Antworten.

Nein, mach das auf keinen Fall! Das wirst du hundert pro bereuen.

Ich würde dir raten, es dir noch einmal zu überlegen. Diese Entscheidung sollte man meiner Meinung nach nicht aus dem Bauch heraus treffen.

Das unterscheidet den Rat von einer Forderung. Ihr teilt eure persönliche Meinung, fordert die Person aber nicht (ungefragt) zu einer Entscheidung auf, die eurer Meinung nach die richtige ist.

Wir können nicht in die Köpfe anderer blicken

Egal, wie sehr wir glauben, es besser zu wissen,  fehlt uns doch die Macht, in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer Personen zu tauchen. Abgesehen davon kann niemand von uns in die Zukunft sehen. Wir können also niemals wissen, was für die Person am besten ist und was sie ggf. bereuen wird.

Es bei Kindern besser wissen?

Jetzt habe ich viel über „Erwachsenenbeispiele“ geredet, möchte aber nochmal auf die Kindesperspektive eingehen. Prinzipiell finde ich, dass auch Kinder mit  einer großen Portion Entscheidungsfreiheit erzogen werden sollten – solange sie selbst keinen Schaden darunter ziehen. Ein bisschen habe ich schon in diesem Beitrag darüber geschrieben. Einige Entscheidungen müssen für das Kind getroffen werden, besonders, was Gesundheit und soziales Miteinander angeht. Aber Kinder lernen nur, in dem sie ihren eigenen Weg gehen, ihre eigenen Entscheidungen treffen, ihre eigenen Fehler machen.

Hättest du mal auf mich gehört …

… ist einer dieser Sätze, die ich in die Kategorie unnütze Sprüche einordne. Denn ja, vielleicht war die Person im Recht und ein Schal hätte mich vor einer Erkältung bewahrt. Aber was bringt einem dieses „Hättest du mal auf mich gehört“? Die Vergangenheit ist nicht zu ändern und der nächste Rat verspricht nicht, dass die Person wieder recht haben wird. Im schlimmsten Fall sorgt sie dafür, unehrlich zueinander zu werden, aus Scham, das persönliche Versagen zuzugeben.

Wenn die andere Person glaubt, es besser zu wissen …

… dann ist das so. Wichtig ist nur zu erkennen, inwieweit wir uns einbringen. Und ob unsere gut gemeinten Ratschläge nicht irgendwann doch unbewussten Forderungen weichen.

Wie seht ihr das?

Hier ein paar Beiträge mit einer ähnlichen Thematik:

Mein Körper – meine Regeln? Wie und wann gilt das auch für Kinder?

Ist das ein Kultur- oder Mama-Ding? Stehen eure Mütter auch so auf eure Haare?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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