Ist das ein Kultur- oder Mama-Ding? Stehen eure Mütter auch so auf eure Haare?
Haare gelten schon seit Jahrtausenden als Schönheitsideal. Wir pflegen und frisieren sie. Aber ist es bei euch eigentlich auch so, dass eure Mütter voll auf eure Haare stehen?
„Nein, du schneidest dir deine Haare nicht ab!“
Ich beginne mal mit einer ganz provokanten Aussage meiner Mutter. Ich habe diesen Spruch schon in vielen verschiedenen Variationen gehört. Nicht immer klang er wie ein Befehl, wohl aber wie eine unmissverständliche Aussauge.
Nein, die Haare sollen dran bleiben.
Auch heute, Jahrzehnte später, glaubt meine Mutter, sich in meine Haare einzumischen. Wann immer ich von einem baldigen Friseurbesuch spreche, ploppen ihre Augen auf die doppelte Größe auf. Sie fragt, ob sie mitkommen kann, und wie kurz ich sie denn haben möchte. Sie will dabei sein und sicher gehen, dass sie nicht zu kurz werden. Um sie zu ärgern, sage ich oft, dass ich dem Trend folgen und mir eine Glatze rasieren will. Sie findet das natürlich gar nicht lustig.
Aber vielleicht sollte ich erst mal von vorn beginnen…
Haare sind meiner Mutter sehr wichtig.
Auch, wenn es oft heißt, dass muslimische Frauen ihre Haare eh nur hinter einem Schleier verdecken, kann ich euch garantiert vom Gegenteil überzeugen. Die meisten muslimischen Frauen, die ich kenne, haben sehr lange prächtige Haare – so wie ich. Auch meine Cousine hatte immer sehr lange Haare und eine Mutter wie ich, die ihr positiv zusprach, ihre Haare bloß nicht abzuschneiden.
Ist das ein Kulturding?
Ich habe zwar keine Studie darüber gelesen, aber ich habe es jetzt mehrmals gehört, dass muslimische Mütter auf die langen Haare ihrer Töchter stehen. Ich bin nicht die einzige, der von kurzen Haaren abgeraten wurde. Ich kenne auch niemanden (außer meine Schwester), die sich der eigenen Mutter widersetzt und die Haare doch kurz geschnitten hat. Irgendwie ist die Meinung der Mutter für viele so wichtig, dass sie sich zu Herzen genommen wird.
Ist das ein Mama-Ding?
Vielleicht ist das aber auch gar nicht kulturell begingt. Ich möchte auch auf keinen Fall pauschalisieren, dass nur Mütter sich für Frisuren interessieren, und nur Mädchen lange Haare haben. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass Frauen und Männer anders sozialisiert sind und das Gespür für Mode und Haare oft auf die Frau fällt. Da ich annahm, dass es ein Kultur-Ding war, habe ich mal bei meinen deutschen Freund*innen rumgefragt, wie es bei ihnen war. Fast alle haben mich mit großen Augen angesehen, weil das „Mama mischt sich in meine Haare ein“ Thema fremd für sie war. Allerdings war ihnen nicht alles fremd. Wenn es um Piercings oder Tattoos ging, hatten die Mütter plötzlich doch ein Wörtchen mitzureden.
„Nein, das wirst du bereuen.“
„Nein, das sieht nicht schön aus.“
„Denk doch mal daran, wie es aussieht, wenn du alt bist.“
„Du solltest das besser nicht machen.“
Ähnliche Tiraden, die ich mir anhören musste, wenn es um meine Haare ging.
Eltern projizieren ihre Ideale auf ihre Kinder.
Ich glaube, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Eltern ihre Normvorstellungen auf ihre Kinder beziehen. Das, was sie für falsch oder richtig erachten, geben sie an ihre Kinder weiter. Fehler, die sie gemacht haben (zum Beispiel eine schreckliche Frisur oder ein Tattoo) wollen sie nicht an ihren Kindern sehen. Sie wollen sie nur schützen, glaube ich. Sie wollen nur das Beste.
Eltern müssen loslassen.
Doch ich glaube, dass Eltern ihre Kinder gar nicht vor Fehlschlägen schützen können. So wie sie einst ihre Fehler machten, müssen auch ihre Kinder dies tun. Sie müssen sich ausprobieren, um sich zu entdecken. Sie müssen ihren eigenen Geschmack ausleben, nicht den der Eltern.
Mein Körper geht niemanden was an.
Das musste ich meiner Mutter mehrmals verklickern. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Meinung immer schätze, aber es am Ende des Tages meine Entscheidung ist, was ich mit meinem Körper mache. Sie, und niemand sonst hat sich da einzumischen. Ich kann ihn kleiden, wie ich will, frisieren, wie ich will, tätowieren, wie ich will, piercen, wie ich will.
Verbote sorgen nur dafür, sich im Akt der Rebellion zu widersetzen, oder es eben heimlich zu machen. Damals ließ ich mir mein Bauchnabelpiercing heimlich stechen. Als meine Mutter es herausfand, war sie sehr traurig. Nicht, weil sie das Piercing blöd fand, sondern, weil ich es heimlich gemacht hatte, und sie so gerne mitgekommen wäre.
Doch was ist es nun? Ein Kultur- oder ein Mama Ding?
Ich glaube, es ist ein Menschending, das sich weder in eine bestimmte Kultur oder ein Elternteil kategorisieren lässt. Ich habe schließlich auch eine Meinung, wenn meine beste Freundin ihre Haare abschneiden oder färben will. Wir alle haben unsere Meinung. Doch wir müssen lernen, dass sie eben nur das ist. Eine Meinung. Kein Gebot oder Gesetz. Wie ich schon sagte. Mein Körper – meine Regeln!
Wie ist das bei euren Eltern? Mischen sie sich auch so sehr in eure Haare ein? Und wie handhabt ihr das mit euren Kids?
Liebe Grüße
Mounia
- 18. Jun 2020
- 4 Kommentare
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- Eltern, Haare, Körper, Körperbild, lange Haare, mein Körper, meine Regeln, Meinung von Eltern
Birgit Lorz
19. Juni 2020Hallo,
weder mischt sich meine Mutti in meine Haare ein... wäre auch etwas lächerlich, bin mittlerweile über 50 ... noch würde ich auf die Idee kommen, meinen Kindern vorzuschreiben, wie sie ihre Haare tragen sollen.
Meine Kleine wollte das letztes Mal "vielleicht einen Pony" ... da hab ich ihr abgeraten. Nach 3 langen Jahren, ist der letze Pony gerade rausgewachsen.
Wenn sie darauf bestanden hätte?
Hmmmm.... hätten wir halt noch ein bisserl diskutiert. Weil ich meinen Kindern ja NIE vorschreiben würde, was sie mit ihren Haaren machen. ;)
lg
Birgit
Maria
19. Juni 2020Hallo Mounia, ich glaube, das ist eine kulturelle Sache. Es ist irgendwie eher ein Ding westlicher Frauen, kurze Haare zu tragen. Ich denke in muslimischen Kulturen gibt es noch häufiger das klassische Bild der Frau mit langen Haaren, und das möchten die Mamas dann bei ihren Töchtern auch so sehen.
Meine Mutter hat sich bei mir für meinen Geschmack zu wenig eingemischt. Ich hätte mir beim Heranwachsen zur Frau etwas mehr Unterstützung gewünscht; zweimal (im Kindergarten und mit 14) bekam ich einen radikalen Kurzhaarschnitt und jedes Mal dachten alle anderen, ich wäre ein Junge. Es hätte mir bei meiner Identitätsfindung als Frau geholfen, wenn meine Mutter dieses Mädchen-Sein bei mir unterstützt und sich mit mir gemeinsam damit beschäftigt hätte. Frisuren ausprobieren für den Alltag, Frisur für den Tanzstundenball, vielleicht mal beim Friseur hochstecken lassen etc... da musste ich immer allein klarkommen und habe mich da auch allein gelassen gefühlt.
Maria
19. Juni 2020Noch ein Nachtrag: Bei meiner eigenen Tochter werde ich das entsprechend anders handhaben. Noch ist sie klein und ich rede stark mit, damit sie gepflegt aussieht und die Frisur trotzdem alltagstauglich ist, aber ich würde ihr niemals eine Frisur oder Haarschnitt aufzwingen, die sie nicht will (Stichwort Läuse-Kahlschlag... schweres Trauma bei mir). Wenn sie ein größeres Mädchen wird, möchte ich sie da durchaus an die Hand nehmen, nach ihren Wünschen fragen und die auch respektieren. Für Feste mache ich sie schon jetzt gern ein bisschen hübsch und werde sie auch wenn sie ein junges Mädchen ist gern darin unterstützen, sich für Anlässe besonders zurechtzumachen. Aber ich werde mich hüten, ihr irgendwie reinzureden, erst recht nicht wenn sie erwachsen ist! ;-)
Anja Stark
16. September 2021Bei mir war es ein Papa-Ding. Als ich mir (mit ca 22) die Haare Kinnlang abgeschnitten habe, hat er einen Tag nicht mit mir geredet ;)
Allerdings muss man Ihnen auch zugute halten, dass sie manchmal recht haben. Ich wollte als Teenie immer eine Dauerwelle, haben mir beie Eltern verboten. Mit 40 habe ich mir eine machen lassen... war keine gute Idee ;) Nach 4 Wochen hab ich Sie mir wieder entfernen lassen...