Ich, der digitale Nomade, arbeite gerade aus der Wärme… für eure Kinder wird das in Zukunft ganz normal
Kommentare mitten in der Nacht beantworten? Tweets vor dem Sonnenaufgang? Ist Béa krank? Nein, nur woanders. Zum zweiten Mal in diesem Winter versuche ich aus der Wärme zu arbeiten, als digitaler Nomade. Damit wird ein großer Lebenswunsch wahr – darüber will ich berichten und auch einen Ausblick geben auf die Arbeitswelten von morgen. Die Arbeitswelten eurer Kinder!
Als es vor fast zwei Jahren mit der Tollabox aus war, habe ich mir geschworen: Egal, was ich machen werde, es muss digital sein. Keine Büropflicht, kein vorgeschriebener Ort, kein Lager mit Ware … nur das Internet und ich, plus ein Team, das bereit ist, mit mir flexibel übers Internet zu arbeiten.
Möglich ist das natürlich nur, weil ich inzwischen ein so großes Kind habe, das eigenständig lebt und studiert: Jetzt zahlt es sich aus, dass ich schon mit 21 Mutter wurde! Und so kann ich – zusammen mit meinem Mann Oliver, der auch überwiegend digital arbeitet – in den kalten Wintermonaten phasenweise woanders sein… am besten dort, wo die Temperaturen konstant oder wenigstens tagsüber über 25° liegen und die Sonne scheint! Schon im Herbst konnte ich das auf den Kanaren testen, sogar teilweise mit unserer Designerin Desi. Da hatten wir ein kleines Apartment aus dem wir auch gearbeitet haben. Den Blogbericht dazu könnt ihr hier lesen.
Tropische Bürogemeinschaft
Und nun bin ich schon seit über 10 Tagen auf der wunderbaren Insel Ko Lanta in Thailand. Ich arbeite aus dem Kohub, einem sogenannten „Co-Working-Space“ Das ist eine Art tropische Bürogemeinschaft, in der man einen Schreibtisch, Internetverbindung, Meetingräume und eine Versorgung mit leckerem thailändischen Essen aus der hauseigenen Küche hat… so wie bei uns in Berlin das Betahaus, oder mittlerweile das wegweisende Co-Working Toddler, das sogar Kinderbetreuung anbietet. Das Kohub auf Ko Lanta hat keine Kinderbetreuung – aber ganz viel Raum für Menschen aus der ganzen Welt, die ortsunabhängig arbeiten. Einer davon bin ich:
Ein anderer ist mein Mann Oliver:
Was mache ich? Was machen wir?
Ich schreibe am Tollabea-Blog weiter, verhandle mit Werbekunden, denke mir neue Sachen aus in Sache Bildung und bereite ein Beratungsprojekt vor und einige Konferenzauftritte für Februar und März, wenn ich zurück bin. Business as usual, mit sechs Stunden Vorsprung wegen der Zeitverschiebung. Ich bin, wenn es bei euch 4:30 ist, bereits gefrühstückt am Strand, jogge und schwimme dann eine Stunde – und dann geht’s ins Kohub gegen 11:00 oder 12:00 meiner Zeit: Schreiben, Skypen, Facebook, Emails, Fotos etc. bearbeiten. Bis so ca. 19:30 – dann gehen wir essen mit anderen aus dem Kohub. Oft muss ich danach auch noch arbeiten, Community managen, Anfragen beantworten, also von ca. 22:00 bis Mitternacht… Bei Oliver sieht es genauso aus. Arbeitsalltag aus einem Ort, wo andere Urlaub machen. Die meisten Gäste hier arbeiten selbstständig im Online-Marketing, als Programmierer, Designer, Blogger usw. und sie verdienen ihr Geld wie zuhause, nur von einem anderen Ort.
Nun zurück zu Thailand: Hier rechnen wir mit ca. 45 Euro pro Tag und pro Person für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitsplatz, WLAN, etc. – was allerdings auch deutlich sparsamer geht. Die meisten sagen, dass 30 Euro am Tag schon recht üppig sind! Wir haben uns ein Hotel direkt am Stand geleistet, das Lanta Casuarina, was für Thailand immer noch eher hochpreisig ist, jedoch dafür mit dieser Aussicht trumpft:
Will ich euch eigentlich neidisch machen und sonst nix?
Nein. Die meisten von euch sind Eltern, gebunden an Jobs und Schulrhythmus der Kinder, die wenigsten von euch können sagen: Jau, das machen wir auch! Höchstens mal in ausgedehnten Ferien, wenn es eure Arbeitgeber oder eure Selbstständigkeit möglich machen. Was ist also der Wert von so einem Blogpost für euch?
Nun, das hat wieder mal mit der Zukunft eurer Kinder und ihrer Bildung zu tun:
1. Diese Art des digitalen Arbeitens wird in den nächsten Jahren zunehmen.
Eure Kinder wachsen in einer Welt auf, die immer digitaler und globaler wird. Es entstehen Arbeitsmodelle, von denen unsere Eltern nicht mal träumen konnten. Und selbst wir tasten uns nur vorsichtig ran. Der Umgang mit den „neuen“ Medien, die eigentlich gar nicht mehr neu sind (Personal Computer gibt’s schon seit den 90ern), ist für die sogenannte Alpha-Generation oder „screenagers“ eine völlige Selbstverständlichkeit, die nur in den Schulen im deutschsprachigen Raum noch nicht selbstverständlich ist… Eine der größten Bremsen gegen die Einführung von Computern für jeden Schulplatz ist die Forderung nach Einheitlichkeit, und dazu habe ich eine klare Meinung: Nein, es müssen nicht alle Kinder das gleiche System und die gleiche Hardware haben! Es reicht, wenn jeder ein halbwegs funktionierendes Gerät hat – und der Lehrer muss sich auch nicht darum kümmern. Der neue „Füller“ ist ein internetfähiges Gerät – basta. „Bring Your Own Device“, kurz BYOD, in allen Schulen könnte uns deutlich weiterbringen… Und jetzt bitte nicht dagegen sein weil die Kids dann unterm Tisch spielen. Das machen sie schon heute mit ihren Handys, mit denen sie während des Unterrichts miteinander chatten. Der Lehrer kann einführen, dass Handys auf den Tisch gelegt werden.
Gleichermaßen merke ich, wie sehr die neuen Kommunikationskanäle helfen, zum Teil auch über Social Media. Schnell eine Terminabstimmung über den Facebook Messenger oder ein Anruf über Whatsapp? Kein Problem. Meinungsforschung? Ich frage schnell die Community. Innovative Schulprogramme haben längst erkannt, dass Social Media nicht nur verteufelt und verbannt gehört – sondern in Lernprojekte, die für die Kinder und Jugendliche Sinn machen, integriert gehören!
Ganz viele hier gehören zur Softwarebranche und leben ein gutes Leben damit, denn sie haben meist mehr Aufträge, als sie bewältigen können… was mich zum Thema Coding lernen bringt! Wie wichtig wird das in der Zukunft? Sehr. Wichtiger als Jura, Germanistik oder BWL. Wir haben neulich über den Lerncomputer Dash hier berichtet und zum Thema „Coding“ habe ich einen weiteren Artikel in der Mache. Kommt bald!
Je geübter und flinker eure Kinder neue Arbeitsweisen, neue Medien und neue „Tools“ verstehen, desto besser werden sie die Chancen der zukünftigen Berufswelten ergreifen können. Ich plädiere dafür, mit ihnen zusammen schon im frühen Schulalter zu schauen, was die Zukunft für Arbeitsformen mit sich bringen könnte – und sie nicht zu limitieren auf die typischen Berufsbilder, die wir heute kennen!
2. Offenheit lernt man durch den Austausch mit den verschiedenen Kulturen
Was hier im Kohub wirklich bezaubernd ist und uns vom ersten Tag an hat heimisch fühlen lassen ist der Anschluss an eine offene internationale Gemeinschaft. Die Menschen, die hier sind, kommen aus allen Ecken der Welt, von Portugal bis Finnland, von Australien bis USA, von Bulgarien bis Kanada, und sogar einige Rumänen habe ich getroffen. Deutsche und Österreicher sind hier auch gut vertreten. Wie schnell konnten wir alle auf Englisch und in anderen Sprachen kommunizieren und uns alle neugierig und aufgeschlossenen integrieren! Flugs sind die wichtigsten Sachen ausgetauscht, wer wir sind, woran wir arbeiten… und dann geht es schnell zu den schönen Fragen, die einen über sich selbst nachdenken lassen: „What is your passion?“ oder „What do you care about?“ sind wunderbare Austausch-Anfänge, und ganz schnell sind spannende Diskussionen im Gange. Wir lernen mit jedem Gespräch Neues dazu – über die jeweiligen Länder und Sichtweisen und auch über uns selbst.
Spielerisch leicht ist die Akzeptanz der verschiedenen Kulturen: Jeder lebt wie es ihm gefällt, Tipps werden ausgetauscht, aber keiner versucht, anderen vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Genau dieses Selbstverständnis habe ich in international ausgerichteten Schulen wie meiner Gründung Phorms erlebt: Je internationaler eine Gemeinschaft, desto mehr Verständnis für die Andersartigkeit der Individuen kann entstehen.
Nun zu euch: Wie kann man das im normale Umfeld einer Schule schaffen? Haben wir nicht lauter Ausländer, fast überall? Könnt ihr Andersartigkeit auch bewusst suchen – auch wenn die Verständigung zunächst nicht leicht fällt? Wäre es nicht toll, wenn ganz normale deutsche Schulen den Lehrermangel mit Lehrern aus anderen Ländern bewältigen würden, die zum Beispiel mehr auf Englisch unterrichten könnten? Englisch ist eh die Business-Sprache der Zukunft, warum es nicht mal wagen und z.B. den Matheunterricht auf Englisch stattfinden lassen?
Oh, ich merke, hier habe ich wieder ausufernde Ideen. Zu viel für einen einzelnen Blogpost jetzt. Ich werde die Reihe „Traumschule“ weiterführen, denn neue Ideen habe ich viel – und freue mich auf Anregungen von euch.
Hier sind nur noch einige weite Fotoeindrücke… ich freue mich auf Fragen von euch!
Hier ist unsere Unterkunft – ein Standardzimmer im Hotel Lanta Casuarina (nein kein Meerblick, es war uns zu teuer)…
Aber in weniger als 100 Schritten gibt’s schon Meerblick – das ist die Sicht vom Frühstückstisch (den Strand selbst seht ihr als Titelbild).
Hier noch mal unser „Arbeitsplatz“ als digitale Nomaden, das Kohub:
Wir haben sogar eine Bürokatze. Sie heißt Minnie und ist voll integriert…
So, ich schicke euch ganz viele Sonnenstrahlen und Wärme!
Liebe Grüße,
Béa
Patricia
26. Januar 2017Liebe Bea,
vielen Dank für den interessanten und inspirierenden Beitrag. Ich finde, du machst das genau richtig und freue mich immer über deine positiven Berichte, die zeigen: "Life is (eben doch) simple" - wenn man sich traut. ;-)
Liebe Grüße,
Patricia
beabeste
26. Januar 2017Lieben Dank dir Patricia! <3
Ingken
26. Januar 2017Liebe Béa, ein sehr schöner Artikel, der wirklich ein realistisches Bild vom digitalen Nomadenleben zeigt! Ich finde es immer beeindruckend, wie du (und auch Oliver) immer neugierig und experimentierfreudig bleibt und euch durch Misserfolge nicht unterkriegen lasst! Ich wünsche euch noch eine schöne und erfolgreiche Zeit! Liebe Grüße aus dem extrem ungemütlichen Kiel Ingken
beabeste
26. Januar 2017lieben Dank Ingken! <3
Steffi
26. Januar 2017Was für ein spannender Einblick in euer derzeitiges Leben! Danke dafür! In mir wächst derzeit wieder ein wenig die Lust auf Veränderung und die Frage, ob ich noch einmal studiere, um ein zweites Standbein zu haben (das auch nomadentauglich wäre - das bilde ich mir zumindest ein), wird wieder lauter. Ich bin sehr gespannt, wie sich das weiterentwickelt. Inspirierende Personen in meinem Umfeld habe ich gerade zum Glück hinzugewonnen. :-)
Herzlicher Gruß und eine wunderbare Zeit euch weiterhin!
Steffi
Elisabeth Green
5. Mai 2017Sehr schöner Beitrag. Koh Lanta hat mir so gut gefallen – ich möchte unbedingt noch einmal dorthin. Lg, Elisabeth
Béa Beste
5. Mai 2017Ich auch!!! Unbedingt... liebe Grüße, Béa