Helfen ohne Gegenleistung? Ab wann wird Selbstlosigkeit zum Problem?


Selbstlose Menschen sollen angeblich glücklicher sein – und vor allem ihre Mitmenschen glücklich machen. Allerdings hat alles irgendwo eine Grenze, und genau darum soll es in diesem Beitrag gehen: Denn ab wann wird Selbstlosigkeit zu einem Problem?

Ich finde dieses Thema sehr passend für diesen Blog, denn die meisten selbstlosen Menschen, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe, sind Mütter. Das liegt vermutlich zum Teil an der Art der Sozialisation. Mother Shaming straft im Prinzip alle Mütter, die nicht „perfekt“ sind – und perfekt ist keiner. Trotzdem gilt es als ehrenhaft, für die Kinder da zu sein, die eigenen Bedürfnisse beiseite zu schieben und nur für den Nachwusch zu leben. Glennon Doyle hat in ihrem Buch Ungezähmt ganz viele interessante Sachen dazu geschrieben.

Und hier kommen wir auch zur Selbstlosigkeit.

Selbstlos sein

Helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Für andere da sein, weil man es will, und nicht, weil man irgendeinen Nutzen daraus zieht. Außer dem, dass man es gern tut. Ich fand den Charakterzug der Selbstlosigkeit sehr schön und ehrenhaft.

Mein Vater ist ein sehr selbstloser Mensch und in seinem Bekanntenkreis sehr beliebt. Alle mögen ihn, und wissen, dass sie sich auf ihn verlassen können. Damals sah ich nur die Vorteile und wusste nicht, dass Selbstlosigkeit auch viele Schattenseiten mit sich bringen kann.

Immer zuerst an andere denken?

Eigentlich ist es ganz logisch: Wenn wir immer nur an die anderen denken, kommen wir selbst zu kurz. Das kann deshalb zu einem Problem werden, weil wir dadurch unsere eigenen Grenzen missachten oder gar ignorieren. Um beispielsweise auf meinen Vater zurückzukehren, geht seine Selbstlosigkeit so weit, dass er sein weniges Rentengeld irgendwelchen Verwandten gibt, die danach fragen, woraufhin er wieder anfangen muss zu arbeiten, um sich über Wasser zu halten. „Wo ist da die Logik?!“, fragte ich ihn. „Du kannst denen doch nicht etwas geben, das du selbst brauchst!“
„Ja, aber was soll ich machen?“, schoss er zurück.  „Sie brauchen es eben. Ich will helfen.“

Und hier kommen wir zum nächsten Problem.

Ausgenutzt werden

Ich liebe meinen Vater über alles, aber manchmal ist dieser Mann unglaublich naiv. Zu oft habe ich erlebt, wie seine Mitmenschen ihn ausnutzten, weil sie wussten, dass er sowieso nichts sagen würde. Er ist schließlich selbstlos – aber nicht dumm. Trotz seiner Gutmütigkeit merkt auch er irgendwann, wenn er ausgenutzt wird. Und das ist ein ganz schmerzhaftes Gefühl. Wir hatten deswegen schon ganz viele Gespräche, die mich in der Theorie bestärkt haben, dass selbstlose Menschen für ihren Edelmut ausgenutzt werden.

Süchtig nach Selbstlosigkeit?

Aber warum sind wir eigentlich selbstlos? Die Antwort: „Weil wir eben tolle Menschen sind“ wäre zu leicht gedacht.

Ich habe zwei Sorten selbstloser Menschen kennengelernt: Diejenigen, die es nicht anders gelernt haben, immer für andere da zu sein, und die, die ihren Selbstwert dadurch stärken.

Ersteres Beispiel ist natürlich sehr traurig und erfordert meiner Meinung nach eine Therapie, um viele Verhaltensmuster zu erkennen und aufzuarbeiten.

Aber auch das zweite Beispiel finde ich nicht ganz ohne. Denn manchmal tun wir Dinge deshalb so leidenschaftlich gern, weil wir irgendwas davon bekommen. Selbst, wenn wir keine physische Gegenleistung erwarten.

Mir persönlich gibt es immer etwas, für andere da zu sein. Dadurch fühle ich mich zugehörig, akzeptiert, wichtig, und auch gebraucht. Viele Grundbedürfnisse werden gefüttert – und so habe ich letztendlich doch etwas davon. Ob das schlimm ist? Eigentlich nicht, es sei denn, die Selbstlosigkeit ist die einzige Quelle, aus der wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen. Denn dann fallen wir in eine gewisse Abhängigkeit.

Ab wann wird Selbstlosigkeit zum Problem?

Meine Meinung: Sobald uns die Selbstlosigkeit in irgendeiner Weise schadet. Helfen ohne Gegenleistung ist sehr nobel, aber nicht, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse konstant ignorieren. Ebenso heikel finde ich es, sobald die bloße Selbstlosigkeit unseren Selbstwert stärkt.

Aaaaber jeder Mensch ist anders. Gefühle lassen sich nicht messen und jene mit einer altruistischen Veranlagung schöpfen schließlich viele positive Gefühle aus der Selbstlosigkeit. Eine generealisierte Meinung kann es demnach gar nicht geben. Und im Großen und Ganzen finde ich es ja toll, für andere da zu sein. Nur eben nicht in einer aufopferungsvollen Weise, sondern in einer respektvollen und wertschätzenden…

Was ist eure Meinung zu dem Thema?

Und was mich auch sehr interessieren würde. Glaubt ihr, dass die meisten Menschen tendenziell egoistisch sind oder eher selbstlos?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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