Hilfe Pubertät! Was kann ich tun, wenn mich mein Teenager beleidigt?


Hilfe Pubertät! Kennt ihr das? „Ach, f*** dich doch! Ich hasse dich! Lass mich in Ruhe!“ Von euren Teenagern? Und die Gefühle, die dann in euch hochkommen? Wie nun weiter? Darüber schreibe ich heute. Wie immer aus der Ich-Perspektive.

(Und ein „F*** dich doch!“ kam hier auch noch nicht ausgesprochen vor. Das war ein Beispiel.)

Zu Beginn gleich ein paar Worte zum Thema „Mein Teenager beleidigt mich“ aus dem Titel. Davon möchte ich weg, von solchen Bewertungen. Wir haben den Titel bewusst so gewählt, weil viele es eben so empfinden. Ich kann zu jemandem sagen: „Wenn du xy sagst, bin ich wütend oder verletzt.“ Allerdings bezeichne ich es nicht als Beleidigung. Das ist meine Bewertung und trennt zwischenmenschlich eher.
Warum? Das kann ich hoffentlich mit diesem Artikel darstellen. Und dieser Perspektivenwechsel kann womöglich auch anderen Menschen helfen.

Regel Nr. 1 für mich: Pause zwischen Reiz und Reaktion! Was wird in dir ausgelöst? Was brauchst du jetzt?
Dann erst handeln. Denn der Umgang mit meinem Kind (nicht nur) in der Pubertät hat vor allem etwas mit mir selbst zu tun!

Ja, das klingt einfacher, als es ist. Und doch ist es für mich die Voraussetzung für eine wertvolle Kommunikation mit meinen Jungs, frei von gegenseitigen Vorwürfen. Es geht eben nicht nur darum zu schauen: Warum benimmt sich mein Kind so? Sondern auch: Was macht es mit mir? Wie gehe ich damit um, wenn sich mein Kind vermeintlich respektlos* mir gegenüber verhält? Dann brauche ich meine Empathie für mir selbst.

*Zum Punkt „vermeintlich respektlos“ komme ich später im Artikel zurück.

Mir ist es sehr wichtig, dahinter zu schauen: hinter das Verhalten, hinter die Worte und mich damit zu verbinden.

Denn natürlich ist die Teenagerzeit auch die Zeit, in der große körperliche Veränderungen passieren. Und den eigenen Körper so auch anzunehmen, ist auch nicht immer leicht. Die hormonellen Veränderungen haben einen starken Einfluss und äußern sich auch manchmal in starken Stimmungsschwankungen der Jugendlichen. Der erste Liebeskummer steht vielleicht auch ins Haus. Die Pubertät ist auch Zeit für ein starkes Bedürfnis nach Autonomie und Abgrenzung von den Eltern. Und auch in der Schule spielt die Pubertätszeit womöglich eine Rolle. Zeit dafür: den eigenen Platz in der Welt zu finden. Das kann sich doch schon oft verwirrend und überfordernd anfühlen. Hilflosigkeit spielt hier auch eine Rolle. Und vor allem ist diese Zeit für den pubertierenden Teenager auch eine Zeit, in der etwas im Gehirn passiert!

Was also, wenn mein Kind mitten in einem Gespräch: „Ach f*** dich doch! Ich hasse dich! Lass mich in Ruhe!“ Vielleicht schreit, aufsteht und die Tür hinter sich zuknallt?

Ein: „Ich hasse dich“ kam hier auch schon vor. Und ich war schockiert, traurig und verärgert.

Verärgert: Weil ich mir Respekt wünsche und diese Worte eben nicht auf dieses Bedürfnis einzahlen.
Traurig und schockiert: Weil ich mir eigentlich eine andere Verbindung zu meinem Kind wünsche.
Überfordert: Weil ich in dem Moment nicht wusste, was nun.

Ja, ich hätte mich auch dafür entscheiden können, ihm das W-LAN zu kappen. (Das jetzt als Beispiel von Tipps à la aus Muttis Nähkästchen). Steht schließlich in meinem Zimmer, der Router! Wahrscheinlich hätte er dann ganz schnell ein von mir gewünschtes Verhalten an den Tag gelegt. Oder ihm wäre es verdammt egal gewesen und er wäre auch ohne Internet klargekommen. Rebellion eben! Wie auch immer.

Ich möchte keine Macht über mein Kind ausüben. Eine gute Eltern-Kind Beziehung in der Pubertät ist für mich auch mit Augenhöhe.

Wenn ich tief in mich reinschaue, fand ich bei mir die Bedürfnisse nach Respekt und Verbindung. Respekt, den ich auch meinem Sohn gegenüber bringe. Strafen sind für mich kein Ausdruck von Respekt, sondern von Macht. Jegliche Tipps, bei denen es um eventuelle Strafen für Verhalten geht, lehne ich ab. Das gilt für mich zu Hause wie auch in der Schule. Auch da finde ich Strafen nicht angebracht, sondern Konsequenzen. In der Schule werden Kinder häufig nach ihrem Verhalten bewertet. Und es wird Macht ausgeübt, wenn das Verhalten „nicht angemessen“ ist.

Das heißt NICHT, dass ich meinem Kind nicht sage, dass ich sauer bin!

Das bedeutet auch nicht, dass er jetzt mit jedem Satz einen Blumenstrauß bekommt, ich jedes Wort an ihn mit Zuckerguss überziehe. Nein!

Was allerdings bei mir auf jeden Fall ausbleibt, ist ständige Kritik. Ich-Botschaften sind hier eine große Hilfe. Tipps dazu und wie sie funktionieren, könnt ihr hier lesen.
Ich kommuniziere authentisch und ich zeige auch meine eigenen Grenzen auf. Das allerdings, NACHDEM ich in mich gegangen bin und in der Lage, mich empathisch mit ihm zu verbinden. Es hat nämlich nichts mit: Ich lasse alles durchgehen zu tun. Sondern alles damit: Es liegt an mir, wie ich mit seinen Worten umgehe.

Also ganz wichtig: Mich mit mir selbst verbinden und erst mal ’ne Runde durchatmen.

Früher habe ich es tatsächlich geschafft, wenn mein Großer wütend den Raum verlassen hat, hinterherzurennen und zu schreien: „Du kommst jetzt sofort wieder her! Ich bin noch nicht fertig!“
Heute weiß ich: Jetzt brauchen wir beide erst mal Ruhe. Hoch emotional Gespräche führen, bringt uns doch allen nichts und hat einen negativen Einfluss auf die Beziehung. Wenn die Eltern ruhig sind, kann sich das auch übertragen. Hier ist ein Teenager wie auch ein jüngeres Kind natürlich darauf angewiesen, dass seine Eltern sich regulieren können!

Sie haben nicht nur ein intensives Loyalitätsgefühl zu ihren Eltern, egal wie diese sich verhalten: Sie sind ja auch abhängig von ihnen.
Falls der eine oder andere beim Lesen jetzt vielleicht ein schlechtes Gewissen hat, weil er nicht weiß, wie er sich selbst regulieren kann: Das ist lernbar. 🙂 Ihr würdet wahrscheinlich auch gerade diesen Artikel auf unserem Familienblog nicht lesen, wenn euch das Verhältnis zu euren Kindern (Teenagern) nicht am Herzen liegen würde.

Folgende Faustregel hilft mir hier: Es ist in manchen Fällen besser, wenn wir uns erstmal räumlich aus dem Weg gehen, bis wir in ein ruhiges Gespräch gehen können.

Bevor ich jetzt weiter darüber schreibe, wie ich damit umgehe:
Hier kommt die Perspektive von meinem älteren Sohn.

Denn wir haben darüber gesprochen, in einem ruhigen Moment.
„Mama, wenn ich solche Sachen zu dir gesagt habe, war ich überfordert. Und dann kam das alles einfach aus mir raus. Ich war wütend und in meinem Kopf ging alles durcheinander. Ich habe dich lieb!“

Das wird ganz sicher nicht nur bei meinem Sohn so sein!

Wer an dieser Stelle denkt: „Dann soll er so was doch nicht sagen!“

Gerne noch mal: Teenager leben in einem hormonellen Chaos.

Mal ganz ehrlich: Mir gelingt das doch auch nicht jedes Mal! Euch etwa? Und wir sind nicht mehr in der Pubertät.

Wenn ich also denke: „Ich sage ihm jetzt mal, dass mir Respekt wichtig ist und dann kommen nie wieder solche Worte aus seinem Mund.“ Da mache ich mir selbst was vor. Veränderungen brauchen ihre Zeit. Es zu erkennen und lernen, darauf zu achten, das ist für mich wertvoll.

Hier passt auch gerade die Auflösung zu: „vermeintlich respektlos“ rein, vom Anfang meines Artikels.

Denn das ist nur mein Gedanke! Ja, es ist die Geschichte, die ich mir zu seinen Worten und seinem Verhalten erzähle.
Ich denke: „Das ist respektlos!“
Dabei ist es ein: Er ist hilflos, wütend und überfordert.

Er hat mir diesen Respekt dann gezeigt: In dem Moment, in dem er sich mir offen und verletzlich gezeigt hat. Und als er mir gesagt hat, wie er sich wirklich fühlt.

Es kommt vor, dass Emotionen hochkochen und dann können auch solche Sätze fallen.

Ich zeige hier auch eigene Grenzen auf: Ich bin verletzt und ich möchte Respekt. Gleichzeitig kann ich mich mit dem dahinter verbinden. In jedem Fall haben wir hier die Strategie für uns gefunden: Auszeit, wenn wir merken, wir können gerade nicht ruhig miteinander reden. Und dann setzen wir uns einfach erneut zusammen.

Das ist eine der festen Regeln bei uns: Gespräche können wir auch unterbrechen und beruhigen uns erst.

Das war einer meiner Söhne. Sein Bruder formuliert solche Sachen für sich im Kopf und wird dann ganz ruhig. Er spricht nicht mehr mit mir. Er möchte sich erst sortieren, bevor er wieder mit mir in ein Gespräch geht. „Mama, ich will dir nicht wehtun. Bitte lass mich eine Weile für mich sein.“ Auch das hat eine Weile gedauert, bis er sich mir so geöffnet hat. Und das hat sehr viel damit zu tun, dass ich empathisch auf das dahinter geschaut habe und mir nicht gesagt: „Er will mich mit seinem Schweigen treffen.“ Auch bei ihm habe ich die Hilflosigkeit gespürt.

Fazit: Bevor ich also sofort reagiere, schaue ich in mich und gebe mir selbst Empathie. Dann versuche ich hinter Worte zu schauen. Nicht nur bei meinen Jungs. Besonders bei Menschen, die mir am Herzen liegen, ist mir das wichtig.

Nicht nur beim Thema Pubertät, auch in allen anderen Altersgruppen: Selbstreflexion der Eltern ist wichtig! Wissen, was im eigenen Gehirn passiert. Die eigenen Themen kennen: Wann projiziere ich auf mein Kind? Kann ich mich emotional regulieren? „Stabile Eltern“ sind wichtig für das Gelingen einer guten Kommunikation. Kann ich mich empathisch mit meinem Kind verbinden, auch wenn die Emotionen hochkochen? Oder brauche ich eine Pause und Selbstmitgefühl? Kenne ich meine eigenen Grenzen? Und ein Perspektivenwechsel: Der sogenannte schwere Weg der Pubertät kann dann auch aus der Sicht einer möglichen neuen Qualität des miteinander betrachtet werden.

Hilfe Pubertät?! Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Hinterlasst uns gerne einen Kommentar.

mindfulsun

PS: Manchmal genügen die guten Absichten leider nicht. Und wir sind hilflos und überfordert. Hier kann professionelle Hilfe wichtig sein. Für pubertierende Jugendliche oder die Eltern oder beide gemeinsam. Hier kann eine Familienberatung eine Anlaufstelle sein oder auch jemand, der als Zwischenstelle fungiert und vermittelt: Mediation. Für ein besseres Verständnis füreinander.

mindfulsun
About me

Mensch, Mama zweier Jungs, die versucht ihre Werte zu leben und die innere Balance zu halten. Ich schreibe über Achtsamkeit, vegane Ernährung, Nachhaltigkeit und verbindende Kommunikation von Herzen. Was ich mir wünsche? Einander mit mehr Mitgefühl und Empathie zu begegnen, überall auf der Welt.

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