Natürliche Geburt statt Kaiserschnitt: Mut zum Krankenhauswechsel in Geburtsprozess – Geburtsbericht
Liebes Tollabea-Team, ich habe die spannenden Geburtsberichte auf eurer Seite gelesen und möchte an dieser Stelle gerne auch von meiner Geburt erzählen und hoffe zukünftigen Gebärenden hiermit Mut machen zu können, auch mal die Entscheidungen der Klinik anzuzweifeln und eine zweite Meinung einzuholen.
…schreibt eine Mutter und hier ist ihr Geburtsbericht:
Berichten möchte ich hier von der Geburt meines zweitens Sohnes. Der Erste war ein Kaiserschnitt wegen Beckenendlage und hohem Geburtsgewicht. Hier wurde ich recht schnell vor vollendete Tatsachen gestellt: „Heute ist ET, wir machen JETZT den Kaiserschnitt, der OP ist gerade frei.“ Ich habe mich gefügt weil ich dachte, die Ärzte wissen schon, was das Beste sei.
Ich habe bei meinem zweiten Baby dann eine VBAC (vaginale Geburt nach Kaiserschnitt) angestrebt.
Dazu eine Hebamme gefunden, die diesen Wunsch unterstützte und auch ein Krankenhaus, dass diesem Wunsch offen gegenüber war.
So ging ich mit einem sehr positiven Gefühl Richtung Geburt.
Der Kleine drehte sich auch richtig, Kopf steckte im Becken – es war alles toll.
Am ET gab es dann eine Routineuntersuchung und die Frauenärztin meinte, ich würde Fruchtwasser verlieren, ich solle in die Klinik. Abends um 17 Uhr hatte ich dann den Termin im Krankenhaus. Tatsächlich – ein bisschen Fruchtwasser konnte nachgewiesen werden.
Dann hieß es „Wir dürfen Sie jetzt leider nicht nach Hause gehen lassen“…
Das war der erste Schlag. Ich konnte mich nicht einmal von meinem 2-Jährigen verabschieden.
Der nächste folgte dann recht schnell als es hieß, dass mein Muttermund noch fest verschlossen sei. „Da sieht nichts nach Geburt aus, Einleitung nach Kaiserschnitt geht nicht. Termin zum Kaiserschnitt morgen um 9 Uhr.“
Ich konnte nichts mehr, war nur noch am Heulen. Es erfolgte die Aufklärung und das ganze Bla Bla, was ich schon vom ersten Mal kannte. Ich war am ganzen Körper am Zittern.
Ich sollte dann im Wartezimmer Platz nehmen und auf ein Zimmer warten. Meine Hebamme verabschiedete sich und fuhr heim (wir sehen uns morgen beim Kaiserschnitt) und auch meinen Mann schickte ich heim, damit er unseren „Großen“ ins Bett bringen konnte.
Ich saß also im Wartezimmer, fühlte mich absolut alleine und verlassen. Das Gefühl wurde immer schlimmer, je später es wurde.
In der Zeit schrieb ich in Internetforen und las Geburtsberichte. Mir wurde geraden, eine zweite Meinung einzuholen. Es war mittlerweile 0 Uhr. Ich fragte, wann ich ein Zimmer bekommen würde – gerade seien alle beschäftigt, keine Zeit. Also rief ich einige Kliniken an.
Eine sagte mir, ich sollte mir meine Unterlagen geben lassen und vorbei kommen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Die Schwester sagte, das ginge nicht, ich sei bereits „eingecheckt“. Ich sagte, ich hätte bislang nicht einmal ein Zimmer und sie soll mir wenigstens meinen Mutterpass geben. Sie wollte nicht, ich drohte mit einem Anwalt. Dann gab sie ihn mir widerwillig und sagte, würde ich jetzt das Krankenhaus verlassen, würden sie mich anzeigen und mir die OP-Zeit privat in Rechnung stellen.
Mir war mittlerweile alles egal. Es war 2 Uhr nachts, ich war müde und fertig. Mein Mann holte mich ab und wir fuhren zu dem anderen Krankenhaus, wo ich um 4 Uhr ankam.
Dort war es komischerweise überhaupt kein Problem, noch zu warten. Ich wurde engmaschig überwacht, bekam Antibiotikum. Dem Baby ging es wunderbar. Sie sagten auch, dass die Fruchtwassermenge hoch sei, es könnte sich nur um ein winziges Loch recht weit oben in der Fruchtblase handeln.
2 Tage nach diesem Drama platzte dann die Fruchtblase richtig.
Wehen waren da noch sehr, sehr selten.
Komischerweise war es hier genau das, was man so oft mit bekommt: abends wurde mein Mann nach Hause geschickt – es würde noch dauern.
Als er gerade daheim angekommen war, rief ich ihn an: Wehen alle 5 Minuten, er solle zurückkommen. Er kam gerade noch rechtzeitig zu den Presswehen.
Die Geburt selbst war toll. Anstrengend, aber völlig ohne Probleme – obwohl mein zweiter Sohn nicht leichter war als mein erster.
Heute wünschte ich, ich hätte mir auch bei meinem ersten Sohn eine zweite Meinung eingeholt. Ich bin so unendlich froh, dass ich mich getraut habe, noch mitten in der Nacht, das Krankenhaus zu wechseln, quasi zu „fliehen“.
Ich bin heute noch den Frauen aus dem Forum dankbar, die mir Mut gemacht haben, diesen Schritt zu gehen.
Von dem anderen Krankenhaus gab es im Übrigen nie eine Rechnung oder etwas anderes in der Art.
Liebe Grüße,
eine anonyme Mama
P.S. von Béa: Es gab bei einigen der Geburtsberichte hier den Vorwurf, dass wir Panikmache betreiben. Das liegt uns fern. Unsere Absicht ist, (werdenden) Eltern Erfahrungen zugänglich zu machen, die sie informierter, wissender und handlungsfähiger machen sollen. In einem extremen Stressmoment kann die Erinnerung an einem solchen Bericht helfen, sich die eigenen Optionen vor Augen zu führen und eben nicht in Panik zu verfallen.
- 31. Mar 2022
- 2 Kommentare
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- Entbindung, Fruchtwasser, Geburtsbericht, Hebamme, Kaiserschnitt, Krankenhaus, Kreissaal
Annika Schmidt
1. April 2022Wie toll zu lesen, dass du den Mut hattest, dass Krankenhaus zu wechseln. Ich hatte bei der ersten Geburt auch so ein komisches Gefühl mit der einzigen anwesenden Hebammen, hab mich aber nicht getraut, einfach meine Sachen zu packen und zu gehen. Das war der größte Fehler, ihre miserable Betreuung unter der Geburt endete in einer sekundären Sectio. 😢 beim
Zweiten Kind war alles besser und ich konnte ebenfalls eine wundere VBAC erleben, auch weil ich sehr informiert und selbstbestimmt in die Geburt gegangen bin.
Tine B.
10. Juni 2022Ich habe mir im Nachhinein gewünscht, der Kaiserschnitt wäre durchgeführt worden. Ich wusste, dass die Hebammen in der anthroposophischen Geburtsklinik davon überzeugt waren, dass ich auch das letzte Kind spontan gebäre. Leider hat mich diese wahnsinnig "tolle" und gehypte Erfahrung die Stabilität meines Beckenbodens gekostet. Der Kleine war mit 4,3 Kg einfach ein Brocken. Darum musste nicht nur meine Gebärmutter wegen der Endometriose entfernt, sondern auch der Beckenboden mittels Netzeinlage gerettet werden. Die Folgen daraus sind für mich, dass ich nicht als selbstständige Tagespflegeperson arbeiten kann, da ich dauerhaft nicht mehr als 15 kg heben darf und dass der Krippenbereich nun für mich als Arbeitsbereich entfällt.