Wie ich trotz aller Widrigkeiten eine natürliche Geburt bekam – Geburtsbericht, Gastbeitrag von Tanja


Für jede Schwangere, aber auch für Menschen, die Schwangeren beistehen, sind Geburtsberichte von großem Interesse – um selbst anhand von konkreten Erfahrungen den eigenen Spielraum auszuloten, und überhaupt die Möglichkeiten zu kennen.

In diesem Bericht geht es zunächst um eine Hausgeburt. Doch letzten Endes geht es um das Thema natürliche Geburt vs. Kaiserschnitt.

Ab hier erzählt unsere Gastschreiberin Tanja:

Mein Sohn ist ein absolutes Wunschkind. Wir hätten nicht gedacht, dass ich so schnell schwanger werden würde. Es klappte sofort.

Der Vater war dann doch überfordert damit, vor allem, weil es zu schnell ging. Das spielte eine nicht so große Rolle für mich. Ich kümmerte mich sehr früh um eine Hebamme für eine Hausgeburt. Dem Vater war das vollkommen ungeheuer. Er wollte das definitiv nicht, denn er hatte zu viel Angst um unser Kind und dass irgendwas schiefgehen könnte. Ich hatte mir das aber in den Kopf gesetzt und wollte das. Unbedingt.

Denn ich war einfach schon zu oft im Krankenhaus und hatte eher da Angst um mein Kind, wegen Keimen.

Versteht mich nicht falsch, ich hatte so etwas noch nicht und kenne niemanden, der so etwas hatte, aber ich hatte einfach zu viel gehört. Für die geplante Hausgeburt hatte ich schon alles besorgt und auch bereits von meinen Hebammen ein Paket bekommen, mit allen möglichen Mittelchen.

Doch dann, im 6. oder 7. Monat lag unser Sohn mit dem Kopf oben und wollte sich nicht drehen.

Ich wurde zur äußeren Wendung in ein Krankenhaus geschickt.

Ich bekam ein Mittel, das Wehen verhindern sollte, und ich fühlte mich dadurch wie auf Drogen. Das war nicht schön. Mein Bruder und seine damalige Freundin waren dabei. Es kamen eine Ärztin und ich glaube, zwei Pflegekräfte ins Zimmer.

Sie erklärte, was sie machen wird: Wir hatten drei Versuche. Die Ärztin legte ihre Hände so auf meinen Bauch, dass sie meinen Sohn „greifen“ konnte und versuchte ihn zu drehen. Er wehrte sich mit seiner ganzen Kraft. Alle drei Versuche schlugen fehl und ich war deprimiert.

Meine geplante Hausgeburt konnte so nicht stattfinden. 😔

Er drehte sich auch bis zur Geburt nicht mehr. Wenn frau eine Hausgeburt plant, sollte frau sich trotzdem in einer Klinik anmelden. Ich hatte die nächstgelegene zunächst gewählt. Dann wollte ich aber lieber in der Klinik entbinden, wo die äußere Wendung stattgefunden hat.

Leider ist es in großen Kliniken so, dass sie Leitlinien haben.

Je näher der ET rückte, wollten sie mich einleiten, weil er zu groß und zu schwer für eine natürliche Geburt in Beckenendlage (BEL) werden würde. Gewichtsgrenze sind dort 3800 g bei einer BEL. Ich selbst bin aber groß und sah mich eindeutig in der Lage, eine natürliche Geburt durchzustehen, auch wenn es mein erstes Kind ist.

Eine Woche vor ET war ich wieder in der Klinik. Mein Sohn war jetzt zu groß für eine natürliche Geburt in dieser Position. Dann kam nur noch ein Kaiserschnitt infrage.

Ich sagte nein und verließ die Klinik. Dann setzte ich mich in den Park gegenüber der Klinik und heulte erst mal eine Runde.

Ich rief meine Mutter an und dann meine Hebamme. Die Zweite war es, die es schaffte, mich zu beruhigen. Sie machte mir den Vorschlag, einem Arzt in einer anderen Klinik eine Mail zu schicken und meine Situation zu schildern. Wir verblieben so, dass wir beide eine Mail an ihn schrieben. Das war an einem Freitag.

An einem Montag bekam ich einen Anruf von diesem Arzt: Er bat mich, mich im Kreißsaal anzumelden, noch am selben Tag. Ich fuhr los und holte die dritte Überweisung zur Geburt für eine Klinik bei meinem Gynäkologen raus. Und fuhr weiter in die Klinik. Der Arzt war voller Verständnis und versprach mir, dass ich auch über den ET hinaus eine natürliche Geburt bekäme.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag schlief nicht nur ich schlecht, sondern auch meine Mutter, die bei der Geburt dabei sein sollte. Ich trank an dem Nachmittag einen Kaffee (ich trinke eigentlich keinen), aber diesmal hatte ich das Gefühl, ich würde einen brauchen… Ich besuchte noch kurz eine Freundin abends, die in der Nähe wohnte. Der Vater meines Kindes holte mich von dort ab und wir fuhren nach Hause.

Das Essen bekam ich nicht mehr wirklich runter.
Ich fühlte mich aufgeputscht und spürte, dass es bald losging.
Ich war so müde, aber an Schlaf war nicht mehr zu denken.
Meine Tasche war soweit gepackt.
Wehen waren auch schon da.

Um kurz vor Mitternacht platzte die Fruchtblase!

Ich rief meine Mutter an, die mit dem Fahrrad zu mir fuhr. Als sie bei mir war, rief ich die 19222 für einen Rettungswagen. Leider schickten die mir einen Rettungswagen von der Feuerwehr – die sind dazu verpflichtet, einen ins nächstgelegene Krankenhaus zu fahren.

Wir wurden also ins nächste Krankenhaus gefahren.

Die Ärztin untersuchte mich und merkte schnell wie wichtig mir eine natürliche Geburt war. Sie sprach mit ihrer Oberärztin. Die wollte einen Kaiserschnitt machen. Ich weigerte mich. Der Ärztin war das schon klar und fragte, ob ich in meine Wunschklinikverlegt werden will. Natürlich wollte ich!

Meine Mutter hat da auch sehr viel geredet. Die Ärztin rief einen Krankentransport, das dauerte aber. Sie rief auch in meiner Wunschklinik an, um mich zur Geburt anzumelden. Die Wehen wurden immer kürzer. Sie hatte vorher dort gearbeitet und kannte die Belegschaft dort. Ich glaube, gegen halb fünf kam der Rettungswagen. Auf dem Weg in die Klinik diskutierte ich unter Wehen noch mit dem Sanitäter, warum ich keinen Kaiserschnitt wollte. Er meinte, das machen die Promis doch auch.🤦🏻‍♀️

In der Klinik angekommen wurde ich an den Wehenschreiber angeschlossen und bald darauf ging es in den Kreißsaal.

Der Schichtwechsel kam und die Geburt ging los. Die Herztöne meines Sohnes wurden während der Geburt überwacht. Um mich waren eine Krankenschwester, eine Hebamme, eine Auszubildende, ein Arzt, eine Assistenzärztin und eine Kinderkrankenschwester, glaube ich plus meine Mutter.

Um kurz nach halb zehn am Freitagmorgen war mein Sohn da!

Meine Mutter ging als der Vater meines Sohnes da war.

Hört auf eure Intuition, sie sagt euch, was richtig für euch und euer Kind ist!
Hört auf euer Bauchgefühl.

Wie viel Widerstand ich in den Kliniken bekommen habe und wie viel ich diskutieren musste, ist echt irre. Es wird einem echt ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn man nicht nach deren Nase tanzt. Eine Vielzahl der Kaiserschnitte in Deutschland sind nicht notwendig. Die Kliniken verdienen damit aber mehr als mit einer natürlichen Geburt.

Mein Gynäkologe war auch kein Befürworter für die Hausgeburt. Ich würde gerne noch ergänzen, dass ich mich sowohl bei der Ärztin, die mich weiter geschickt hat als auch bei dem Team, das meinen Sohn entbunden hat, mit einer Karte und einer Aufmerksamkeit bedankt habe. Alle haben sich sehr gefreut. Der ersten Klinik habe ich eine Mail geschickt, wie die Geburt verlaufen ist. Es wurde auch geantwortet, dass die das freut, sie sich aber an ihre Leitlinien halten müssen.

___

Vielen Dank, liebe Tanja, für deine Geschichte und deine Kraft!

Liebe Grüße,

Béa

P.S. Ihr wollt auch erzählen, wie es euch bei der Geburt gegangen ist? Meldet euch bei mir!

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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