Angst vor dem Arzt beim Kind am besten gar nicht entstehen lassen
Neulich bekam ich mit, wie eine Mutter in einem Park ihrer ungefähr 10-jährigen Tochter zurief, als diese ziemlich weit oben auf einem Baum geklettert war:
„Komm wieder runter! Wenn du fällst und dir weh tust, musst du zum Arzt und der schneidet dich vielleicht auf und gibt dir ’ne Spritze!“
Au Mann, dachte ich… ich ging weg, um nicht etwas dazu zu sagen (ungefragt greife ich nie in die Erziehung anderer Menschen ein), und hörte noch aus der Weite ein weiteres Ermahnen, was das Wort „Krankenhaus“ enthielt.
Mit Arzt und Krankenhaus drohen ist meines Erachtens keine gute Idee!
Denn: Wenn das Kind dann ganz normal zum Arzt muss und ggf. auch eine Spritze benötigt, ist womöglich das Drohbild noch in den kleinen Gehirnwindungen vorhanden. Und das tut dem kleinen Menschen nicht gut – egal ob wir über Routinekontrollen reden, notwendige Eingriffe oder Impfungen & Co.
Auch eigene Ängste weiterzugeben, kann sie beeinflussen:
Die Tochter einer Freundin hatte zunächst nie Probleme mit dem Gang zum Kinderarzt, bis der Opa laut verkündete: „Ach, ich kann gar kein Blut sehen, mir wird ganz mau, wenn ich das sehe!“. Den Einwand meine Freundin „Gut, Papa, dass du ein Mann bist und keine Periode hast, dann wäre es dir mau einige Tage im Monat!“ bekam das Kind nicht so richtig mit. Und als es um Blutabnahmen ging, war die Kleine auch sicher, sie könne kein Blut sehen und hatte prompt Angst vor der Prozedur…
Die Kinder schauen sich bei uns solche Einstellungen und Verhaltensweisen ab.
Und auch Ängste. Und Ekel.
Die Angst vor ÄrztInenn, Spritzen, Krankenhäuser lässt sich übertragen. Oder leichtsinnig wecken, z.B. durch solche Drohungen wie eingangs erzählt. Ganz im Gegenteil, wenn der Gang zu ÄrtzInnen und medizinische Behandlungen ganz normal in der Familie sind, dann gehen die Kleinen auch ganz ungezwungen damit um.
Also, wie könnt ihr eure Kinder gegenüber Medizin und ihren Wissensträger am positivsten prägen?
Ich habe in meiner Twitter- und Bloggerbubble gesammelt…
Anfangen möchte ich mit einem Zitat von Inke Hummel – viel Vorbereitung, aber auch eigenes Auftreten sind relevant:
Die weißen Kittel, vielleicht noch ein Mundschutz, ein Untersuchungsstuhl, der Geruch – in einer Arztpraxis ist vieles, das selbst mutigen Kindern und auch Erwachsenen ein mulmiges Gefühl bereiten kann. Wenn der Termin schon lange bekannt ist, kannst du ihn in Ruhe vorbereiten: spielen und dabei die Rollen wechseln, darüber sprechen, „sichere“ Kleidung auswählen sind erste Schritte. In der Untersuchungssituation Zuversicht ausstrahlen, viel körperliche Nähe anbieten und stark für dein Kind sprechen, sind weitere Helfer. Da besonders schüchterne Kinder oft von dieser Angst betroffen sind, gehe ich in meinem Ratgeber „Mein wunderbares schüchternes Kind: Mut machen, Selbstvertrauen stärken, liebevoll begleiten“ mehrfach auf das Thema ein und gebe Dir sowohl für das Kleinkind – als auch für das Grundschulalter Impulse für Untersuchungstermine und auch Krankenhausaufenthalte mit.
Der wichtigste Tipp für dich im Gespräch mit medizinischem Personal ist: Beschreib den anderen freundlich, was du an deinem Kind wahrnimmst und was es braucht, z.B. „Wenn wir zusammen zwei bis drei Minuten ins Kennenlernen investieren, wird das Untersuchen sicher gleich besser gehen.“
Und auch andere haben mir wertvolle Tipps mitgegeben:
Ich habe immer wohlwollend über Ärzte und Termine gesprochen, bevor es für meinen Sohn überhaupt Thema wurde (neben den Us). Mir war wichtig, ihn nicht im Voraus auf möglichen Horror vorzubereiten (selffulfilling prophecy), sondern da zu sein, wenn er vor Ort sich ängstigt.
— Atti (@Attipaletti) January 19, 2022
Als Praxis sowie Eltern: offen und geduldig mit den Kleinen umgehen UND nicht mit Duziduzi anfangen, sondern alles kindgerecht erklären.
Ja, die Spritze tut weh, aber guck mal wie cool die aussieht? Da kann man auch Kakao draus trinken 😎✌🏻 ( aus ’ner Neuen natööörlich)— 🔴Quirlimum.de (@quirlimum) January 19, 2022
Wir gehen vor dem Besuch immer genau durch, was gemacht wird:
Abhören, Ohren, Nase, Rachen kontrollieren…
Wir besprechen, welche Symptome uns zum Arzt führen und das Ziel ist, dass mein Sohn das Arztgespräch alleine führt. Ich helfe nur aus. Klappt bisher ganz gut.— ⭐️Willkommen BeiAnja⭐️ (@BeiAnja) January 18, 2022
Hier machen wir in der Vor- und Nachbereitung ganz viele Rollenspiele mit dem Arztkoffer. Zuletzt bei der Impfung: Kind impft Elter (Elter spielt Angst), K impft E (E spielt keine Angst), E impft K (K ist sie selber), E impft K (K ist eine Katze), und so weiter und so fort.
— Frau Wunnibar 😷 (@frau_wunnibar) January 18, 2022
Kann nur als Mutter eines Kleinkindes mit ehemals Angst vorm Arztbesuch antworten. Hier hat das Buch super geholfen: https://t.co/nzroI1ahaY
Alles vorher durchsprechen und erklären.
Und zugegeben auch ein Schokoriegel nach der Impfung 🤷🏼♀️— Panaa (@blauer_kuerbis) January 18, 2022
Noch mal extra die Buchempfehlung: „Ich bin schon groß: Hallo, Kinderarzt, da bin ich!: Beispielgeschichte für Kinder ab 2 Jahren mit Experten-Rat für Eltern“
und auch wenn ich mich über Conni-Bücher öfters lustig mache, dieses finde ich auch sehr gut gemacht: „Guck mal: Conni beim Kinderarzt“
>dann wird zusammen überlegt: Pause? NeuerTermin? Durchziehen, weil grad sehr essentiell?
Denn unsere Beziehung soll an sowas nicht leiden!— Meise mit Herz! 💜 (@MeisemitHerz) January 18, 2022
Noch einen Tipp gegen Angst vor dem (Kinder)Arzt:
Schaut mal in der Familie oder Freundeskreis, ob ihr nicht Menschen habt, die Medizin praktizieren und mit Patienten zu tun haben.
Vielleicht mögen sie von ihrem Alltag mal erzählen? Einiges ist auch Gewöhnungssache, selbst für Große. Meine Nichte ist Not-OP-Krankenschwester und hat zwei Jahre bei uns gewohnt. Mein Mann ist eher zartbesaitet und am Anfang konnte er es gar nicht haben, wenn sie beim Essen von Patientenzuständen oder Eingriffen erzählt hat… Da wurde es ihm komisch. Inzwischen beißt er unverfroren in die Pizza oder rollt sich cool die Nudeln in Tomatensoße, während sie von spezifischen Wunden und OP-Schnitten erzählt.
Zu hart für Kinder? Ich bin genau so abgehärtet worden:
Mein Sandkastenfreund war der Sohn von Chirurgen, und ich war oft bei ihnen zu Hause zu Gast. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht, ich war noch klein und auch da schon sehr neugierig… Was seine Eltern fand ich spannend. Und er und ich haben Jahre später in einem Ferienlager herausgefunden, dass wenn wir uns genau darüber unterhielten, mehr Essen für uns übrig blieb, weil den anderen Kindern der Appetit verging. Allerdings nur am Anfang, am Ende waren alle genauso abgebrüht wie wir!
Will sagen: Kinder sind neugierige Wesen und müssen keine Ängste vor Dingen entwickeln, die eigentlich spannend und wichtig sind. Medizinisches inklusive!
Und jetzt ihr: Habt ihr noch Fragen, Anmerkungen, Ideen zum Thema Angst vor dem Arzt beim Kind nicht entstehen lassen?
Liebe Grüße,
Béa
- 19. Jan 2022
- 1 Kommentar
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- Blutabnehmen, Kinderarzt, Krankenhaus, Krankheiten, OP
Tine
20. Januar 2022Den Tipp mit dem "selbstsicher, informiert und als gutes Beispiel vorangehen" kann ich nur unterstreichen! Das ist die halbe Miete!
Wenn ich mit einer persönlichen Haltung á lá " Das ist jetzt so, daran wird sich 100% nichts ändern. Alles ist völlig normal." zusammen mit meinem Kind zum Arzt gehe, dann sieht es meine Sicherheit und wird selber auch sicherer.
Bei uns hat es auch sehr geholfen, das die Kinder - falls möglich - frei entscheiden dürfen, ob sie zu einem Arzt oder zu einer Ärztin gehen wollen. Sicher, das funktioniert nur in einer Großstadt und sicher nicht bei jeder Profession - kann aber unheimlich Ängste abbauen!