Nina – oder Frau Papa, oder Transfrau: Die Frau, die immer Frau war, nur mal im Körper eines Mannes
Ganz lange twitterten Nina und ich erst mal hin und her… ich fand sie lustig und aufgeschlossen, mir war klar, dass sie lesbisch ist und mehr dazu hatte ich nicht gerafft. Wenn man in Berlin lebt wie ich ist das halt Normalität. Eine Familie wie jede andere… Erst durch ein Interview beim Frühen Vogerl von wurde mir klar, was Nina für ein besonderes und tapferes Lebensweg zusammen mit ihrer Frau Jane geht. Denn Nina wurde in einem männlichen Körper geboren. Ich habe sie nun auch für euch interviewt – und versucht, einige neue Aspekte für uns alle Frauen herauszufinden.
Ich sage schon mal vorab: Sehr, sehr versöhnliche Aspekte mit dem Frausein sind hier für uns alle herausgekommen! Übrigens, gleich vorweg, Nina bloggt auch als Frau Papa und hat spannende An- und Einsichten für uns alle.
Und nun geht es los:
Liebe Nina…
…kannst du dich erinnern, als du ein Kind warst – wie kam das Gefühl auf, dass du dich eher als Mädchen fühltest als als Junge?
Ich verstand Jungs nie wirklich. Die Spiele, die Kleidung, die Art miteinander zu sprechen, das alles war mir fremd. Bereits im Kindergarten, war ich lieber in der Puppenecke und im Sandkasten, als auf Klettergerüst und bei den Spielzeugautos. Also hinterfragte ich, warum ich ein Junge war. Die Antworten beschränkten sich auf „Du hast einen Schniedel, du bist ein Bub.“
Das Gefühl blieb, aber ich habe es in meiner Kindheit und Jugend nie wirklich geschafft, meinem Umfeld klar zu sagen: „Ich bin kein Junge!“ – dafür fehlte mir einfach der Mut.
Und was war die bestärkendste Reaktion? Hat es Menschen gegeben, die dir gut getan haben? Wie?
Das Umfeld, in dem ich aufwuchs, war katholisch geprägt. Alles sehr liebe und herzliche Menschen, also in Familie und meine Freunde, aber ich hatte kaum Menschen, denen ich genug vertraute. Wenn ich mich im Fasching als Pipi Langstrumpf verkleiden wollte, wurde mir klar gemacht, dass ich das schon machen kann, aber dann halt verspottet würde. Mit etwa 16 habe ich bei einer sehr guten Freundin mal angesprochen, dass ich viel lieber eine Frau sein würde. Die Reaktion war so, dass ich beschloss dieses Thema nie wieder anzusprechen. Nein, bis ins Erwachsenenalter hatte ich niemanden, der mich bestärkte.
Wie hast du Jane kennengelernt?
(ich schmunzle) Ich hatte einen Blog. Jane hatte einen Blog. In Wirklichkeit fing es mit Kommentaren zum Alltag des jeweils anderen an. Und ganz ehrlich, hätte ich nie gedacht, dass ich diese wundervolle Frau je auch nur kennenlernen würde.
Wie hat sie dich begleitet auf dem Weg zu deinem heutigen Du als Nina?
Sehr einfühlsam, wirklich. Ich sollte vielleicht sagen, wie mein Coming Out ablief. Ein paar Monate vor der Geburt unseres zweiten gemeinsamen Sohnes, war der Punkt gekommen, an dem ich nicht mehr schweigen konnte. Nein, ich stand nicht in Minirock, Highheels und Perücke geschminkt vor ihr. Wir hatten ein Gespräch und ich sagte ihr, dass ich mich in meiner männlichen Rolle nicht wohl fühlte. Es war ein langes, ruhiges, sehr konstruktives Gespräch. Es wurde uns klar, dass wir beide keine Ahnung hatten, wohin uns das führen könnte. Aber wir trafen eine grundsätzliche Entscheidung: Ich versprach keinen Schritt meines Weges zu gehen, ohne mir ihr und wenn nötig mit den Kinder zu sprechen. Alles was sie also forderte war Geduld und einen Dialog.
Wie habt ihr es den Kindern gesagt? Wie gehen sie nun damit um?
Ich hörte von einen Tag zum anderen auf Norbert zu sein. Die ersten sichtbaren Zeichen waren Schuhe und Nagellack. Irgendwann stellte das erste Kind Fragen. Ich glaube, es war beim Abendessen. Wir haben einen Grundsatz: Wir beantworten alle Fragen ehrlich und direkt. Die Kinder erfuhren, dass ich Nagellack mag, dass ich Damenschuhe schöner finde als die Männermodelle. Es war am Muttertag vor drei Jahren, dass unser mittlerer Sohn mich fragte, ob ich Mann oder Frau sein. Ich antwortete: „Mein Körper ist ein Mann, aber im Kopf bin ich Frau. Du kannst dir aussuchen, wir du mich betrachtest.“ Als er mir dann alles Gute zum Muttertag wünschte, hatte ich Tränen in den Augen.
Wie die Kinder nun damit umgehen möchte ich so beantworten: Alle vier bringen auch ohne Voranmeldung Freunde nach Hause. Sie haben also keine Scheu jemanden mitzubringen.
Übrigens, hier habe ich ein Familienbild bekommen von Ninas Kindern – doch eine ganz normale Familie aus Kindersicht, oder? Wer ist wer? Ich sehe nur: Happy people…
Was für Tipps hast du für Eltern, die ein Kind haben, das sich mit seinem Geschlecht nicht wohl fühlt? Wie geht man damit behutsam um?
Geduld, Offenheit, Ehrlichkeit. Es gibt inzwischen sehr gute Beratung im Internet. Aber das Hauptproblem ist für die meisten Betroffenen, dass sie sich viele Gedanken machen, wie das Umfeld reagieren wird. „Was werden die Nachbarn sagen?“ – Gemessen am Glück des eigenen Kindes sollte es egal sein, was Nachbarn denken. Nur ein einziges Beispiel: Manche Jungs mögen Kleider. Das bedeutet nicht automatisch, dass es Transsexualität ist. Aber den Wunsch des Kindes zu unterdrücken, führt zu einer tiefen Belastung. Und weswegen? Wegen einem Kleidungsstück? Es gibt weltweit heterosexuelle, nicht trans* Väter, die ihre möglicherweise transsexuellen Kinder unterstützen und auch mal Röcke tragen. Kein Nachbar ist so wertvoll, wie das eigene Kind.
Erfüllst du als Frau auch schön die Stereotypen (zu denen ich mich ja auch bekenne 😉 : Nix zum Anziehen, Schuhsüchtig, etc.? Macht das Spaß?
Hätte ich das Geld dazu, wäre mein Schuhschrank begehbar. Ja, einige der Stereotypen waren genau das, was ich mein Leben lang vermisste. Dazu zählt vor allen die modische Freiheit. Ich liebe Absatzschuhe und finde sie unbeschreiblich bequem. Ich habe kaum Kleider und trage meist Jeans (oft mit Minirock kombiniert), aber ich liebe es, die Auswahl zu haben an Farben, Schnitten, Stoffen. Es macht sehr großen Spaß. Allerdings muss ich auch sagen, dass einige der Stereotype helfen, im Alltag nicht sofort als „Mann“ enttarnt zu werden. Je besser ich als Frau erkannt werde, desto weniger Ablehnung erlebe ich.
Auszug aus deinem Blog: “Schauen Sie ruhig, davon geht es nicht weg”, höre ich mich sagen. Nicht nur ich höre das, der halbe Bus ändert schlagartig die Blickrichtung. Erstaunlich, dass die Menschen sich betroffen abwenden, die mir gar nicht auffielen. Nur eine Person starrt erschrocken. “Es nennt sich Transsexualität. Einfach gesagt bin ich eine Frau in einem männlichen Körper. Das geht vom hinschauen nicht weg”, ich warte kurz ab, “Ich werde davon auch nicht schöner. Ich habe es selbst versucht, aber leider passiert gar nichts.”
Hast du inzwischen auch andere Strategien probiert?
Ja, ich reagiere sehr spontan und je nach Situation unterschiedlich. Wenn ich an einer Gruppe von Menschen vorbei gehe und „Schau, ne Transe“ höre, drehe ich mich auch schon mal um und frage, ob sich jemand in der Gruppe sein Geschlecht aussuchen konnte. Aber es kann durchaus sein, dass ich einfach mal wirklich in ein paar Sätzen aufkläre. Es kommt sehr darauf an, wer mir wie begegnet. Generell versuche ich mit meinen Antworten einen Denkanstoß zu geben.
Auch in deinem Blog gefunden: Du hast dich über Cellulite gefreut. Wirklich??? Was kannst du jetzt noch sagen, um mich mit meinem Schicksal als Frau zu versöhnen?
Ja, ich freue mich über meine Cellulite. Ich kann verstehen, dass das schwer zu verstehen ist. Mein Körper weist von oben bis unten Merkmale auf, die vom Testosteron geprägt sind. Selbst meine Hände haben eine Form, die als männlich gelesen wird. Meine Cellulite ist etwas ganz und gar frauliches.
Als ich meine Reise zum Frausein begann, war ich fast vierzig Jahre alt. Ich hatte nie das Bedürfnis nochmal 20 zu werden, ich wollte einfach Frau werden. Mein Alter und die Spuren meines Lebens würde ich nie verstecken wollen. Ich habe Falten, mein Knochenbau ist männlich, meine Stimme ist tief – so what? Ich bin eine Frau. Bisher habe ich nie eine Frau kennen gelernt, die mit ihrem Körper gänzlich zufrieden war. Ich habe selten Männer kennengelernt, die mit dem Körper ihrer Freundin/Frau unzufrieden waren.
Oft legen Frauen die Latte für ihre Schönheits-Wahrnehmung einfach zu hoch. Dazu noch die Mode auch mit 50 noch auszusehen, wie ein Teenager.
Ich habe kein Rezept, die eigene Orangenhaut zu lieben. Ich weiß nur, dass meine körperlichen Unschönheiten meine Kinder noch nie davon abgehalten haben, sich an mich zu lehnen, wenn sie Trost suchten.
Welche sind deine Eigenschaften, die dich unabhängig vom Geschlecht ausmachen?
Erstaunlicherweise fällte es mir schwer da eine passende Antwort zu finden. Ich glaube, dass die Eigenschaften, Talente, Fähigkeiten eines Menschen immer unabhängig vom Geschlecht sind. Bei mir hat eigentlich nur eine Eigenschaft mit meinem Geschlecht zu tun: mein Wohlbefinden. Ich war immer kreativ, neugierig, hungrig, aktiv, emotional. Seit ich Frau sein darf und kann, finde ich in mir viel mehr Ruhe.
Was habe ich nicht gefragt, was du aber gern gefragt werden möchtest?
Ich habe keine Frage, die ich beantworten will, aber es gibt einen Tipp, den ich Menschen im Umgang mit trans Menschen geben möchte. Mir passiert es oft, dass ich trotz meiner eindeutig weiblich geprägten Garderobe als „Herr Jaros“ angesprochen werde. Und diese Erfahrung machen sehr viele Transgender im Alltag.
Wenn man sieht, dass jemand sich anders kleidet, verhält und schminkt, als es das gewöhnlich dem Geschlecht entspräche, dann ist es im Zweifelsfall nie verkehrt, zu fragen, wie die Person angesprochen werden möchte. Ja, ich weiß Kleidung und Geschlecht sind oftmals Rollenklischees. Aber gerade junge Transgender reagieren sehr emotional auf misgendering (Anrede mit dem falschen Pronomen) und fragen kostet ja bekanntlich nichts.
Vielen herzlichen Dank, liebe Nina, für dieses Interview! Und auch herzlichen Dank an Jane, die irgendwie auch hier mit dabei ist… und letzten Endes komme ich doch zurück zu meinem Eingangsgefühl: Eine Familie wie jede andere – mit besonderen Menschen und einem besonderen Lebensweg. Ich würde euch alle zusammen gern mal in Berlin begrüßen!
- 29. Feb 2016
- 21 Kommentare
- 17
- Familie, Familienmodelle, Rolle, Transfrau
petra
29. Februar 2016Wow, was für eine wunderbare positive Geschichte von einer mutigen Frau. Dankeschön
Beatrice
18. April 2016So lustig und erfrischend zu lesen bei so einem kraftvollen Thema ?
Johanna Arnold
4. Juli 2016Bewunderswerte Person, die Nina. Ich kenne ihren Blog. Das, was vielfach Transgendern an Vorurteilen entgegengebracht wird, kommt schon Körperverletzung gleich. Umso mehr ist der Mut zu bewundern, sich dem zu widersetzen, wie Nina das beispielsweise im Bus gemacht hat. Leider herrscht ein großes Informationsdefizit über das Thema Transidentität, was dann eben solche Reaktionen in weiten Kreisen der Bevölkerung hervorruft. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.
Stefanie
23. Mai 2017Ich werde nie verstehen warum es den Menschen so schwer fällt andere als das zu sehen was sie sind.
Menschen.
Es ist piepegal wer was anzieht. Es ist piepegal wer seine Haare wie geschnitten und in welcher Farbe trägt. Es ist piepegal wie groß, klein, dick, dünn, hell- oder dunkelhäutig jemand ist. Sogar lila wäre mir persönlich egal.
Die Dinge auf die es ankommt kann sowieso niemand sehen: Herz, Verstand und die Summe aller unserer Bestandteile abseits des Körperlichen.
Liebe Nina,
weiter so! Sei du, sei einzigartig, sei Mensch! <3