Nach der Scheidung – Immer noch eine Familie, nur ohne Verpflichtungen


Nicht jede Ehe ist für die Ewigkeit, aber das muss nicht bedeuten, dass man nicht trotz allem eine Familie bleibt. Ich habe kürzlich festgestellt, dass meine Eltern selbst 20 Jahre nach der Scheidung immer noch eine funktionierende Familie sind, nur ohne Verpflichtungen.

Sonntagmorgen. Meine Mutter veranstaltet einen Brunch. Eingeladen sind meine Schwester, ich, unsere Partner – und natürlich mein Vater. Er holt die Brötchen, anschließend versammeln wir uns im Wohnzimmer meiner Mutter und frühstücken zusammen. Ich habe diese Art der Zusammentreffen nie weiter hinterfragt, schließlich war es schon seit Jahren so. Doch das Gespräch mit einer Bekannten, der ich vom Brunch erzählte, ließ mich einen Moment lang innehalten, und die Situation selbst reflektieren.

Das Gespräch lief ungefähr so ab:

„Deine Mutter und dein Vater Brunchen zusammen?

„Ja. Sie sind auch am Geburtstag des anderen da und auch an Weihnachten.“

„Echt? So gut verstehen die sich noch?“

„War natürlich nicht immer so, aber inzwischen ja!“

„Wie lange sind die denn schon getrennt?“

„Schon 20 Jahre?“

„Und sie kommen auch nicht wieder zusammen?“

„Ha! Definitiv nicht.“

Nope, meine Eltern kommen nie mehr zusammen, da sind wir uns alle einig. Die zwei könnten unterschiedlicher nicht sein, und das meine ich nicht auf die romantische Weise, sondern eher die: Du bringst mich zur Weißglut-Weise. Sie könnten auch niemals wieder zusammenleben, miteinander verreisen, auf Veranstaltungen gehen oder länger als ein paar Stunden miteinander verbringen. Dass sie getrennt sind, ist etwas sehr Gutes!

Aber sie sind füreinander da.

Wenn die Spülmaschine kaputt ist, kommt mein Vater vorbei, um sie zu reparieren. Wenn mein Vater krank ist, bringt meine Mutter etwas zu Stärkung vorbei. Wenn meine Mutter zum Flughafen muss, fährt mein Vater sie. Und wenn es ein großes Ereignis gibt, (das meist mit Essen zu tun hat), kommt mein Vater oft vorbei, weil meine Mutter weiß, dass er ihr Essen liebt, und sich immer freut, wenn viele am Tisch sitzen.

Und damit endet ihre Beziehung auch.

Ansonsten haben sie keinen Kontakt, manchmal schreiben sie wochenlang nicht miteinander, und erwarten auch sonst nichts vom anderen. Zwar haben sie versucht, eine Art Freundschaft aufzubauen, und sich außerhalb irgendwelcher Familien-Events zu treffen, aber dabei sind sie sich jedes Mal so sehr auf die Nerven gegangen, dass sie danach erst mal wochenlang Abstand voneinander brauchen.

Früher war es noch krasser;  in den ersten Jahren nach der Scheidung haben sie sich bloß an ihre familiäre Pflichten gehalten, ohne weiter in Kontakt zu sein. Die Erziehung der Kinder war ihre einzige Gemeinsamkeit. Das soziale Leben wurde strikt voneinander getrennt.

Familie ohne Verpflichtung

Während sie verheiratet waren, herrschte ein zu hoher Erwartungsdruck, den beide nicht füreinander erfüllen konnten. Jetzt sind sie geschieden und schulden sich nichts mehr. Alles, was sie  für den anderen tun, ist, weil sie es wollen, nicht müssen. Sie haben ihre Pflichten neu definiert, und das hat den großen Vorteil, dass sie das Beste von beiden Seiten kriegen.

Außerdem haben sie schon so viel zusammen durchgestanden, dass sie einander tief vertrauen. Sie kennen die schönsten und hässlichsten Seiten des anderen, kennen die Familienzweige, kennen die Hoffnungen, und Unsicherheiten. Beide haben nicht viele Menschen in ihrem Leben, vor denen sie so ehrlich sein können.

Was mich besonders rührt, ist, dass sogar mein Vater und der neue Partner meiner Mutter sich so gut verstehen, und sich an den Weihnachtsabenden immer Geschenke machen. Ich finde diese Art der Familienzusammenkunft total schön und wertvoll – ohne Eifersucht oder irgendein Alpha-Gehabe.

Ich glaube daran, dass der Friede zwischen meinen Eltern die seelische Entwicklung von mir und meiner Schwester gefördert hat. Denn auch, wenn sie getrennte Wege gehen, besteht das tiefe Band der Familie immer noch. Das war nicht immer so, aber ich bin froh, dass sie sich für die eigenen Kinder so zusammengerissen haben, und wieder einen Weg zueinandergefunden haben – wenn auch nicht als Liebespaar.

Nach der Scheidung = Schluss mit Familie

Natürlich verstehe ich auch, wenn getrennte Paare sagen, dass sie nach der Ehe nichts mehr miteinander zu tun haben wollen, und es gar komisch fänden, sich so häufig zu sehen. Bei manchen ist es sogar recht vorstellbar, wenn danach ein endgültiger Schlussstrich gezogen wird. Ich finde ja, es ist immer besser, sich zu trennen, als in einer Beziehung zu bleiben, die einem nicht guttut.

Aber wer sich im Herzen gern hat, nur eben einfach nicht zusammenpasst, der kann trotzdem eine Familie bleiben. Zumindest funktioniert das bei uns echt gut.

Keine Verpflichtungen, aber trotzdem eine Familie

Meine Familie ist nicht perfekt, tatsächlich ist sie sogar sehr chaotisch, und natürlich haben auch wir unsere Reibereien. Aber im Ernstfall sind wir alle füreinander da, und ich könnte für nichts dankbarer sein.

Wie sind eure Après-Scheidungskonzepte? Verstehen ihr und eure Expartner euch noch? Gibt es zwischen euch noch immer etwas, das man Familie nennen kann?

Hier findet ihr einen Beitrag darüber, warum ich sehr froh darüber bin, dass meine Eltern nicht mehr zusammen sind:

Ich bin dankbar für die Scheidung meiner Eltern

Liebe Grüße

Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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