#schülersindkeineschafe – meine Freundin hat Frau Merkel und der Bundesregierung geschrieben…


Heute hat meine Freundin und Business-Partnerin Wiebke Sokolowski einen offenen Brief an Frau Merkel und an die Bundesregierung geschrieben – den könnt ihr hier im Wortlaut lesen:

#schülersindkeineschafe

Liebe Frau Dr. Merkel, liebe Verantwortungsträger und Entscheidungstreffer,

wenn morgen debattiert und entschieden wird, wie es in der Corona-Krise weitergeht, werden Expertenmeinungen und Politikerempfehlungen zu Rate gezogen werden. Und viele fordern, man solle mit der schrittweisen Öffnung bei den Schulen beginnen. Obwohl wir die Themen Schutzausrüstung, Testmöglichkeiten, Warn-Apps und klarere Datenlage noch nicht im Griff haben – und vor allem weder ein wirksames Medikament noch einen Impfstoff.
Ich bin Mutter dreier Kinder (14, 13 und 11 Jahre alt) und Beraterin und möchte sie herzlich bitten, in Ihre Entscheidung Folgendes mit einzubeziehen:

Wir schützen Menschen unter 18 Jahren vor allem Möglichen (Drogen, Alkohol, Zigaretten …) und verwehren ihnen den Zugang zu allem Möglichen (Autofahren, Wählen, alleine leben), weil sie noch nicht „mündig“ sind. Und das ist auch gut so.
Aber hier erwägen nun zahlreiche Experten, die Schüler als erste wieder in ein unklares Infektionsgeschehen zu schicken. Obwohl das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus meiner Sicht das wichtigste Grundrecht überhaupt ist – auch und gerade für Kinder und Jugendliche. Und für deren Eltern, die oft genug über 50 und teils mit Vorerkrankungen belastet sind.
Was mich daran stört, ist die Unfreiwilligkeit – Stichwort Schulpflicht – und die Unmündigkeit – Kinder und Jugendliche und ihre Familien haben hier im Grunde keine Wahl – mit der das geschieht. Warum sollten Schulen den Anfang machen, und erst dann die Wirtschaft folgen?

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die vielzitierte „Herdenimmunität“ auf dem Rücken der „Jungtiere“ ausgetragen werden soll.

Und das finde ich nicht richtig! Herden sind im Allgemeinen dafür da, ihre Jungtiere zu schützen!

Wie mein 14jähriger Sohn mit Analogie auf das Schachspielen sagt: „Wir sind hier halt nur die Bauern. Die sind klein und flexibel und werden gerne mal geopfert. Obwohl die sich, wenn sie durchkommen, sogar zur Königin wandeln können.“ Das finde ich persönlich eine sehr wahre und traurige Aussage.
Es wäre schön, wenn Schüler hier nicht in eine riskante und unfreiwillige Vorreiterrolle gedrängt würden, sondern sich Wirtschaft und Schulen maximal gemeinsam (und gerne zuerst die Wirtschaft) Schritt für Schritt auf möglichst sicherer und gesicherter Basis öffnen würden. Und wenn wir „digitalisierte Schule“ mindestens ebenso kraftvoll vorantreiben würden wie schrittweise Lockerung.

Beste Grüße, Wiebke Sokolowski

_____

Jetzt ich, Béa: Klare Worte, die ich hier verbreite – und hoffe, dass auch mehr und größere Medien sie an die richtigen Stellen weitertragen…

Als Bildungsunternehmerin greife ich an dieser Stelle besonders den Aspekt der Unfreiwilligkeit auf.

Und wünsche ich mir bei der ganzen #SchulenAuf Diskussion weniger Gleichbehandlungsanspruch und mehr Raum für individuelle Lösungen: Schulische Optionen und Räume für die LehrerInnen und die Familien eröffnen, die das brauchen und die nicht zu den Risikogruppen gehören. Und das Homeschooling den anderen erlauben und erleichtern, die mit dem Lernen zu Hause gut klar kommen.

Es gibt meines Erachtens keine Lösung für alle, sondern mehrere Lösung für verschiedene Gruppen. Bedarfsgerechte Lösungen!

Dazu mehr Flexibilität bei Lernzielen, Benotung, Ansprüchen – hin zu Skills, Lernen aus der Situation selbst und an der Situation menschlich wachsen… Eigentlich haben wir eine ernsthafte Chance jetzt, durch die Krise unsere ganze Bildung besser zu machen!

Wiebke noch mal: Das sind gute und richtige Gedanken. Und ebenso, wie Du für Freiwilligkeit plädierst bin ich angesichts der Schulpflicht gegen die zwangsweise Rückkehr ins „Business as usual“.

Freiwilligkeit und Zwangsfreiheit klingen fast gleich, aber nur fast.

Hier sind noch zwei Aspekte zu bedenken: Neulich habe ich gelesen, dass der Mensch von Hause aus ein Faultier ist. Und ich glaube, da ist etwas dran. Damit Menschen sich in Bewegung setzen und ihre gewohnten Trampelpfade verlassen, brauchen sie manchmal das Verschwinden der Trampelpfade. Einen gewissen Druck, oder nennen wir es freundlicher eine gewisse Alternativlosigkeit. Du würdest sicher sagen, dass auch sehr attraktive Mohrrüben (oder was immer Faultiere so richtig gerne fressen) ausreichend sind. Ich befürchte und beobachte, dass die dringend notwendige weitere Digitalisierung der Schulen teilweise nur halbherzig vorangetrieben wird, solange man die Krise nicht als Chance für Neues und Anderes sondern als ungeliebte Übergangsphase begreifen kann, die sich mit Abwarten, Teetrinken, und dann Weiter-wie-immer überwinden lässt.

Damit wir gute digitale Angebote bekommen, müssen wir die auch gemeinsam suchen, erarbeiten und erlernen.

Ich bin nicht sicher, ob wir das tun werden, wenn die Hälfte der Schüler wieder freiwillig in der Schule sind und die andere Hälfte freiwillig im Homeoffice. Und – zweiter Aspekt – gemeinsames Umlernen setzt Gedankenfreiheit voraus. Und die braucht denkerische Toleranz und bewertungstechnischen Freiraum. Unsere erste gemeinsame Chefin nannte solche Denk-Freiräume “Wahrheit, nach der man tanzen kann.” Ich nenne es hier mal “Schule, nach der man tanzen kann”. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Deutschland dafür schon reif ist. Schön wäre es!

Béa:  Naja, wenn ich in diesem Bild bleibe: Manche tanzen gern und andere gar nicht. Manche brauchen einen Tanzkurs, andere flitzen auf die Tanzfläche und gehen freestyle ab.

Egal ob Schule auf, oder Schule zu, oder individuelle Lösungen dazwischen: Wir müssen rauskommen aus dem Hamsterrad von Stoff, Abgaben, Tests und Büffelei!

Raus aus der Panik “Oh mein Gott, wir verlieren jetzt wertvolle Zeit, den Kids fehlen jetzt einige Monate in ihrer Schullaufbahn!”.

Ich plädiere für eine Kultur von Freude am Lernen, am Erlernen von Neuem, am Chancen ergreifen. Gerade, weil #schülersindkeineschafe, sondern wertvolle Individuen, die alle eine nicht gleiche, sondern individuell bedarfsgerechte Chance auf gute Schule brauchen. Wann, wenn nicht jetzt umstellen?

Frage an euch, liebe LeserInnen: Was wünscht ihr euch? Und welche kreativen Lösungen jenseits von “one-fits-all” habt ihr? Lasst uns sammeln…

Liebe Grüße,

Wiebke und Béa

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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3 Kommentare

Ramona
Antworten 14. April 2020

Hallo Bea,
Ich wünsche mir flexible Möglichkeiten. Ich mache Home Office, (Bürojob eine Viertelstelle) habe zwei Kita Kinder und ein Schulkind in der ersten Klasse. Sie mag das Homeschooling nicht und dementsprechend schwierig war es auch. Meine Arbeit erledige ich vor allem abends und Meetings sind schwierig, weil sich 3 Kinder auf dem Bildschirm sehen wollten. Ich mache Minusstunden. Beschränke mich auf das Nötigste. Anders geht es nicht. Ich bin wirklich ziemlich am Ende mit den Kräften. Mir würde es sehr helfen, wenn meine Tochter zum Beispiel nur an zwei Tagen pro Woche zur Schule ginge. So hätte sie soziale Kontakte und ich könnte etwas entspannter sein und 2 mal morgens die Chance zu einem gelingenden Meeting erhöhen. Die Lehrer könnten vielleicht mit den Dingen arbeiten, die zu Hause erarbeitet werden sollen und die Schüler so mehr motivieren.
Außerdem bräuchte ich eine kreative Lösung für das Minusstundenproblem. Ich finde, dass es wichtig wäre, Eltern dort zu entlasten, wenn der Partner arbeiten geht (wie bei uns) oder die Mutter alleinerziehend ist. Ich finde es auch sehr anstrengend, den Haushalt noch einigermaßen zu erledigen. Denn ich habe ja nicht mehr das Mittagessen in der Kita, sondern muss öfter kochen.
Also, für alle Mamas im Home-Office, zumindest mit kleinen Kindern sollte es Hilfen geben, wenn Minusstunden anfallen. Uns würde es aber auch helfen, wenn wir ab und zu Mal wieder auf den Spielplatz könnten. Von anderen Aktivitäten reden wir noch längst nicht. Mir persönlich fehlt auch sehr der Ausgleich durch Sport. Vielleicht könnten ja Fitnessstudios oder Vereine mit kontaktarmen Sportarten schrittweise wieder öffnen, vielleicht mit Voranmeldung.

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