Liegt es wirklich an unseren Partnern, dass wir so genervt und angestrengt sind?
Ihr Lieben, ich habe hier einen Gastbeitrag von Susanne Johannsen – von der ihr bereits einiges gelesen und schätzen gelernt habt. Es geht um die Partnetschaft und die Erwartungen an sich selbst in Corona-Zeiten und Lockdown:
„Bitte bleiben Sie zu Hause!
Das ist das Beste und Wichtigste.
Ansonsten haben Sie nicht viel zu tun.
Genießen Sie die Ruhe und die Entschleunigung. Lesen Sie mal wieder ein gutes Buch. Nutzen Sie die freie Zeit um eine neue Sprache zu lernen. Meditieren Sie, machen sie Fernkurse, treiben Sie Sport vor dem Fernseher oder holen Sie doch einfach mal wieder die Nähmaschine aus dem Schrank und nähen Masken für die Allgemeinheit…“
Wen in den letzten Wochen keine Flut an Beschäftigungsideen überrollt hat, der muss wohl offline und tatsächlich vor irgendwelchen Büchern gesessen haben. Ich selbst habe auch einen Artikel mit Ideen verfasst, weil ich dachte, das braucht man bzw. Frau jetzt in dieser Zeit auf jeden Fall. Aber tatsächlich ist bei den Frauen, die ich kenne, der momentane Alltag weit davon entfernt, Zeit für Mediation & Co. übrig zu lassen.
Die meisten Frauen befinden sich nun in einer Situation, die sie in dieser Ausprägung nie haben wollten.
Ausschließlich zu Hause, mit ihren Kindern, verantwortlich für ALLES was man sich rund um Kind & Kegel vorstellen kann und manche setzen noch eines drauf – sie haben ihren Mann ebenfalls mit zu Hause.
Was sonst durch Job, Schule & Kita auf Distanz gehalten wurde, kommt jetzt mit voller Wucht und es gibt kein Entkommen.
Kinder beschäftigen, Home Schooling, Einkaufen, Kochen, den eigenen Job von zu Hause erledigen.
Räumlichkeiten, die man abschließen kann, müssen zwischen den Partnern abgewechselt werden, damit jeder mal in Ruhe arbeiten oder eine Videokonferenz abhalten kann. Gibt es das nicht und der Papa sitzt im Home Office am Küchentisch, kann man sich denken was dann folgen kann.
Ich möchte in diesem Blogbeitrag allen Frauen und Vätern meinen Respekt zollen, die gerade mit allen Kräften um die Harmonie in ihren Familien kämpfen.
Natürlich sind Pflegekräfte und Kassierer/-innen Systemrelevant – aber ihr seid es auch!
Ihr müsst durchhalten und ihr müsst euch Strategien überlegen, die gut für euch funktionieren. Strategien des Überlebens.
Eine Woche in Isolation ist gut zu schaffen. Aber alles was darüber hinaus geht ist ein Kraftakt und bedeutet viel gegenseitiges Verständnis, Geduld und Mitgefühl mit allen Familienmitgliedern aber auch MIT SICH SELBST!
Es bedeutet, dass wir uns nun wirklich kennenlernen. Wer von uns verbringt schon so viel Zeit mit seinem Partner und mit den Kindern, wie in der aktuellen Situation? Von den Wochenenden haben wir eine leise Ahnung wie das ist, aber nun wissen wir es wirklich. Sei ehrlich – es ist anstrengend. Unfassbar anstrengend und nervenzehrend.
ABER! Liegt es wirklich an den Kindern?
Liegt es wirklich an unseren Partnern, dass wir so genervt und angestrengt sind?
Oder kann es auch an den eigenen Ansprüchen und Erwartungshaltungen liegen?
Kann es an unserer eigenen Geschichte liegen, die unseren Umgang mit dieser Situation beeinflusst?
Ich sage ganz klar: „Ja!“
Es liegt nicht (nur) an den anderen, es liegt an und bei Dir!
Von unseren Vorstellungen zur Realität
Natürlich wärst Du vermutlich weniger angestrengt und genervt, wenn die Kinder sich den ganzen Tag selbst beschäftigen und nicht alle 5 Minuten „Maaaaaamaaaa!“ rufen würden. Aber ist es wirklich nur das?
Es fließt mit Sicherheit mit rein und lässt oft das Fass zum Überlaufen bringen. Ich habe mal in mich reingehört und mich, nachdem ich unglaublich genervt meine Kinder angebrüllt habe, gefragt, was gerade eigentlich so schlimm war bzw. was der Grund für mein „genervt sein“ ist.
Die Antwort lautet: Ich habe mir das anders vorgestellt.
Ich stelle mir vor, dass wir zeitig aufstehen, frühstücken und meine Tochter ohne Meckern „Schule“ macht. Während sie Deutsch oder Mathe Aufgaben löst, sitze ich vor meinem Laptop und kann arbeiten. Mein Sohn spielt in der Zeit Lego oder hört ein Hörbuch. Dann essen wir gemeinsam zu Mittag und die Kinder freuen sich über das, was ich koche. Nach dem Mittagessen dürfen die Kinder fernsehen und in dieser Stunde kann ich nochmal in Ruhe ein bisschen arbeiten.Am Nachmittag gehen wir raus, basteln, malen oder machen sonst irgendwas Schönes zusammen.
In der Realität sieht es leider, aber wenig überraschend, ein wenig anders aus.
An dieser Stelle muss ich jedoch kurz mit einfließen lassen, dass wir aufgrund unserer Österreich-Urlauber-Quarantäne entschieden haben bei meinen Eltern zu bleiben, die Haus & Garten haben, so dass es uns deutlich besser geht als vielen anderen Familien.
Das bedeutet jedoch auch viel Abstimmung, Rücksichtnahme und Ablenkung. Meine Schwester ist nämlich ebenfalls mit ihren Kindern bei uns und somit haben die Kinder zwar Spielkameraden, meine Tochter aber auch ganz wenig Lust auf Schule. Sie will natürlich lieber den ganzen Tag spielen.
Für mich heißt das folglich fast jeden Morgen Theater. Mittlerweile sitze ich mit ihr im Partykeller, da dort die wenigste Ablenkung passiert. Am Nachmittag spielen die Kinder zwar ganz schön, aber alle 10 Minuten kommt ein Kind heulend an oder will zusätzlich bespielt werden.
Und was habe ich für einen Gedanken in mir? Dass ich jetzt so schön schreiben und arbeiten könnte.
Ich würde gerne Podcasts und Bücher bei Audible hören, zu denen ich sonst nicht komme. Ich sehe so viele tolle Kursangebote und Veranstaltungen, die ich gerne schauen oder hören möchte. Aber dafür ist einfach keine Zeit!
Meine Kinder essen nicht so viel Gemüse, wie die meiner Schwester (Marmeladenbrot versus Couscous Salat) und das stresst mich, weil ich mir auch solche tollen Esser wünsche. Wenn sie durchdrehen, drehen sie gleich alle zusammen durch und weil ich mir vorstelle, dass sie jetzt lieber aufräumen, anstatt fangen spielen sollen, passiert was passieren muss – wir streiten und irgendwann platzt mir der Kragen…
Einfach doof! Warum?
Weil ich andere Vorstellungen habe und diese Anspannung auf den Kindern ablade.
Mein Mann ist nicht bei uns, sondern in Hamburg. An dem kann ich zum Glück nichts auslassen. Aber ich stelle es mir lebhaft vor, wie es wäre, wenn wir zu viert in unserer 3,5 Zimmer Wohnung sitzen würden. Eine Härtetest für jede Beziehung…
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So, die liebe Susanne hat auch Lösungsideen, Tipps und Erfahrungen, aber die bekommt ihr morgen zu lesen. Als Fortsetzung sozusagen. Sonst wird es hier zu lang. Und es würde der Platz, nein, der Raum (auch in euren Gedanken) für eine Frage an euch und die Antworten von euch fehlen:
Wie sieht es bei euch aus? Wie ist das mit den Erwartungen an euch selbst? Seid ihr auch genervt und angestrengt?
Liebe Grüße von
Susanne und Béa
P.S. von Susanne (keine Werbung, alles, was ich bekomme ist dieser Gastbeitrag für euch, den ich anregend und wertvoll finde!)
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Und auch: Wenn ihr mehr über mich oder meine Arbeit erfahren wollt, freue ich mich auf euren Besuch auf meiner Homepage (www.susanne-johannsen.de) oder auf Facebook und Instagram. Höre auch gerne mal in meinen Podcast (Erkenne die Heldin in Dir) rein. Du findest ihn neben meinem Blog auch auf iTunes, Spotify, Youtube und anderen Podcast Apps wie z.B. Overcast.
Tine
16. April 2020Ja, ich kann das alles sehr gut nachvollziehen. Gerade die ersten drei Wochen, wo die 2 Großen noch Schule machen sollten, waren wirklich das blanke Chaos. Es geht einfach nicht, einem Fünftklässler auf einmal den fortgeschrittenen Umgang mit Drucker und Computer beibringen zu müssen, weil es plötzlich benötigt wird, gleichzeitig den Versuch zu starten überhaupt auf einen aktuellen technischen Stand bei Internet und Computer zu kommen, zudem einen Zweitklässler zu motivieren, der unter massiven Konzentrationsstörungen leidet. Dazu gibt es noch ein Kindergartenkind, was bespaßt werden muss und der Ehemann ist natürlich auch schon seit Wochen im Homeoffice. Das Ganze dann auf knapp 110 Quadratmetern ohne abschließbare Einzelräume, weil der Rest eine Riesenbaustelle ist. Dazu noch die Sorge, wenn man beim Einkaufen ständig vor leeren Regalen steht, aber viel mehr Leute mit viel mehr Mahlzeiten versorgen muss und zwei Kinder Lebensmittelallergien haben. Meine Erwartungen waren eigentlich gar nicht mehr so hoch, da ich chronische Krankheiten habe, aber meine eigene Leistungsfähigkeit ist in diesen Zeiten noch niedriger, da Rehazentren ja auch nicht mehr öffnen dürfen und mir die Rehazeit nun total fehlt. Ich glaube, wir haben alle möglichen Phasen wie ungläubig Gucken, Aggression oder Wut und auch schon die Resignation mittlerweile recht gut hinter uns, trotzdem macht es mir etwas Sorgen, wie ich alles, was liegen geblieben ist, hinterher jemals wieder aufholen soll... Eins ist klar, hinterher ist nichts mehr wie es war. Auch wenn meine Kinder allmählich verstehen, dass sie besser zusammen auskommen sollten, da sie nur sich haben. :-)