Corona und Freundschaften – Brücken bauen


Béa hatte eine Umfrage gestartet, zu welchen Themen ihr euch Beiträge von uns wünscht. Ganz oft kam: „Freundschaften und Corona“. Ich wage mich heute an dieses Thema. Aus meiner Perspektive und mit dem, was ich durch Achtsamkeit und Gewaltfreie Kommunikation gelernt habe. Mit dem Wunsch: Brücken zu bauen.

Das wird jetzt eine Reflexion und vielleicht ist sie für den einen oder anderen hilfreich. Dieser Beitrag ist kein politisches Statement! Und wenn ich hier von verbindender Kommunikation und Verständnis schreibe, dann meine ich vor allem in Freundschaften und engen zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich versuche diesen Kreis auszuweiten und allen Menschen so zu begegnen. Dafür reicht allerdings auch meine Kraft (und Willen) nicht immer.

Was mir ganz wichtig ist, auch klare Grenzen im Sinne von: Ich kann die Freundschaft (momentan) nicht weiterführen, weil sie mein Leben nicht mehr bereichert oder ich die Kraft nicht habe, kann auch eine Möglichkeit sein. Selbstschutz und Selbstfürsorge!

„Spaltung der Gesellschaft“ heißt es. Die Gesellschaft ist gespalten, genauso wie manche Beziehungen, Familien, Freundschaften.

Ich frage: Geht da eine unsichtbare Macht mit der Axt durch und zack, ist alles entzweit?

Nein! Die Menschen sind es selbst. Wir entscheiden, wie wir damit umgehen. Ich habe letztens schon einen Beitrag zu Menschlichkeit geschrieben. Ich habe für mich beschlossen: Wenn mir Menschen wichtig sind, möchte ich wirklich achtsam damit umgehen, auch wenn die Emotionen gerade öfter hochkochen.

Wenn ich also heute versuche, eine Brücke zu bauen möchte ich den Fokus auf Bedürfnisse und Ängste richten.

Ich werde hier keine Seite einnehmen. Meine Seite ist: Mensch.

Menschen haben vielleicht gerade das Bedürfnis nach Sicherheit und Unversehrtheit und entscheiden sich für eine Impfung. Sie haben Angst davor, dass sie oder ihnen nahe stehende Menschen an dem Virus sterben oder schwer erkranken.

Andere Menschen haben Angst vor der Impfung. Und jetzt kommt es: Sie haben auch ein Bedürfnis nach Sicherheit und Unversehrtheit! Nämlich möchten sie nicht das Risiko von Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen eingehen. Hier gibt es eine Gemeinsamkeit. Und wer sagt denn, dass viele dieser Menschen nicht auch Ängste vor einer Erkrankung haben?

Es gibt nicht nur schwarz oder weiß.

An dieser Stelle: Was überhaupt nicht hilfreich und verbindend ist, diese Ängste gegeneinander aufzuwiegen.

Ich kann mich mit den Ängsten des jeweils anderen verbinden. Muss ich die Argumente nachvollziehen? Nein! Es ist mir wichtig, die Ängste zu sehen. Und Zahlen lassen sich leicht in die eine oder andere Richtung interpretieren. Das nur am Rande.

Was bringt es denn, Argumente aufeinander zu kloppen? Da, wo starke Ängste sind, werde ich mit Argumenten nicht überzeugen.
Empathie ist mein Schlüssel.

Empathie heißt nicht: Ich bin mit allem einverstanden.
Empathie heißt: Ich sehe, was gerade in dir lebendig ist. Ungeachtet dessen, mit welchen Worten du es ausdrückst.

Es gibt noch mehr Ängste und Bedürfnisse, die gerade unterschiedlich stark ausgeprägt sind:

Bedürfnis nach Sicherheit und Angst vor Armut. Jemand, der Angst um seine Existenz hat, hat jetzt vielleicht gerade nicht so viele Ängste vor dem Virus und eher vor den Maßnahmen.

Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie. Bei diesen Menschen spielt wohl auch eher die Angst vor dem Virus eine untergeordnete Rolle, sondern die Angst vor „Diktatur“.

Mein erster Punkt zu Freundschaft ist also: Mich mit dem dahinter verbinden!
Wie fühlt sich der andere? Was geht in ihm vor? Das sehen zu können, ist so unheimlich wertvoll.

Da mir Humor auch wichtig ist:
Meint ihr denn, wenn Menschen unterschiedliche Meinungen haben, was die Regierung sagt oder was auf Telegram-Kanälen steht: Hört sich das nicht gleichermaßen „irrsinnig“ für die andere Seite an? Ist es nicht viel wichtiger, was wirklich in uns vorgeht?

Mit dem Herzen zuhören ist hier die Zauberformel für mich.

Nicht die Worte hören, nicht meine Argumente im Kopf zurechtlegen, sondern versuchen mich einzufühlen.

„Every message, regardless of form or content, is an expression of a need.“
Marshall B. Rosenberg
„Jede Nachricht, egal wie der Inhalt oder die Form ist, ist ein Ausdruck eines Bedürfnisses“

Zum Thema irrsinnig: Holla die Waldfee! Was haben sich in den letzten Monaten da für Begriffe in den Sprachgebrauch geschlichen. Begriffe voller Bewertungen, Verurteilungen und Schuldzuweisungen.

„Querdenker“, „Schlafschafe“, „Coronanazis“, „Impfgegner“, „Querschwurbler“…
Ich kann mich hier hoffentlich verständlich machen, ohne noch mehr Beispiele zu bringen.

Ich spüre hier Wut und hinter der Wut liegen Ängste, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ohnmachtsgefühle.

All diese Begriffe fördern eine Spaltung und keine Verbindung. Diese Begriffe haben sich in vielen Köpfen festgesetzt und Feindbilder geschaffen. Und das teilweise bis in Familien und Freundschaften. Ich benutze solche Begriffe und Schubladen nicht.

Nächster Punkt für Freundschaften also: Einen Gang zurückschalten.
Mich wieder auf mich besinnen: auf meine Menschlichkeit und auf die Menschlichkeit im anderen.

„Je besser wir miteinander in Beziehung sind, desto besser können wir gemeinsam etwas schaffen.“
Kelly Bryson

Und in dem Fall ist es: Die Beziehung zu stärken, indem ich niemanden angreife. Ja, ich kann meinem Ärger, meinen Ängsten Luft machen. Indem ich sage, wie ich mich fühle und nicht dem anderen verbal vor den Koffer §%$&. Das führt zu Verteidigungshaltung oder zum Rückzug und zu Rissen. Das übrigens nicht nur beim Thema Corona.

Momentan gibt es unterschiedliche Ansätze. Nehmen wir alleine im Expertenrat der Bundesregierung Herrn Drosten und Herrn Streeck. Manchmal unterscheiden sich ihre Aussagen. Beides sind Experten. Einige Menschen fühlen sich bei dem einen abgeholt und andere bei dem anderen.

Zum Punkt Freundschaft: Hier ist es mir also wichtig, mich zu reflektieren.

Was geht in mir vor? Wo liegen meine Ängste? Habe ich solche Begriffe im Kopf und stecke ich vielleicht andere (besonders mir nahe stehenden) Menschen schon in solche Schubladen? Falls ja, gebe ich mir hier Selbstmitgefühl und kümmere mich erst mal um mich. Denn so ist keine Verbindung, keine Freundschaft, keine respektvolle und wertschätzende Kommunikation mehr möglich. Ja, wir können zu Themen verschiedene Standpunkte haben. Wie wir kommunizieren, macht den Unterschied. Und innerliche Abwertungen fördern auch keine Verbindung.

Zum Abschluss: Vor Corona (ja klingt schon ein wenig wie ferne Galaxien) wie seid ihr da mit Konflikten umgegangen?

Habt ihr, wenn ihr bei einem Thema mit Freunden und Familie nicht einer Meinung wart, nicht auch den ganzen Menschen gesehen? Oder nur dieses Thema? Sind es wirklich  unterschiedliche Werte, die uns jetzt trennen oder eher Ängste und unterschiedliche Bedürfnisse zu diesem Zeitpunkt?

Ich konnte schon vor Corona auf „das Dahinter“ schauen. Das war und ist für mich wertvoll und hilfreich, gerade jetzt.

Nicht nur die Ängste, auch Erleben und Erfahrungen sind valide. Jetzt ein ganz konkretes Beispiel und an dieser Stelle oute ich mich:

Ich habe einen Impfschaden nach meiner ersten und einzigen Biontech-Impfung im letzten Juli, der bis heute mein Leben beeinträchtigt. Einzelheiten möchte ich hier nicht beschreiben, außer: Es wurde von den Ärzten ans Paul-Ehrlich-Institut gemeldet und ich habe ein Attest, das für mich weitere Impfungen mit den derzeitig verfügbaren Impfstoffen ausgeschlossen sind.

Ich habe in meinem privaten Umfeld viel Verständnis und Fürsorge erfahren und bin sehr dankbar dafür.
Niemand hat den Impfschaden hinterfragt oder mir abgesprochen, wie ich mich jetzt fühle.
Mein Umfeld ist an meiner Seite und unterstützt mich. Dafür bin ich sehr dankbar.

Da ich mit Béa befreundet bin, schreibt sie jetzt auch ein paar Worte dazu.

Denn nun sind hier zwei Menschen befreundet: Einer nicht durchgeimpft und einer geboostert ganz ohne Nebenwirkungen

Béa: Natürlich würde ich mir aus meiner Sicht wünschen, alle anderen wären auch geimpft und geboostert, und basta mit der Pandemie. Wie es mindfulsun mit dem Impfschaden allerdings geht, hat mich auch erschrocken. Und ich kenne  auch einen weiteren Menschen, der von einer AstraZeneca Impfung ebenfalls eine Langzeitbeeinträchtigung hat.

Mir ist wichtig, mit mindfulsun in Verbindung zu sein, ohne uns beide zu gefährden. Jetzt bin ich auf Teneriffa und uns bleibt sowieso nur Telefonieren und WhatsAppen übrig. Aber auch über die ganze Zeit, in der wir in Berlin waren, haben wir uns nicht über Impfen vs. Nicht-Impfen gestritten, sondern versucht, uns so vorsichtig wie möglich zu sehen und gemeinsame Zeit zu verbringen: Spazieren in der Natur mit Abstand. Nur getestet und draußen im Restaurant essen. (Sommer 2021). Auch wenn wir nicht immer die gleiche Sichtweise zur und Erfahrungen mit der Impfung hatten, haben wir verstanden: Von unseren Gesprächsthemen macht das vielleicht 10% aus, die anderen 90% sind wichtiger. Diese wollten wir uns erhalten. 

Es ist möglich, wenn ich es möchte, Strategien zu entwickeln, wie ein Umgang mit einem heiklen Thema funktioniert:

1. Respekt: Gegenseitiger Respekt für unterschiedliche Bedürfnisse und Ängste

2. Strategien entwickeln: Aus diesem Respekt heraus teilen wir vielleicht manche Dinge nicht mehr miteinander. (und hier sind die neuesten Aussagen der Regierung und die Neuigkeiten aus diversen Social Media Kanälen für mich gleichwertig. Es besteht kein Zwang das auszutauschen und darüber zu sprechen.)
Wir wissen um unsere unterschiedlichen Standpunkte und aus Respekt und Toleranz heraus gibt es keinen unsichtbaren Elefanten im Raum.

3. Vielleicht brauchen wir doch ein wenig Abstand zueinander, nicht dauerhaft. Sondern bis wir mit unseren Emotionen selbst besser umgehen können. Das erleichtert ein Gemeinsam erheblich.

4. Grenzen wertschätzend formulieren und achten.

5. Einander mit dem Herzen zuhören, ohne Urteile. Denn wenn ich jemanden innerlich abwerte, kann kein wertschätzender Umgang und keine verbindende Kommunikation mehr möglich sein.

6. Das Leben besteht nicht nur aus Corona! Entdecken wir doch unsere Gemeinsamkeiten wieder, anstatt zu festigen, was uns gerade scheinbar teilt.

Die Teilung kann in unseren Köpfen sein. Ist sie auch wirklich in den Herzen?

Gerade in Freundschaften und engen Beziehungen wünsche ich mir, dass wir wieder den Fokus auf ein Miteinander legen und das, was uns verbindet. Denn auch die Bedürfnisse nach Verbindung, Liebe und Zugehörigkeit haben wir doch alle gemein.

Und das stärkt auch das Immunsystem. 😉

„Verständnis und Liebe sind Werte, die alle Dogmen transzendieren.“
Thich Nhat Hanh

mindfulsun

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About me

Mensch, Mama zweier Jungs, die versucht ihre Werte zu leben und die innere Balance zu halten. Ich schreibe über Achtsamkeit, vegane Ernährung, Nachhaltigkeit und verbindende Kommunikation von Herzen. Was ich mir wünsche? Einander mit mehr Mitgefühl und Empathie zu begegnen, überall auf der Welt.

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