Wann ist es eigentlich „unmodern“ geworden, nett zu sein? Nachricht einer Leserin


Wir haben zu dem Plakat „Sei das nette Kind“ und die vielen Rückmeldungen darauf dieses Leserbrief bekommen und glaube, dass er lesenswert ist. Und zwar ganz! Erst wollten wir nur daraus zitieren – aber er hat uns allen in der Redaktion so gut getan, dass wir ihn ganz wiedergeben:

Unsere Leserin schreibt:

Ich finde dieses Plakat mit seiner „netten“ Aussage großartig.
(Sei_das_nette_Kind_anti_mobbing_plakat)

Wann ist es eigentlich „unmodern“ geworden, nett zu sein?

Seit wann und warum wird „nett“ sein mit sich kleinmachen, nicht einzigartig zu sein, immer nachzugeben u.ä. gleichgesetzt?

Ich finde es wunderbar, dass dieses kleine Wort in diesem Zusammenhang endlich wieder an die Bedeutung herankommt, die es haben kann: Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn es mehr nette Menschen gäbe.

Menschen, die nicht gleich aufschreien und in Panik verfallen, weil beim Bäcker jemand bedient wird, der doch erst 3,8 Sekunden nach einem den Laden betreten hat – da gibt es so viele Wege nett zu sein, anstatt sich aufzuregen und (sich) zu (be-)schimpfen.

Ich arbeite in einer Nachmittagsbetreuung mit Grundschulkindern – und arbeite sehr gern mit den Aussagen dieses Plakates: Denn nett ist so cool! Großzügig sein ist toll.

Und das Leben macht mehr Spaß, wenn du nett bist! Probiere es aus.
Jeden Tag wieder aufs Neue!

Ich erlebe oft das „Unnette“: Die Kinder gönnen einander gar nichts, bei den kleinsten Streitigkeiten wird auf das „eigene Recht gepocht“ und auf die eigene Einzigartigkeit. Es geht ums Aufräumen: „Nein, mache ich nicht. Das hat der und das hat die…“
(Natürlich – jeder ist für sich selbst verantwortlich und wo kämen wir dahin, wenn andere sich das so einfach machen. Und… tja, wo kämen wir da wohl hin… wenn wir trotz und obwohl einfach „nett“ bleiben und nicht nur an uns denken, sondern an die Gemeinschaft, an ein besseres Zusammensein, an Vorleben von guten Eigenschaften…)

Warum wird „nett“ mit „artig“ und „gehorsam“ in einem Atemzug genannt?

Das, finde ich, wird dem „Nett“ wirklich nicht gerecht… und wenn „nett“ die kleine Schwester von Scheiße sein soll – die Macht der Geschwisterkinder sollte nicht unterschätzt werden.

Aber warum ist das so?

Haben wir mit „nett sein“ tatsächlich so schlechte Erfahrungen gemacht? Ist der bessere Weg daher, lieber nicht nett zu sein – weil ich mir ja auch nicht alles gefallen lassen kann oder – noch besser – die anderen ja auch nicht nett sind?

Die Kinder, mit denen ich arbeite, schauen mich oft groß an, wenn ich über dieses Thema mit ihnen spreche oder sie sehen, dass ich nett zu einem Kind bin, obwohl sich dieses gerade nicht …regelkonform… verhalten hat (oder nur seine Einzigartigkeit ausgelebt hat – wie auch immer): „Du bist einfach zu nett!“

Und welche Freude hatte ich zu antworten:“Es gibt kein zu nett!!“

Für das betroffene Kind war es sichtbar eine gute Erfahrung, denn normalerweise ist keiner nett zu ihm, wenn es lügt.

Bevor ich jetzt zu sehr abschweife, aber auch das ist nett sein: Ich hatte dem Kind mit meinem Nett-Sein den Wind aus den Segeln genommen und wir konnten das Problem seiner ausgelebten Einzigartigkeit in Ruhe besprechen. (Natürlich habe ich keine Wunder bewirkt – gerade heute hat mich dieses Kind ganz unnett wieder einmal an den Rand des Wahnsinns gebracht.)

Und diese Aussagen: „Du bist gut so wie du bist“ oder „Du bist was ganz besonderes“ – wenn du dich bei all deiner Einzigartigkeit aber arschlochmäßig verhälst, arrogant und ellenbogentaktisch unterwegs bist – dann sollte es doch wirklich an der Zeit sein, dass „nett sein“ wieder modern wird und gelebt werden darf, ohne belächelt zu werden.

Nicht das ich in irgendeiner Form belesen wäre, aber:
Ich bin mal in einem Donna Leon Roman (à propos belesen 😉 auf ein Zitat von Henry James gestoßen… den ich auch nur aus den besagten Romanen kenne (ich bin nun mal ein großer Italien-Fan):
„Be kind and then be kind and then be kind.“

oder etwas länger:

„Three things in human life are important: the first is to be kind, the second is to be kind and the third is to be kind.“ – eben gegoogelt.

Finde ich gut!

Vielen Dank für eure Arbeit, Eurer Engagement und eure Inspiration.

(Anmerkung Béa: Danke dir! So etwas zu lesen tut uns gut! <3) 

Und ihr seid nett – das habe ich schon oft gedacht: wie positiv und wohlwollend ihr auf garstige und auch ungerecht scheinende Kommentare reagiert und agiert – ganz großes Kompliment! Diese Art motiviert mich oft sehr auch in meinem ganz normalen Alltag.

Liebe Grüße und ganz herzlichen Dank fürs Lesen,

Eure Leserin

Und hier ist der ganze Beitrag von damals:

Sei das nette Kind!

Titelbild: Photo by Nick Karvounis on Unsplash

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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