Alle Mauern hochfahren und Gespräche abblocken – „Was ist Stonewalling“?


Wer bei einem Streit alle Mauern hochfährt und jedes Gesprächsversuch der anderen Person abblockt, betreibt Stonewalling. Was genau das bedeutet und wie gefährlich diese Art der Kommunikation sein kann, erfahrt ihr hier.

Was ist Stonewalling?

Stonewalling kommt aus dem Englischen  und bedeutet wortwörtlich „steinmauern.“ Damit gemeint ist, dass eine Person eine imaginäre Wand hochfährt, das Gespräch verweigert, komplett dichtmacht, und im schlimmsten Fall so tut, als existiere man nicht. Also ignorieren vom Feinsten. Vielleicht kommt euch das Thema bekannt vor, da ein Gastbeitrag schonmal erklärt hat, wie schädlich es für Kinder ist, sie mit Liebesentzug zu bestrafen. Stonewalling zielt nicht gezielt darauf ab, jemandem zu schaden, und doch sorgt diese Art des Verhaltens früher oder später dafür.

Anzeichen für Stonewalling:

Die Person wendet sich beim Gespräch von euch ab (zeigt die kalte Schulter)
Die Person hört auf, euch zu antworten (Ghosting)
Die Person geht nicht auf das ein, was ihr sagt, und lässt eure Worte wie eine Mauer an sich abprallen.
Die Person stellt sich in die Opferposition und übernimmt keine eigene Verantwortung
Die Person beendet das Gespräch und lässt euch nicht weiter zu Wort kommen – auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt

Stonewalling, um die Kontrolle zu behalten

Wer die Mauern hochfährt, tut dies oft aus dem Wunsch nach Kontrolle. Nach dem Motto: Ich entscheide, wann und wie das Gespräch beendet ist. Ich habe die Kontrolle über seinen Ausgang. Allerdings ist dies ein sehr einseitiger Schritt, der der einen Person vielleicht guttut, aber die andere komplett außen vor lässt und für eine sehr unausgeglichene Dynamik sorgt.

Wie sich die andere Person fühlen kann:

– hilflos
– verzweifelt
– traurig
– verletzt
– einsam
– frustriert
– …. (jetzt ihr – vielleicht checkt ihr auch das Thema „Pseudo-Gefühle“)

Und deshalb kann Stonewalling so viel Schaden anrichten, denn wer der anderen Person keine Möglichkeit gibt, um sich zu erklären, zeigt ihr keinen Respekt. Und Wertschätzung und Anerkennung sind schließlich Grundbedürfnisse des Menschen. Wir müssen nicht immer einer Meinung sein, aber wir sollten einander mit Respekt begegnen.

Stonewalling als Form der psychischen Gewalt

Es ist wohl keine große Überraschung, dass Stonewalling oftmals mit anderen Formen der psychischen Gewalt einhergeht. So zum Beispiel Gaslighting, eine Form der psychischen Manipulation, bei der die eigene Wahrnehmung derart verdreht wird, bis man selbst an seinen eigenen Worten zweifelt. („Nein, das hast du falsch in Erinnerung.“ „Nein, das bildest du dir bloß ein.“)

Oder aber beim Love Bombing, wenn man erst von Liebe überschüttet wird, und plötzlich ganz kalt und distanziert ist. Auch da verstehen Betroffene die Welt nicht mehr.

Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, wie Borderline oder Narzissmus neigen bei unbequemen Themen oft dazu, einfach dichtzumachen. Wie bereits gesagt, kann dies dazu dienen, die Kontrolle zu behalten – oder auch, sein Gegenüber zu bestrafen. Was allerdings wichtig ist: Diese Person macht das meist unbewusst. Das ist natürlich niemals eine Rechtfertigung dafür, um anderen Menschen wehzutun, aber jene Person hat auf diese Weise gelernt, sich vor negativen Gefühlen zu schützen.

Die Steinmauern aufbrechen

Prinzipiell hat jede Person das Recht, ein Gespräch zu beenden, wenn sie merkt, dass es ihr gerade zu viel wird. Wir müssen uns nicht zwingen, wenn wir nicht mehr länger reden wollen. Aber es funktioniert auch, ohne die Schotten dichtzufahren.

Hier ein paar Beispiele:

„Hör mal, ich merke gerade, dass mir das Gespräch zu viel wird. Ich würde mich gern ein wenig sortieren. Ist es in Ordnung für dich, wenn wir das Gespräch auf ein anderes Mal verschieben und dann in Ruhe noch mal reden?“

„Hör mal, ich habe das Gefühl, dass wir uns aktuell im Kreis drehen. Können wir das Thema erst mal ruhen lassen und wann anders nochmal darüber reden?“

„Ich weiß gerade nicht so recht, was ich darauf antworten soll. Ich würde gern nochmal über alles nachdenken und dann ein anderes Mal mit dir reden.“

Somit wird das Gespräch nicht abgeblockt, sondern nur verschoben.

Eine schlechte Eigenschaft macht uns nicht zu einem schlechten Menschen

Abschließend möchte ich noch auf eine Sache eingehen, die mir schon seit einer Weile auf dem Herzen liegt. Wir alle sind Menschen, was bedeutet, dass niemand von uns perfekt ist. Aber da wir in einer Gesellschaft leben, in der bei jedem Vergehen sofort „TOXISCH!“ oder „CANCEL!“ geschrien wird, neigen wir schnell dazu, mit unseren Mitmenschen besonders hart ins Gericht zu gehen. Versteht mich nicht falsch – psychische Gewalt ist schlimm und der Kontakt mit Menschen, die jene Gewalt ausüben, kann uns schaden. Aber indem wir Menschen sofort aus unserem Leben radieren, nehmen wir ihnen auch die Chance, sich zu bessern. Und ich spreche hier nicht von Menschen, die sich nicht ändern wollen.

Aber auch ich habe schon die Schotten dicht gemacht und anderen die kalte Schulter gezeigt. Auch ich bin bei einem Streit einmal einfach gegangen, und habe der anderen Person während all der Wut nicht die Möglichkeit gegeben, sich zu erklären. Das war nicht okay, doch ich habe daraus gelernt, und bin froh, dass meine Mitmenschen mir das Verhalten verziehen haben.

Was ich damit sagen will: Wir müssen keine Narzissten sein, um jenes Verhalten an den Tag zu legen. Vermutlich haben wir uns inmitten all der Emotionen nur ein wenig verirrt und suchen den Exit Knopf, anstatt sich dem Labyrinth der Gefühle zu stellen und darüber zu reden.

Habt ihr Erfahrung mit diesem Phänomen? Wie geht ihr damit um?

Mehr Themen zu Formen psychischer Gewalt findet ihr hier:

Geht auch zu viel Liebe? Love Bombing erkennen und sich davor schützen

Deswegen ist Bestrafung mit Schweigen nicht nur seelische Grausamkeit, sondern Machtmissbrauch!

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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