Unangenehme Gefühle verdrängen – Wovor schützt schlechtes Gewissen?


Das Thema schlechtes Gewissen kommt oft auf. Mir ist allerdings klar geworden, dass ich noch immer nicht ganz verstehe, woher es kommt, doch ich habe eine Theorie: Schützt uns das schlechte Gewissen in Wahrheit vor einem anderen Gefühl, das wir nicht zulassen wollen?

Menschen mit einer Moral haben zwangsläufig ein schlechtes Gewissen. Da wir aber alle unterschiedlich sind, prägt sich das schlechte Gewissen auch anders aus. Was für die einen für tiefe Scham und Selbstvorwürfe sorgt, ist für die anderen kaum der Rede wert.

Eigentlich ist schlechtes Gewissen etwas sehr Gutes, denn wie ein moralischer Kompass sorgt es dafür, dass wir auf dem richtigen Pfad bleiben. Allerdings ist das nicht immer so, denn manchmal haben wir so hohe Ansprüche an uns selbst und an das eigene Verhalten, dass wir uns für alles Mögliche grämen.

Aber warum ist das so? Liegt es an der Gesellschaft oder unserer Erziehung? Vermutlich beides, aber ich glaube, das ist nicht alles.

Ich habe mal geschaut, was die häufigsten Gründe für mein schlechtes Gewissen sind. Warum empfinde ich so? Dient mein schlechtes Gewissen bloß dazu, mir ein blödes Gefühl zu geben? Oder hat es etwas anderes im Sinn? Will es mich vielleicht sogar schützen?

Ein paar Beispiele:

Warum fühle ich mich schlecht, wenn ich nein sage?

Weil ich Angst habe, andere zu enttäuschen. Weil ich keinen Streit vom Zaun brechen und auch nicht abgelehnt werden will.

Warum fühle ich mich schlecht, wenn ich keinen Sport treibe?

Weil ich mich dann faul und träge fühle, vor allem aber undiszipliniert. Alle schaffen es, sich aufzuraffen, aber ich nicht.

Warum fühle ich mich schlecht, wenn ich mit dem Flugzeug fliege?

Wegen des Klimas, ja, aber wenn ich ganz, ganz, ganz ehrlich bin, dann rührt das schlechte Gewissen hauptsächlich daher, dass mich andere verurteilen. Dass sie sagen, ich sei egoistisch und denke nur an mich.

All diese Gefühle sind so stark, dass ich sie auf keinen Fall spüren will. Stattdessen sorge ich dafür, dass schlechtes Gewissen gar nicht zustande kommt. Hin und wieder überschreite ich aber meine eigenen Grenzen, zum Beispiel, wenn ich zu allem immer Ja sage.

Das schlechte Gewissen ist nicht böse, eigentlich will es uns nur vor einem anderen Gefühl schützen.

Ich weiß nicht, ob mir das schon die ganze Zeit klar war, aber für mich ist das irgendwie ein Eye-Opener. Die ganze Zeit war ich gegen das schlechte Gewissen, habe regelrecht dagegen gekämpft, und versucht, es loszuwerden, dabei ist es wie ein Airbag, der den Aufprall abdämpfen will.

Damit will ich aber nicht sagen, dass wir uns dem schlechten Gewissen stets beugen sollten. Ich habe ja bereits darüber geschrieben, dass es mir wichtig ist, alle meine Gefühle auszuhalten, und ich stehe nach wie vor zu diesen Worten. Das ist persönliche Entwicklung und gehört für mich zu meiner Selbstfürsorge dazu.

Allerdings würde ich hinzufügen, zu schauen, was mein schlechtes Gewissen beinhaltet und was dahinter steckt.  Wo kommt es her? In welcher Situation tritt es auf? Vor welchem Gefühl will es uns schützen?

Und um welches Problem müssen wir uns eigentlich kümmern?

Stichwort: Glaubenssätze und unsere innere Stimme

Und auch hier geht es nicht ums Verteufeln, sondern ums Verstehen, woher sie kommen und dass sie vielleicht gar nicht der Wahrheit entsprechen. Und dann (und das ist der schwerste Part von allem) geht’s ums Überschreiben. Die alten Glaubenssätze loslassen und neue bilden.

Während meiner Verhaltenstherapie habe ich gute Tipps bekommen und wir haben uns mit meinem Glaubenssatz „Ich bin egoistisch“ auseinandergesetzt. Ich selbst setzte meinen Egoismus auf Stufe 9, und dann besprachen wir Situationen, in denen ich glaubte, egoistisch gehandelt zu haben. Wir setzten eine Tabelle auf, in denen wir zusammentrugen, was egoistisch war und was nicht, und fast alles wurde in die „nicht egoistisch“ Spalte gesetzt. Da erst wurde mir klar, wie absurd streng ich mit mir bin.

Zum Beispiel dachte ich, es wäre egoistisch von mir, dass ich in der Nacht nicht ans Handy ging, weil es lautlos geschaltet war. Meiner Freundin ging es zu dem Zeitpunkt nicht gut, und ich hätte doch wissen müssen, dass sie sich melden würde.

Nein, hätte ich nicht, denn ich bin keine Hellseherin. Heute weiß ich das, aber damals war das schlechte Gewissen groß. Das lag vor allem auch an meinen eigenen Erwartungen an mich selbst. An meinen Glaubenssätzen zu arbeiten, hat definitiv geholfen und mehr innere Ruhe gebracht! Und ich bin froh, dass ich diese persönliche Entwicklung in Angriff genommen habe.

Was haltet ihr von dieser Theorie? Habt ihr auch Gefühle, die hinter dem schlechten Gewissen versteckt sind? Habt ihr schon bemerkt, dass schlechtes Gewissen abhängig von Gedanken  ist? Seht ihr leichter über Fehler anderer hinweg als über eure eigenen?

Mehr zu dem Thema:

Schlechtes Gewissen: Zu wenig Zeit fürs Kind, zu viel Zeit für die Karriere

Das schlechte Gewissen loswerden indem wir es willkommen heißen?

Schuldgefühle bei eigenen Grenzen? Das schlechte Gewissen aushalten – auch, wenn es wehtut!

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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1 Kommentare

Eddy
Antworten 27. Dezember 2022

Ich finde mein schlechtes Gewissen zwar immer noch "böse" (und mache jetzt Sport...), aber ich danke dir für diesen Artikel, über den ich garantiert noch eine Weile nachdenken werde!

Ich empfehle den Beitrag unseren Leserinnen und Lesern gerne weiter.

Beste Grüße,
Eddy

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