Anderes Sehen – eine Mutter, ein Kind und eine ganz wichtige Suche nach einem Lehrer
Liebe Leser, ich gebe euch erst eine Zusammenfassung und meine Bitte mit – und dann im Folgenden das ganze Interview mit Ellen:
Ellen Schweizer ist die Mutter von Juli. Juli ist eine quirlige, smarte 5jährige, die blind auf die Welt gekommen ist. Ihr Mutter Ellen wollte sich nicht damit abfinden, dass Juli viele Chancen verwehrt werden und hat das Beste nach Deutschland gebracht, was Blinden helfen kann: Echolocation oder Echoortung. Damit orientieren sich blinde Menschen wie Fledermäuse. Juli lernt das und außerdem auch noch eine zweite Sprache, und zwar in einer der Kitas, die ich gegründet habe, bei Phorms Berlin Mitte.
So, und jetzt kommt der Clinch! Wenn Juli auf dieser Schule bleiben soll, braucht es dort eine Lehrkraft mit Spezialausbildung für blinde Kinder. Diese sucht die Schule mit diesem Gesuch, das möglichst viele Menschen erreichen sollte:
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Eine Aufgabe als Grundschullehrer/in in Berlin
Ab Schuljahr 2014/2015 suchen wir für die erste Klasse an der bilingualen privaten Grundschule Phorms Berlin Mitte eine/n engagierte/n Grundschullehrer/in mit zweitem Staatsexamen, der/die eine Zusatzausbildung/bzw. Erfahrung im Unterrichten von blinden Kindern hat.
Zusätzliche Voraussetzungen sind: gute bis sehr gute Kenntnisse der englischen Sprache, um gemeinsam mit einem internationalen Team die Beschulung der blinden Schülerin in einem regulären Schulumfeld zu gestalten. Berufserfahrung im Unterrichten von sehbehinderten Schülern ist von Vorteil.
http://www.berlin-mitte.<wbr />phorms.de/de_bm/
Wir freuen uns über aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen an [email protected]
So, und hier erfahrt ihr mehr über Echoortung, Ellen und ihre Tochter Juli im Interview:
Liebe Ellen, kannst du bitte kurz beschreiben, wie du dazu kamst, den Verein "Anderes Sehen" zu gründen?
Unsere Tochter wurde blind geboren. Mein Mann und ich fanden das Angebot von Frühförderung blinder Kinder nicht ausreichend und haben uns weitere Informationen in den USA gesucht. Das Gelernte war so verblüffend anders und oft fortschrittlicher als das, was in Deutschland angeboten wurde – wir wollten das daher nicht ausschließlich unserer eigenen Tochter, sondern mussten es allen blinden Kindern zur Verfügung stellen. Wir wollten unser Wissen teilen. Zur Finanzierung der Veränderungen durch Spenden haben mein Mann Steffen Zimmermann und ich 2011 den Verein Anderes Sehen e.V. gegründet.
Warum funktioniert "Echoortung" bei ganz jungen Kindern?
Wir haben für Echolokalisation mithilfe eines Zungenklicks den Begriff „Klicksonar“ (Flash Sonar) eingeführt. Dabei nutzt das Gehirn nach einiger Übung die sehr differenzierte räumliche Information aus dem zurückfallenden Echo um ein Bild der Umgebung zu erzeugen. Bei Kindern muss man zunächst nur den Anschub geben und sie entwickeln die Technik selbst weiter.
Kleine blinde Kinder verstehen ganz schnell von selbst, was ihnen Echoortung bringt.
Warum muss trotzdem auch der Umgang mit einem Blindenstock trainiert werden?
Klicksonar ist für die Wahrnehmung der weiteren Umgebung oder von Räumen und Situationen gedacht; der Langstock (Blindenstock) ist für den Boden. Löcher zum Beispiel oder Bodenunebenheiten könnte man niemals mit Klicksonar „aufspüren“. Deshalb sind der Blindenstock zusammen mit Echoortung extrem wichtig!
Wie arbeitet "Anderes Sehen" jetzt?
Wir arbeiten weitgehend zu zweit und organisieren alles, von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit über Konstruktion von Hilfsmitteln bis Konzeption von Erleichterungen für die Familien und Kinder. Das machen wir in den wenigen Stunden, die uns bleiben, wenn wir aus unserem Büro nach Hause kommen, uns um das Leben unseres eigenen Kindes gekümmert haben und um die anderen üblichen Aufgaben. Wir wünschten, wir hätten die Aufgaben des Vereins als Job und könnten unsere Berufe aufgeben. Wir könnten die Welt in kürzester Zeit verändern und vieles umsetzen, was jetzt ausfgeschoben werden muss.
Was kann der Verein eigentlich im Idealfall erreichen? Was sind eure Ziele?
Unser allergrößtes und oberstes Ziel ist die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Bundesrepublik. Das bedeutet Inklusion ohne Aufschub und Einschränkungen.
Wir werden unser Land immer wieder auf seine Verantwortung hinsichtlich der vor fast 5 Jahren ratifizierten UN Behindertenrechtskonvention aufmerksam machen!
Wir wollen erreichen, dass blinde Menschen ein Leben ohne fremdbestimmte Grenzen führen können und gleichwertig in der sehenden Gesellschaft bewegen können. Wir geben Bücher für blinde Kinder heraus, bauen Blindenstöcke und lehren Klicksonar zur Orientierung mit Echoortung. Mut, Bewegungsdrang und Selbständigkeit werden mit Stock und Klicksonar gefördert.
Wir fordern: Blinde Kinder sollen mit sehenden gemeinsam aufwachsen! Kinder sollen lernen, dass Normal sein sehr unterschiedlich ist! Alle sind normal.
Wir regen Eltern und Erzieher dazu an, den blinden Kindern alle Möglichkeiten anzubieten. Wofür sich die Kinder dann entscheiden, sagt ihnen ihre eigene Persönlichkeit, Begabung und Fähigkeit.
Wir sehen uns als Plattform zum Austausch und zur Aufklärung. Wir wollen anderen Eltern Mut machen und viel Wissen teilen.
Wir arbeiten an gleichen Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit für alle!
Im Idealfall erreichen wir auch, dass Klicksonar zum Standard in der deutschen Frühförderung und im Mobilitätstraining wird, so wie das in Österreich bereits durch unser Engagement der Fall ist.
Wir können hoffentlich ab Mai für jedes blinde Kind in Deutschland zum ersten Geburtstag einen kostenlosen Langstock zur Verfügung stellen, die es bis dato nicht gibt. Wir wollen damit auch den lästigen Bittstellerweg über die Krankenkassen umgehen.
Wie erlebst du, dass dein Kind in der Kita integriert wird?
Meine Tochter ist dabei. Das heißt, die Kinder, mit denen sie in die Kita geht, sehen ihre Blindheit als eine Eigenschaft von vielen. Sie ist ja nicht „nur“ blind. Sie ist auch unglaublich sozial, wissbegierig, freundlich und noch mehr. Für Kinder sind andere Kinder so, wie sie sind. Nicht mehr und nicht weniger. Braunhaarig und blind und fröhlich zum Beispiel. Die Blindheit ist keinesfalls das beherrschende Merkmal. Ich bin nicht sicher, ob, wenn man die Kinder fragen würde, sie sollen meine Tochter beschreiben, sie dann als erstes „blind“ sagen würden.
Ich hatte auch Fragen an Juli, und sie war so lieb, sie zu beantworten:
Liebe Juli, womit spielst du am liebsten?
Ich spiele am liebsten Puppentheater.
Wer sind deine besten Freunde und was magst du an ihnen?
Meine Freunde sind Elfie und Fayze. Ich mag, dass ich mit ihnen so schön basteln kann.
Hast du ein Lied, das du gern singst oder hörst?
Viele Lieder!
So, wenn euch das alles bewegt hat, wenn ihr helfen wollt: Bitte weitergeben! Teilen, teilen, teilen!
Ellen, Steph und ich bedanken wir uns dafür schon im Voraus.
Liebe Grüße,
Eure Béa
P.S.Wenn Ihr sehen wollte, wie Echoortung bzw. Echolocation in verblüffende Weise funktionieren kann, schaut das hier:
- 14. Jan 2014
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